Die Geoblocking-Verordnung: Viel Arbeit für Unternehmer, wenig Nutzen für Verbraucher
Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze
Seit dem 03.12.2018 gilt die Verordnung (EU) Nr. 2018/302 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden.
1. Kunden – die Verordnung gilt nicht nur im B2C-Bereich, vgl. Art. 2 Nr. 13 – darf aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Sitzes oder ihres Wohnsitzes nicht mehr der Zugang zu einer Website gesperrt werden. Ausnahme: Die Darstellungen auf der Website verstoßen gegen geltendes Recht in dem Mitgliedstaat des Kunden. Auch eine automatische Weiterleitung des Kunden auf eine eigene Länderversion der Website, die sich in Layout, Sprache oder anderen Merkmalen unterscheidet, ist verboten, es sei denn, der Kunde hat dieser Weiterleitung ausdrücklich zugestimmt. Zulässig wäre eine solche Weiterleitung, wenn dies zur Erfüllung rechtlicher Anforderungen erforderlich wäre.
Will ein polnischer Kunde bspw. auf eine .de-Website gelangen, darf er nicht automatisch aufgrund einer Geolokalisierung auf eine Website speziell für polnische Kunden umgeleitet werden. Das führt dazu, dass dieser polnische Kunde im deutschen Online-Shop stöbert und erst später feststellt, dass von diesem Shop aus gar keine Lieferung in sein Land angeboten wird, weil dies vielleicht nur über den Shop einer Tochtergesellschaft des Unternehmens möglich ist.
Wäre es da nicht sinnvoller, den Kunden auf eine entsprechende Landesversion automatisch weiterzuleiten, ihm aber die einfache Möglichkeit zu eröffnen, auf die ursprünglich angeforderte Seite (zurück) zu gelangen?
2. Neben dem Zugang zu einer „Online-Benutzeroberfläche“ regelt die Verordnung auch den Zugang zu Waren und Dienstleistungen, wobei bestimmte elektronisch erbrachte Dienstleistungen ausgenommen sind.
Kunden sollen EU-weit den gleichen Zugang zu Waren und Dienstleistungen erhalten können. Die Händler werden aber nicht verpflichtet, in jedes Land im Binnenmarkt zu liefern. Der Kunde erhält auch kein Recht, die Ware beim Händler abzuholen. Nur wenn der Händler überhaupt die Abholung der Ware anbietet, muss diese Möglichkeit auch ausländischen Käufern offenstehen. Das bedeutet in der Praxis, dass z. B. ein finnischer Kunde bei einem (reinen) Online-Händler mit Sitz in Deutschland bestellen können muss. Liefert der Händler aber nur innerhalb Deutschlands und bietet keine Abholung der Ware an, bleibt auch dem Finnen nichts anderes übrig, als sich die Ware an eine Adresse innerhalb Deutschlands liefern zu lassen. Wie der Finne dann an seine Ware kommt, ist weiterhin sein Problem. Dass dies eine Verbesserung für den Kunden – oder gar für den Binnenmarkt – darstellt, darf bezweifelt werden.
3. Nach Art. 5 der Geoblocking-VO dürfen auch keine unterschiedlichen Bedingungen für bestimmte Zahlungsarten aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Sitzes oder des Wohnsitzes angewendet werden. Auch ein „Kauf auf Rechnung“ fällt unter diese Vorschrift, weil es sich dabei letztlich um eine Zahlung per Überweisung handelt. Enthalten die AGB einen (wirksamen) Vorbehalt für den Kauf auf Rechnung, der an eine ausreichende Bonität des Kunden geknüpft ist, so muss dieser Vorbehalt für alle Kunden gleich gelten, also auch für EU-Ausländer. Kann keine ausreichende Bonität festgestellt werden, darf gemäß der vertraglichen Abrede die Zahlungsart „Kauf auf Rechnung“ verweigert werden. Dieser Vorbehalt muss aber in nichtdiskriminierender Weise angewendet werden. Wird eine Bonitätsprüfung bei deutschen Kunden durchgeführt, muss diese auch bei EU-Ausländern erfolgen. Eine Einstufung „mangelnde Bonität“ bei allen EU-Ausländern pauschal wäre eine ungerechtfertigte Diskriminierung, die die Geoblocking-VO verbietet. Der Unternehmer hat hier nur die Wahl zwischen einer nicht unerheblichen Investition in Bonitätsprüfungen ausländischer Kunden oder der Abschaffung der Zahlungsart „Kauf auf Rechnung“ in seinem Shop. Auch hier ist kein Vorteil für den Kunden ersichtlich.
4. Zusätzlich wurde am 07.12.2018 das TKG novelliert: Zuständige Behörde für die Durchsetzung der Geoblocking-VO ist gemäß § 116 TKG die Bundesnetzagentur. Verstöße können also nicht nur abgemahnt, sondern gemäß § 149 Abs. 1c, 2 Nr. 2 TKG auch mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 300.000 Euro geahndet werden.
5. Will der europäische Gesetzgeber den Binnenmarkt und den grenzüberschreitenden Handel effektiv stärken, sollte er nicht mit der Peitsche in der Hand den Handel dazu zwingen. Vereinfachungen z. B. der (Mehrwert-)Steuerregeln, der Abfall- und Verpackungsvorschriften oder die Angleichung sämtlicher Verbraucherschutzregeln würden wesentlich mehr zum grenzüberschreitenden Handel beitragen als diese überschaubar effektive Geoblocking-VO.
Diplom-Wirtschaftsjurist Martin Rätze, Köln