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WRP 2024, I
Köhler 

Brauchen wir ein „Gesetz zum Abbau datenschutzrechtlichen Gold-Platings im Wettbewerbsrecht“?

Abbildung 1

Prof. Dr. Helmut Köhler

Völlig überraschend hat der Bundesrat am 17.05.2024 beschlossen, den Entwurf eines „Gesetzes zum Abbau datenschutzrechtlichen Gold-Platings im Wettbewerbsrecht“ beim Bundestag einzubringen (BR-Drs. 184/24). Zunächst fragt man sich, was unter Gold-Plating zu verstehen ist. Gemeint ist damit offenbar die unerwünschte Übererfüllung von EU-Mindeststandards durch nationale Rechtsvorschriften. Dem Bundesrat geht es darum, dass Mitbewerber nicht länger nach den §§ 3a, 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 UWG gegen DSGVO-Verstöße vorgehen dürfen. Der Entwurf zur Änderung des UWG lautet:

„1. § 3a wird folgender Satz angefügt:

„Ausgenommen von Satz 1 sind Verstöße gegen die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1; L 314 vom 22. November 2016, S. 72; L 127 vom 23. Mai 2018, S. 2; L 74 vom 4. März 2021, S. 35), das Bundesdatenschutzgesetz und sonstige Vorschriften, die der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung dienen.“

2. § 13 Absatz 4 wird wie folgt gefasst:

„(4) Der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen nach Absatz 3 ist für Anspruchsberechtigte nach § 8 Absatz 3 Nummer 1 ausgeschlossen bei im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien begangenen Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten.“

Der unionsrechtliche Hintergrund dieses Vorhabens besteht darin, dass die Vorschriften in Kap. VIII der DSGVO (ebensowenig wie die UGP-RL) einen solchen Rechtsbehelf von Mitbewerbern kennen. Allerdings ist im Schrifttum strittig, ob auch Mitbewerber nach § 3a UWG gegen DSGVO-Verstöße vorgehen können (vgl. Nachweise in BGH, 12.01.2023 – I ZR 223/19, WRP 2023, 324 Rn. 11–26 – Arzneimittelbestelldaten). Dies hat den BGH veranlasst, ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen. Das Verfahren ist beim EuGH anhängig unter C-21/23 – Lindenapotheke“. Der Bundesrat wollte aber offenbar dessen Entscheidung nicht abwarten.

Was aber sind die Gründe für diese Reformvorschläge? Der Bundesrat führt dafür das besondere Missbrauchspotential des Vorgehens von Mitbewerbern gegen tatsächliche oder vermeintliche Datenschutzverstöße an. Sie könnten zur Förderung eigener wirtschaftlicher Interessen missbräuchliche Abmahnungen aussprechen oder gerichtliche Verfahren führen und den betroffenen Unternehmen dadurch wirtschaftlichen Schaden zufügen. Zweck der Reformvorschläge sei es, „das UWG von einer möglicherweise unionsrechtswidrigen, jedenfalls aber überschießenden, in der Sache nicht gebotenen und für Unternehmen unnötigen belastenden Umsetzung der DSGVO zu bereinigen.“ Für diese Auffassung lässt sich aus unionsrechtlicher Sicht anführen, dass der Unionsgesetzgeber zwar die DSGVO im Anhang I Nr. 56 der Verbandsklagenrichtlinie (EU) 2020/1828 aufgeführt hat, aber eine entsprechende Regelung für Mitbewerber bisher gerade nicht getroffen hat (vgl. Köhler/Odörfer, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Aufl. 2024, § 3a Rn. 1.40i; Ohly, GRUR 2019, 686).

In der noch ausstehenden rechtspolitischen Diskussion dieses Themas im Bundestag könnten allerdings zwei Gegenargumente vorgebracht werden: (1) Eine Anspruchsberechtigung der Mitbewerber nach § 3a, § 8 Abs. 1 und 3 UWG würde zu einem hohen Datenschutzniveau und zu einem effektiven Rechtsschutz beitragen. (2) Die Geltendmachung von Ansprüchen aus § 8 Abs. 1 UWG sei bereits nach § 8c Abs. 1 UWG unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich sei.

Diese unterschiedlichen Argumente sprechen dafür, zunächst die Entscheidung des EuGH in der Sache C-21/23 – Lindenapotheke abzuwarten. Dies ist auch der Standpunkt der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf des Bundesrats vom 19.06.2024 (BT-Drs. 20/11879, Anlage 2).

Spricht sich der EuGH gegen eine Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern aus, so scheidet eine Anwendung des § 3a UWG von vornherein aus, weil die DSGVO insoweit als abschließende Regelung zu verstehen ist. Einer klarstellenden Regelung in § 3a S. 2 UWG bedarf es dann nicht. Wohl aber verstieße dann § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG gegen das Unionsrecht, weil diese Vorschrift den Umkehrschluss zulässt, dass Mitbewerber grundsätzlich anspruchsberechtigt sind.

Sollte der EuGH dagegen eine Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern in nationaler Ergänzung des Art. 80 Abs. 2 DSGVO grundsätzlich für zulässig erachten, so muss sich der deutsche Gesetzgeber für oder gegen eine Anspruchsberechtigung von Mitbewerbern, sei es nach § 3a UWG oder, sofern die DSGVO-Vorschriften keine Marktverhaltensregelungen darstellen, nach § 3 Abs. 2 UWG, entscheiden. Würde er sie bejahen, könnte § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG beibehalten werden, weil diese Vorschrift einen entsprechenden Umkehrschluss zulässt. Um sie zu verneinen, würde es genügen, diese Vorschrift aufzuheben und dies entsprechend zu begründen.

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob Mitbewerber gegen Datenschutzverstöße zumindest dann vorgehen können, wenn diese zugleich einen Unlauterkeitstatbestand erfüllen (z. B. könnten Informationspflichten aus der DSGVO auch wesentliche Informationen i. S. d. §§ 5a, 5b UWG darstellen).

Jedenfalls erscheint es ratsam, dass der Bundestag erst die Entscheidung des EuGH abwartet, bevor er über den Vorschlag des Bundesrats entscheidet.

Prof. Dr. Helmut Köhler, München

 
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