Green Deal und Greenwashing: Neue europäische Vorgaben und nationale Rechtsprechung
RA Sebastian Laoutoumai, LL.M.
Die EU-Kommission will mit dem Green Deal künftig Umweltwerbung stärker regulieren und Greenwashing verhindern. Ziel ist, die EU bis 2050 zum ersten nachhaltigen Staatenverbund umzubauen. Hierzu werden sämtliche Branchen zu einer nachhaltigen Produktion veranlasst. Eine weitere Säule sind informierte Verbraucherentscheidungen. Nur wenn Verbraucher transparent und wahrheitsgemäß über Umweltvorteile informiert werden, können sie auch einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten.
Zur Stärkung der Verbraucherrechte und des Umweltschutzes hat die EU-Kommission hierzu einen Vorschlag zur Ergänzung der Richtlinie für Verbraucherrechte sowie der UGP-RL vorgelegt (COM (2022) 143 final, vgl. hierzu auch Alexander, WRP 2022, 657 ff., in diesem Heft). Mit neuen Vorschriften soll sichergestellt werden, dass Verbraucher umweltfreundlichere Entscheidungen treffen können. Unternehmen müssen künftig darüber informieren, für welche Lebensdauer ein Produkt ausgelegt ist und über dessen Reparierbarkeit. Darüber hinaus sollen Verbraucher besser vor irreführenden Umweltaussagen geschützt werden. So wird es z. B. untersagt, mit umweltbezogenen Aussagen wie umweltfreundlich, öko oder grün zu werben, wenn hierdurch der falsche Eindruck einer ausgezeichneten Umweltleistung erweckt wird. Ausdrücklich verboten wird es auch sein, Umweltaussagen über das gesamte Produkt zu treffen, wenn tatsächlich nur einzelne Teile umweltfreundlich sind. Mit diesen Regeln bezweckt die EU-Kommission einerseits mehr Rechtssicherheit für Händler. Auf der anderen Seite sollen umweltbezogene Aussagen nur noch getroffen werden, wenn diese wahr sind, wodurch Verbraucher in der Lage sein sollen, tatsächlich nachhaltigere Produkte zu erkennen und zu erwerben.
Was die EU-Kommission für eine europaweit einheitliche Praxis plant, wird von deutschen Gerichten bereits mit den bisherigen Regelungen umgesetzt. In zahlreichen neueren Entscheidungen wird die Verwendung von Begriffen wie klimaneutral oder CO2-reduziert auf den Prüfstand gestellt und unzulässiges Greenwashing untersagt. Ausgangspunkt sind dabei die vom BGH aufgestellten Anforderungen an Umweltwerbung (z. B. in BGH, 20.10.1988 – I ZR 238/87, WRP 1989, 163 – Aus Altpapier oder BGH, 05.12.1996 – I ZR 140/94, WRP 1997, 724 – Umweltfreundliche Reinigungsmittel). Dieser hatte festgestellt, dass das Irreführungspotential bei Umweltwerbung besonders groß sei, da die beworbenen Produkte regelmäßig nicht in jeder Beziehung, sondern nur in Teilbereichen umweltschonend sind. Unter diesen Umständen bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis über die Bedeutung und den Inhalt der verwendeten umweltbezogenen Begriffe. Fehlen aufklärende Hinweise oder sind diese nicht deutlich sichtbar, bestehe die Gefahr, dass bei Verbrauchern irrige Vorstellungen über die Beschaffenheit der angebotenen Produkte hervorgerufen werden und sie dadurch in ihrer Kaufentscheidung negativ beeinflusst werden.
An diesen Maßstäben orientiert sich auch die aktuelle Rechtsprechung. So hatte das LG Kiel (02.07.2021 – 14 HKO 99/20, WRP 2021, 1241 – Klimaneutrale Müllbeutel) verboten, Müllbeutel mit KLIMA-NEUTRAL zu bewerben. Durch die Art der Anbringung des Begriffs rief das Unternehmen den unzutreffenden Eindruck hervor, die Herstellung sämtlicher Produkte erfolge klimaneutral. Das entsprach allerdings nicht den Tatsachen, denn das Unternehmen verkaufte auch nicht klimaneutral hergestellte Müllbeutel. Darüber hinaus fehlten weiterführende Angaben dazu, woraus sich die Klimaneutralität konkret ergebe. Auch das OLG Hamm (19.08.2021 – 4 U 57/21, WRP 2021, 1489 – Pauschale Werbung mit 5-Jahres-Garantie) hatte eine irreführende Umweltwerbung untersagt. Geworben wurde hier mit dem Claim CO2 reduziert, ohne dass näher erläutert wurde, worauf sich die CO2-Einsparung bezog. Ohne einen aufklärenden Hinweis lasse die Werbeaussage jedoch offen, für welchen Aspekt (Herstellung, Verpackung oder Vertrieb) der Claim gelte.
Die Verwendung der Aussage klimaneutral bzw. klimaneutrales Produkt wurde ebenfalls vom LG Konstanz (19.11.2021 – 7 O 6/21 KfH, WRP 2022, 118 – Klimaneutrales Heizöl), dem LG Oldenburg (16.12.2021 – 15 O 1469/21, WRP 2022, 378 – Aufklärungspflichten bei der Werbung mit „klimaneutral“) sowie dem LG Mönchengladbach (25.02.2022 – 8 O 17/21, WRP 2022, 781 ff., in diesem Heft – Klimaneutrale Marmelade) untersagt. Es fehlten aufklärende Hinweise darüber, wie die Klimaneutralität konkret erreicht werden soll. Wird die Klimaneutralität nachträglich durch den Kauf von CO2-Zertifikaten, also durch eine rechnerisch ausgeglichene CO2-Bilanz, erreicht, ist das ein Umstand, über den der Verbraucher transparent informiert werden muss. Die Verwendung des Begriffs klimaneutral ist erklärungsbedürftig, weil er unterschiedlich verstanden werden kann: Entweder so, dass aufgrund des Herstellungsprozesses tatsächlich kein CO2-Ausstoß erfolgt. Oder weil eine ausgeglichene CO2-Bilanz nachträglich durch den Kauf von Zertifikaten zur Unterstützung von Klimaschutzprojekten hergestellt wird. Es gebe allerdings keine Vermutung, dass Verbraucher bei dem Begriff klimaneutral stets von einem nachträglichen Ausgleich ausgehen. Vor diesem Hintergrund sind aufklärende Hinweise in unmittelbarer Nähe zur Werbeaussage erforderlich. Initiiert wurden die Verfahren überwiegend von der Wettbewerbszentrale. Diese ist bestrebt, konsequent gegen Greenwashing vorzugehen. So soll mehr Rechtssicherheit bei der Verwendung von Umweltangaben hergestellt werden.
Mittelfristig dürfte sich auch der BGH wieder mit Umweltwerbung befassen. Aufgrund der neuen Vorgaben des Green Deals steht zu erwarten, dass er bei seinen strengen Anforderungen bleibt. Mit Blick auf die Wichtigkeit einer nachhaltigeren Wirtschaft wäre das auch gut und richtig.
RA Sebastian Laoutoumai, LL.M., Düsseldorf