Kostenerstattung für Patentanwälte in Markenverfahren – Ein Ende oder work in progress?
Marianne Grabrucker, VRiBPatG a. D.
Der bekannte Satz „Gut Ding will Weile haben“ trifft auf die Entscheidung des BGH (13.10.2022 – I ZB 59/19, WRP 2023, 458 – Kosten des Patentanwalts VII) zu – denn nach der Antwort des EuGH auf seine Vorlage (28.04.2022 – C-531/20, WRP 2022, 696 NovaText/Rupprecht-Karls-Universität Heidelberg; BGH, 24.09.2020 – I ZB 59/19, WRP 2020, 1577 – Kosten des Patentanwalts VI) zur Einschränkung der Auferlegung von Patentanwaltskosten eines in einem markenrechtlichen Verfahren gem. § 4 PatAnwO, § 140 Abs. 3 MarkenG a. F., § 140 Abs. 4 MarkenG beteiligten Patentanwalts und seit der Diskussion darum ist viel Zeit vergangen. Die Konstanz des BGH in seiner Auffassung zur Problematik bestand seit 2003 (BGH, 03.04.2003 – I ZB 37/02, WRP 2003, 755 – Patentanwaltskosten I). Die „Sichtweise des BGH“, die er nunmehr aufzugeben gewillt ist, bezieht sich allein auf die Kostenerstattung in einem gerichtlichen Markenverfahren nach § 140 Abs. 4 bzw. Abs. 3 MarkenG a. F.
Diese erfolgte bislang ohne weitere materielle Prüfung auf ihre Notwendigkeit, nicht beschränkt auf eine einzige Gebühr, wenn die Mitwirkung im Verfahren angezeigt bzw. glaubhaft gemacht worden war. Hingegen wurde die Erstattungsfähigkeit der außer- oder vorgerichtlichen Kosten des Patentanwalts vom BGH stets nach § 91 Abs. 1 ZPO i. S. d. „zweckentsprechenden Rechtsverfolgung“ eingeschränkt behandelt, wenn also die Mitwirkung erforderlich war (BGH, 24.02.2011 – I ZR 181/09, WRP 2011, 1057– Patentanwaltskosten II; BGH, 21.12.2011 – I ZR 196/10, GRUR 2012, 756 – Patentanwaltskosten III, BGH, 10.05.2012 – I ZR 70/11, GRUR 2012, 759 – Patentanwaltskosten IV). Im gerichtlichen Verfahren ergaben sich somit regelmäßig höhere Verfahrenskosten, was den Unterliegenden auf Dauer unter Geltung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 RL 2004/48/EG problematisch und nicht tragbar erschien. Darin wird nämlich nur von der Erstattungsfähigkeit zumutbarer und angemessener Kosten ausgegangen: Art. 14 lautet: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen.“ Art. 3 Abs. 1 lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe vor, die zur Durchsetzung der Rechte … erforderlich sind. Diese … müssen fair und gerecht sein, außerdem dürfen sie nicht unnötig … kostspielig sein …“.
Letzterer Faktor spielte in der Problemdiskussion insoweit eine Rolle, als die ständige Rechtsprechung des BGH zur prüfungslosen Kostenerstattung des Patentanwalts ohne Limitierung anhand von Notwendigkeits- oder Angemessenheitskriterien auf § 32 Abs. 5 WZG von 1936 fußte. Dies geschah damals in der Annahme, der Patentanwalt sei aufgrund seiner Ausbildung im markenrechtlichen Verfahren notwendig. Dieses Argument wurde vom BGH jedoch nunmehr seit der Einführung des Fachanwalts für gewerblichen Rechtsschutz für obsolet gehalten. Entsprechende Kenntnisse im Markenverfahren fänden sich nicht mehr nur beim Patentanwalt. Eine Doppelvertretung, insbesondere innerhalb einer Kanzlei, sei überflüssig und daher i. S. v. Art. 3 Abs. 1 RL 2004/48/EG „kostspielig“, ebenso wie sie i. S. v. Art. 14 „nicht zumutbare oder unangemessene Kosten“ verursache.
Der EuGH antwortete auf die Zweifel des BGH an der bisherigen nationalen Auslegung angesichts von Art. 3 und Art. 14 RL 2004/48/EG, dass es unionsrechtlich nicht vereinbar sei, die Vorschrift in bisheriger Auslegung anzuwenden, ohne jegliche Prüfung und gebührende Berücksichtigung auf Angemessenheit und Zumutbarkeit der Kosten in Bezug auf die spezifischen Merkmale des Falles. Daraufhin sprach der BGH den magischen Satz „An [der bisherigen] Sichtweise hält der Senat nicht fest“ (13.10.2022 – I ZB 59/20, WRP 2023, 458, Rn. 12 – Kosten des Patentanwalts VII). Ist die Problemdiskussion damit beendet? Nein – denn der BGH geht im Weiteren ziemlich präzise zur Einschränkung über, anhand der sich zukünftig eine richtlinienkonforme Auslegung von § 140 Abs. 4 MarkenG ableiten lässt: Es seien nur die Kosten der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung notwendigen patentanwaltlichen Mitwirkung erstattungsfähig, denn Art. 3 und 14 RL 2004/48/EG einschließlich des Erwägungsgrundes 17 der RL gehen davon aus, dass die Prozesskosten der obsiegenden Partei nur soweit sie zumutbar und angemessen seien, Billigkeitsgründe nicht entgegenstünden, die spezifischen Merkmale des Einzelfalles einbezogen würden und die Maßnahmen nicht unnötig kostspielig sein dürfen, erstattet werden könnten. Auf keinen Fall dürfte nunmehr – in Abkehr von der bisherigen Praxis der Rechtsprechung – eine Kategorie von Prozesskosten von jeder gerichtlichen Kontrolle im Hinblick auf Zumutbarkeit und Angemessenheit ausgeschlossen sein.
Angesichts dieser nunmehr notwendig gewordenen Einzelfall-Erwägungen und der Stichworte „Notwendigkeit“ und „Erforderlichkeit“ bleibt abzuwarten, welche Kasuistik sich an den verschiedenen Gerichten entwickeln wird. Es könnte sein, dass auf den Stand der Rechtsprechung zum außergerichtlichen Verfahren zurückgegriffen werden wird oder sich neue Wege eröffnen. In diesem Rahmen wäre zu überlegen, ob unter Umständen auf den Blickwinkel der sprachlich in der Richtlinie zum Ausdruck kommenden Interessenlage der Parteien bei der Definition der jeweiligen „Erforderlichkeit“ abzustellen ist. Sie bezieht sich nämlich – wie der EuGH durch die Billigkeitserwägung betonte – darauf, dass die erstattungspflichtige Partei nicht mit Kosten überbürdet werden dürfte. Das letzte Wort ist jedenfalls nicht gesprochen.
Marianne Grabrucker, VRiBPatG a. D.