Das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist in Kraft getreten
RA Dr. Friedrich Klinkert
Die Entstehungsgeschichte vom Kommissionsvorschlag einer Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung vom 28.11.2013 über die am 08.06.2016 verabschiedete Richtlinie (EU) 2016/943 bis zum Inkrafttreten des GeschGehG zur Umsetzung dieser Richtlinie am 26.04.2019 war lang. Erfreulicherweise hat dies jedoch dazu geführt, dass die auf uns zukommenden Änderungen der bisherigen Regelungen in §§ 17 – 19 UWG a. F. für alle Interessierten frühzeitig erkennbar waren. Zu den meisten Änderungen ist vielfältig publiziert worden (vgl. bspw. Hofmann, WRP 2018, 1; Schlingloff, WRP 2018, 666 und Hauck, WRP 2018, 1032), wobei insbesondere die Themen Zulässigkeit von Reverse Engineering und Whistleblowing auch breit und öffentlichkeitswirksam diskutiert wurden. Dieses Heft der WRP ist im Besonderen dem GeschGehG gewidmet und enthält umfassende Beiträge zur Struktur und zum generellen Regelungsgehalt des Gesetzes (dazu im Überblick Alexander, WRP 2019, 673 ff.) sowie eine Reihe von vertiefenden Beiträgen zu einzelnen Themenbereichen besonderen Interesses. (McGuire, WRP 2019, 679 ff.; Thiel, WRP 2019, 700 ff.; Wunner, WRP 2019, 710 ff.)
Letztendlich entscheiden über konkrete Anwendung und Auslegung einer Reihe offen formulierter Begriffe wird aber die Rechtsprechung. Ich denke dabei insbesondere an „von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ in § 2 Nr. 1. lit. b) GeschGehG, die Ausfüllung der Generalklausel „Schutz eines berechtigten Interesses“ in § 5 GeschGehG und den „Anspruchsausschluss bei Unverhältnismäßigkeit“ in § 9 GeschGehG (vgl. zu letzterem Tochtermann, WRP 2019, 688 ff.). Auch die erfolgte Einführung originär zivilrechtlicher Abwehr- und Schadensersatzansprüche in Abschnitt 2 des Gesetzes, die teils verschuldensunabhängig, teils bei lediglich vorhandener Fahrlässigkeit durchsetzbar sind, wird die Rechtsprechung beschäftigen. Noch ungeklärt ist auch die Entschädigung gem. § 10 Abs. 3 GeschGehG, insbesondere wenn sie kumulativ zu Schadensersatz verlangt wird, was nach der Begründung des Regierungsentwurfs möglich ist.
Mangels spezieller Übergangsvorschriften im GeschGehG werden Sachverhalte vor Inkrafttreten des Gesetzes nach allgemeinen Grundsätzen beurteilt werden. Dies wird auch für bereits anhängige Verfahren der Fall sein. Eine Fülle am jeweiligen Einzelfall orientierter Entscheidungen werden die Folge sein. Erste Erfahrungen, die in Verfahren nach Ablauf der Umsetzungsfrist, aber vor Inkrafttreten des GeschGehG gewonnen werden konnten, werden hierzu hilfreiche Anhaltspunkte geben (vgl. insgesamt Steinmann, WRP 2019, 703 ff.). Klarheit und Rechtssicherheit werden jedoch erst, wie auch in den vorerwähnten Auslegungsfragen, höchstrichterliche Entscheidungen geben. Dies gilt insbesondere auch für die strafrechtlichen Sanktionen, die in § 23 GeschGehG geregelt sind und Kritik wegen fehlender Bestimmtheit i. S. v. Art. 103 Abs. 2 GG erfahren haben. Gerade wegen der erfolgten Trennung zivilrechtlicher Ansprüche von strafrechtlichen Sanktionen wird auch ein koordiniert zivil-/strafrechtliches Vorgehen noch wichtiger und noch sinnvoller sein als dies bereits bisher der Fall war, insbesondere bei komplexen technischen Sachverhalten.
Neben der nationalen Rechtsprechung werden künftig vermehrt auch Entscheidungen des EuGH zu erwarten sein. Wegen des Vorbehalts unionsrechtlicher Auslegung einzelner Bestimmungen des GeschGehG und auch wegen der teils Mindest-, teils Vollharmonisierung vorsehenden Richtlinie (EU) 2016/943 wird ihnen eine besondere Bedeutung zukommen.
Ein Wermutstropfen bleibt: Der deutsche Gesetzgeber hatte aufgrund der in der Richtlinie (EU) 2016/943 nicht geregelten, aber dem Bereich der Teilharmonisierung zuzuordnenden Vorschriften die Möglichkeit, im GeschGehG Besichtigungsverfahren zur Beweisbeschaffung vorzusehen (vgl. allgemein zur Rechtsdurchsetzung Kalbfus, WRP 2019, 692 ff.). Dass dies nicht erfolgt ist, verwundert zwar nicht, da auch nach bisheriger Gesetzeslage ein solcher Anspruch nur bei vermuteter Verletzung von Sonderschutzrechten unter Ausklammerung des Geheimnisschutzes vorgesehen war. Es bleibt somit der auch bislang beschrittene steinige Weg über eine analoge Anwendung von § 809 BGB und die Nutzung im benachbarten Ausland gewonnener Beweismittel. Dort stehen derartige Maßnahmen in unterschiedlicher Ausprägung zur Verfügung. Angesichts der die Erwägungsgründe zur Richtlinie (EU) 2016/943 durchziehenden Betonung der unionsweiten Angleichung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen ist nicht recht verständlich, warum Besichtigungsverfahren hierbei erneut ausgeklammert wurden. Die Verortung des Geheimnisschutzes zwischen dem Recht an geistigem Eigentum und dem Lauterkeitsrecht kann hierfür keine Begründung abgeben.
RA Dr. Friedrich Klinkert, Frankfurt a. M.