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WRP 2018, I
Pres/Löffel 

Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs – nichts Halbes und nichts Ganzes

Abbildung 1

RA Dr. Sascha Pres

Abbildung 2

RA Oliver Löffel

Das BMJV nimmt, nachdem die geltende Rechtslage missbräuchliche Abmahnungen nach Auffassung des Ministeriums nicht verhindert, mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (abrufbar auf den Internetseiten des BMJV unter „Aktuelle Gesetzgebungsverfahren“) erneut die sogenannte Abmahnindustrie und deren Abmahnunwesen ins Visier. Leider wird er seinem hehren Ziel, „Abmahnungen wegen geringfügigen Verstößen gegenüber Kleinstunternehmen“ zu erschweren, wenn diese nur „zur Erzielung von Gebühren und Vertragstrafen ausgesprochen werden“, nicht gerecht. Er schafft vielmehr neue Probleme.

Verschärft werden die Anforderungen an die Aktivlegitimation und damit die Abmahnberechtigung. Die von § 8a UWG-E aufgestellten Voraussetzungen, die nun „qualifizierte Wirtschaftsverbände“ (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG-E) auf eine Regulierungsstufe mit den „qualifizierten Einrichtungen“ rücken, sind einerseits begrüßenswert. Fatal dagegen ist die mit § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG-E einhergehende Beschränkung des Mitbewerberschutzes. Denn zukünftig soll das Lauterkeitsrecht Mitbewerber nur dann noch schützen, wenn diese „in nicht unerheblichem Maße ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen“. Abgesehen von den Schwierigkeiten in der Praxis, dieses neue Tatbestandsmerkmal auszulegen (auch die Wettbewerbszentrale befürchtet „zahlreiche Prozesse um die Auslegung“ in ihrer am 01.10.2018 auf ihrer Internetseite veröffentlichten Stellungnahme zum Entwurf), sollen etwa Wettbewerber, die ihre Geschäftstätigkeit gerade erst aufgenommen haben, selbst schwerwiegende Wettbewerbsverstöße regelmäßig nicht mehr verfolgen können. Letzteres gilt auch bei Unternehmen nach eröffnetem Insolvenzverfahren (Begr. S. 20). Dass sich zukünftig also weder neu gegründete Unternehmen noch solche, die sich im Rahmen einer Insolvenz restrukturieren (müssen), grundsätzlich nicht mehr mit Hilfe des UWG gegen (gezielte) Behinderungen und andere, schlimmstenfalls existenzbedrohende, unlautere Angriffe ihrer Wettbewerber zur Wehr setzen können, ist nicht zu rechtfertigen. Schließlich dürfte es dem fairen Wettbewerb mehr schaden als nutzen, wenn ein StartUp in Zukunft bei der Frage effektiven Rechtsschutzes wesentlich schlechter behandelt wird als sein größerer Wettbewerber.

Sodann sieht der Entwurf vor, dass die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 8 Abs. 1 UWG unzulässig sein soll, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Das ist freilich schon heute so. In § 8b Abs. 2 S. 1 UWG-E werden Beispiele missbräuchlicher Geltendmachung von Ansprüchen dargestellt, die die – aus der Rechtsprechung zu § 8 Abs. 4 UWG – bekannten Fallgruppen zu (widerlegbaren) Vermutungen eines Abmahnmissbrauchs erheben. So soll es unzulässig sein, wenn eine unangemessen hohe Vertragsstrafe gefordert wird. Gerade das Beispiel der unangemessen hohen Vertragsstrafe zeigt, dass dem Entwurf mehr Mut und Kreativität und weniger Unbestimmtheit gut getan hätten. Denn das Problem überzogener Vertragstrafen lässt sich viel einfacher und ohne die Rechtsunsicherheit lösen, die § 8b UWG-E mit sich bringt: Durch ein Bekenntnis zur notariellen Unterlassungserklärung (ohne Vertragsstrafe) und entsprechender Verankerung der Befugnis des Notars in der ZPO, auch die für die Vollstreckbarkeit nötige Ordnungsmittelandrohung in die Urkunde aufzunehmen. Damit wäre das Problem gelöst und ein wirklicher Beitrag gegen die sog. Abmahnindustrie geleistet, weil diese wenig Interesse hat, altruistisch Ordnungsmittelverfahren zu führen, um dem Staat Ordnungsgelder zu verschaffen (vgl. Löffel, GRUR-Prax 2018, 389).

Schließlich – alle Jahre wieder populär – soll der fliegende Gerichtsstand abgeschafft werden. Frau Justizministerin Dr. Katarina Barley hat die geplante Abschaffung bereits optimistisch gegenüber der Süddeutschen Zeitung in der Ausgabe vom 11.09.2018 verkündet. Dass der Weg, den fliegenden Gerichtsstand ganz abzuschaffen, europarechtlich versperrt ist, weil bei grenzüberschreitendem Bezug Art. 7 Nr. 2 EUGVVO eingreifen kann, hatte man wohl übersehen. Abgesehen davon fragt man sich bei Lektüre des Entwurfs ohnehin, was missbräuchliche Abmahnungen mit dem fliegenden Gerichtsstand zu tun haben sollen. Die gewählte Begründung, eine an einem entfernten Gerichtsstand angedrohte Klage belaste den Abgemahnten und dränge ihn zur Abgabe von Erklärungen (Begr. S. 28), ist bereits deshalb unzutreffend, weil solches in Abmahnungen typischerweise nicht angedroht wird. Nun will das BMJV lauterkeitsrechtliche Streitigkeiten mit der Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands im ganzen Land und vor nicht auf das UWG spezialisierten Gerichten verteilen. Wenn die Länder – wie bisher – von der so wichtigen Konzentrationsermächtigung keinen Gebrauch machen, werden sich möglicherweise nicht nur die Gerichte in Bückeburg und Verden verstärkt mit dem UWG und den Besonderheiten des Wettbewerbsprozesses beschäftigen müssen. Letztlich widerspräche die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstandes auch der Wertung auf europäischer Ebene: Denn während es der EuGH (vgl. u. a. EuGH, 17.10.2017 – C-194/16, WRP 2017, 1465 ff.) für unproblematisch hält, dass ein Münchener aufgrund der europaweiten Gerichtspflicht in Tallinn verklagt wird, wird die Klage gegen den Münchner in Hamburg im BMJV als untragbar gesehen (McGuire, Festschrift für Wolfgang Büscher, S. 525, 541).

Zum aktuellen Stand der Diskussion um eine vermittelnde Lösung, den fliegenden Gerichtsstand nur für Mißbrauchskonstellationen abzuschaffen vgl. Fritzsche, WRP 2018, 1277 ff. (in diesem Heft). In der Gesamtschau bleibt es fraglich, ob der Entwurf in der Lage ist, den fairen Wettbewerb zu stärken.

RA Dr. Sascha Pres, Berlin und RA Oliver Löffel, Düsseldorf

 
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