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ZFWG 2023, 209
Hartmann 

21 ist das neue 18?

Abbildung 1

„[G]elebt[e] Toleranz“ – damit wirbt bremen.de für einen Besuch an der Weser.1 Die Toleranz endet indes bei Heranwachsenden, die in Bremen eine Spielhalle betreten möchten. Die Betreiber müssen sicherstellen, „dass Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben[,] keinen Zutritt“ zu Spielhallen erhalten. Das bestimmt § 3 BremSpielhG ausdrücklich (nur ein Komma habe ich ergänzt).2

Die Altersgrenze ist neu. Bis zum 30. Juni 2022 galt das Mindestalter der Volljährigkeit, also 18 Jahre.3 Für die „Anpassung“, wie Bremen die Erhöhung nennt, spreche laut Gesetzesbegründung eine Reihe von Argumenten4:

  1. der Jugendschutz,

  2. der Spielerschutz und die Suchtprävention: Personen „bis zum Alter von 25 Jahren“ seien „besonders vulnerab[el]“ und „bis in die frühen 20er Jahre“ besonders gefährdet,

  3. das Jugendgerichtsgesetz: § 105 JGG berücksichtige, dass sich das „Jugendalter als Entwicklungsabschnitt“ nicht durch „starre Altersgrenzen“ bestimmen lasse, daher „kann“ auch auf Heranwachsende Jugendstrafrecht angewendet werden.

Die Begründungen befremden:

  1. Eine Altersgrenze von 21 Jahren lässt sich nicht mit Jugendschutz rechtfertigen. Das Jugendschutzgesetz bestimmt ausdrücklich, dass Jugendliche „14, aber noch nicht 18 Jahre alt sind“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 JuSchG). Dementsprechend handelt die Bremer Begründung selbst von „Jugendliche[n], also Minderjährige[n]“5.

  2. Eine Altersgrenze von 21 Jahren lässt sich mit der zitierten Studie (25 Jahre) nicht belegen. Die Bremer Begründung beruft sich denn auch auf weitere, „verschieden[e] Studien“ – freilich ohne diese zu zitieren oder auch nur zu benennen.

  3. Eine Altersgrenze von 21 Jahren lässt sich schließlich nicht mit dem Jugendstrafrecht erklären. § 105 Abs. 1 JGG anerkennt, dass einem Menschen – so die Bremer Begründung selbst – „im Einzelfall“6 die notwendige Reife eines Volljährigen fehle. Das bremische Spielhallenrecht aber schließt die Heranwachsenden generell und abstrakt, allesamt und ausnahmslos aus. Dabei ermöglicht doch schon das geltende Recht die Differenzierung im Einzelfall: mittels der Spielersperre (vgl. § 4c BremSpielhG). Die Fremdsperre erfasst „spielsuchtgefährdet[e]“ Personen ausdrücklich (vgl. § 8a Abs. 1 GlüStV 2021).7

Hinzu kommt: Das virtuelle Automatenspiel erlaubt Bremen bereits ab 18.8 Doch ist das terrestrische Spiel keinesfalls gefährlicher als das virtuelle. Daher kann in der Spielhalle keine höhere Altersgrenze gelten als vor dem Rechner. § 3 BremSpielhG verletzt Unions- und Verfassungsrecht.9

Dass Bremen Heranwachsende ausnahmslos als unreif und gefährdet begreift, erstaunt auch politisch. Wer die Bremische Bürgerschaft wählt, braucht weder 21 noch 18 Jahre alt zu sein. 16 Jahre genügen seit 2009.10 Damals nannte das Parlament das Kind noch beim Namen: Die „Absenkung“11 des Wahlalters begründeten die Fraktionen SPD, Bündnis ZfWG 2023 S. 209 (210)90/Die Grünen und Die Linke u. a. mit dem Befund, dass 16- und 17-jährige Jugendliche „früher selbständig und -verantwortlich“ würden und daher „regelmäßig in der Lage“ seien, die „Bedeutung“ ihrer Wahlentscheidung „zu beurteilen“12. Der Senator für Inneres, schon damals Ulrich Mäurer, nannte die Absenkung im Plenum „vernünftig“13. Übrigens: Das neue Mindestalter von 21 Jahren, das in Bremer Spielhallen gilt, gab es früher auch bei Bürgerschaftswahlen. Diese Altersgrenze hat Bremen bereits gesenkt – vor über fünfzig Jahren.14

Univ.-Prof. Dr. Bernd J. Hartmann, LL.M. (Virginia), Osnabrück*

1

https://www.bremen.de/tourismus (Abfrage: 6.4.2023). Dieses Editorial enthält Überlegungen, die auf eine Anfrage des Verbands der Deutschen Automatenindustrie (VDAI) zurückgehen.

2

Vgl. Gesetz zur Anpassung spielhallenrechtlicher und glücksspielrechtlicher Vorschriften an den Glücksspielstaatsvertrag 2021 v. 21.6.2022, Brem. GBl. S. 285, 288.

3

§ 3 BremSpielhG in der Fassung des Gesetzes v. 12.6.2012, Brem. GBl. S. 255; Gesetzentwurf des Senats, Bremische Bürgerschaft (Landtag), Drs. 20/1465 v. 10.5.2022, S. 16.

4

Gesetzentwurf (Fn. 3), Drs. 20/1465 v. 10.5.2022, S. 16 f.

5

Gesetzentwurf (Fn. 3), Drs. 20/1465 v. 10.5.2022, S. 17.

6

Gesetzentwurf (Fn. 3), Drs. 20/1465 v. 10.5.2022, S. 17.

7

Vgl. Hartmann/Schaaf, ZfWG 2022, S. 398, 401.

8

§ 4 Abs. 3 S. 2, 3, § 6e Abs. 1 S. 1 des Anhangs zum Brem. GlüStVG 2021.

9

Hartmann/Schaaf (Fn. 6), S. 401 f. m. w. N.

10

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BremWahlG in der Fassung des Gesetzes vom 14.11.2009, Brem. GBl. S. 443.

11

Bremische Bürgerschaft (Landtag), Bericht und Antrag des nichtständigen Ausschusses „Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts“, Drs. 17/934 v. 23.9.2009, S. 4.

12

Bremische Bürgerschaft (Landtag), Bericht und Dringlichkeitsantrag des nichtständigen Ausschusses „Erleichterung der Volksgesetzgebung und Weiterentwicklung des Wahlrechts“, Drs. 17/934 v. 23.9.2009, S. 25.

13

Bremische Bürgerschaft (Landtag), 17. Wahlperiode, Plenarprotokoll der 52. Sitzung am 1.10.2009, S. 3842, 3843.

14

Gesetz v. 17.11.1970, Brem. GBl. S. 157.

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