UWG 2022: Deal or no Deal? – Das ist hier die Frage!
Das UWG im Wandel zwischen GSFW, GSVWG und Green Deal
RAin Uta Wichering
Das UWG durchlebt nach wie vor bewegte Zeiten: Aus seinem nahezu „Dornröschen-Schlaf“ (vgl. Wichering, Editorial WRP Heft 6/2021) erweckt, muss es sich fortwährend vielfältigen Herausforderungen stellen: Nach den durch das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (GSFW)“ im Wesentlichen zum 02.12.2020 in Kraft getretenen Änderungen (vgl. dazu insgesamt die Sonderausgabe WRP Heft 6/2021) standen mit dem Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (GSVWG) erneut tiefgreifende Veränderungen des UWG an. Diese neuen Vorschriften sind seit dem 28.05.2022 in Kraft.
Den unionsrechtlichen Anstoß für diese Gesetzesänderung gab die RL (EU) 2019/2161 (Omnibus-RL), die neben der RL 2005/29/EG (UGP-RL) u. a. auch die RL 98/6/EG (Preisangaben-RL) sowie die RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) reformierte. Den UWG-Änderungen widmete sich das 20. Frankfurter Symposium der WRP am 29.04.2022. Auch diese Jubiläumsausgabe folgte wieder dem Ziel, eine Plattform für Diskussionen über aktuelle Gesetzesänderungen sowie für den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu schaffen. Sechs Vorträge gaben einen detaillierten Einblick in die wesentlichen Neuerungen des GSVWG und deren Auswirkungen auf die Rechtspraxis. Im Anschluss an die spannenden Referate wurde ausführlich und konstruktiv diskutiert. Den Themen des Symposiums nimmt sich die WRP mit der vorliegenden Schwerpunktausgabe an.
1. Zum Auftakt der Tagung berichtete Ministerialrat Jörg Rosenow, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin, über „Entstehungsgeschichte, Zweck und wesentlicher Inhalt des Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ (vgl. Rosenow/Staiger, GRUR 2022, 773) und konnte abermals quasi „aus dem Nähkästchen“ des Gesetzgebungsverfahrens berichten. Nach der ungeschriebenen rheinischen Grundregel „Beim zweiten Mal ist’s bereits Tradition“ sind wir guter Hoffnung, auch für die anstehenden UWG-Änderungen wieder solche Einblicke direkt aus der „Gesetzeswerkstatt“ erhalten zu können.
2. Dr. Stefan Schilling, Richter am OLG Hamburg, 5. Zivilsenat, nahm sich des umfassenden Themas „Dual-quality (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG); Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 5a Abs. 1 UWG auf sonstige Marktteilnehmer; neue Preisangabenverordnung“ an und brachte dem Publikum damit pointiert die Neuordnung des Irreführungstatbestands sowie die umfangreichen PAngV-Änderungen näher (vgl. Schilling, WRP 2022, 809, in diesem Heft).
3. Anschließend widmete sich Richter am BGH, I. Zivilsenat, Karlsruhe Jörn Feddersen dem Thema „Neue Transparenzanforderungen im Onlinebereich (Online-Marktplätze, Verbraucherbewertungen) und für Influencer“. Er berichtete u. a. von dem – gelungenen (vgl. auch Rauer/Kempf, WRP 2022, 817 Rn. 41, in diesem Heft) – Balanceakt, hier im Rahmen der drei maßgeblichen Influencer-Entscheidungen auf Basis der bis dato geltenden UWG-Vorschriften, gleichwohl in Ansehung der vom Gesetzgeber geschaffenen Neuregelungen in § 5a Abs. 4 UWG eine angemessene Lösung zu finden (vgl. Feddersen, WRP 2022, 789 Rn. 23, in diesem Heft).
4. RAin Dr. Karolina Schröder, Harte-Bavendamm-Rechtsanwälte Hamburg, beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit der „Neufassung des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG („Schwarze Liste“)“ und veranschaulichte mit eingängigen Beispielen die Neuheiten bei den Per-se-Verboten. (vgl. hierzu auch Fritzsche/Eisenhut, WRP 2022, 529).
5. Der revolutionäre, weil dem UWG bislang gänzlich fremde „Schadensersatzanspruch der Verbraucher, seine Grenzen und seine Durchsetzung (§ 9 Abs. 2 UWG)“ stand im Mittelpunkt der Betrachtungen von Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Universität Köln. Dieser bereits viel diskutierte Anspruch wird weiter Raum für Debatten bieten und „das UWG im Bereich des Verbraucherschutzes ‚boostern‘“ (vgl. Peifer, WRP 2022, 794 Rn. 49, in diesem Heft).
6. Zum Abschluss der Tagung blickte RA Dr. Nils Rauer, Pinsent Masons Rechtsanwälte, Frankfurt a. M., nochmals spezifisch auf die Problematik: „Influencer-Marketing – Von Karlsruhe über Berlin zur Umsetzung in der Praxis“ und nahm sich des Themas damit vor allem aus der vertragsgestaltenden Seite an, bei der viele Vorgaben der BGH-Rechtsprechung ohnehin bereits auf der Tagesordnung stehen. Gerade durch die dynamischen Entwicklungen im Social-Media-Bereich – Stichwort sog. „angemaßter“ Influencer (vgl. Rauer/Kempf, WRP 2022, 817 Rn. 71, in diesem Heft) – wird es hier an weiteren zu lösenden Problemkonstellationen nicht mangeln.
Im UWG gehen uns derweil auch weitere spannende Themen nicht aus: Gerade hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen vorgelegt (sog. „Green Deal“, COM(2022) 143 final, hierzu bereits Alexander, WRP 2022, 657 sowie Laoutoumai, Editorial WRP Heft 6/2022). Bei dem selbstverständlich sinnvollen und hochaktuellen Ziel, den Klima- und Umweltschutz in Zeiten des ökologischen Wandels zu stärken und insbesondere den Verbraucher vor unlauterer Umweltwerbung, sog. Greenwashing, zu schützen, darf allerdings eins nicht aus dem Blick verloren werden: Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Durch die geplanten Eingriffe drohen die ursprünglichen Konturen der UGP-RL verloren zu gehen. Eine zunehmende Detaildichte erschwert die transparente und handhabbare Umsetzung in das nationale Recht. Wie der deutsche Gesetzgeber die erneute Mammutaufgabe des Transfers in das UWG meistern wird, bleibt abzuwarten. Dieses Thema wird uns in der WRP in der nächsten Zeit beschäftigen – und das 21. Frankfurter Symposium der WRP ist bereits in Planung …
RAin Uta Wichering, Bonn