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WRP 2021, I
Lettl 

§ 19a GWB – jetzige Verabschiedung sinnvoll?

Abbildung 1

Prof. Dr. Tobias Lettl, LL.M.

Der am 14.01.2021 vom Bundestag mit der 10. GWB-Novelle verabschiedete und mit dem 19.01.2021 in Kraft getretene § 19a GWB, das politische und rechtliche Kernstück der 10. GWB-Novelle im Bereich der Missbrauchsaufsicht, soll im Interesse der Freiheit des Wettbewerbs die wirtschaftliche Macht einer kleinen Zahl großer Digitalkonzerne durch ein schnelles Eingreifen des Bundeskartellamts begrenzen (Begr. RegE, BT-Drucks. 19/23492, S. 71).

Dieses Anliegen verdient uneingeschränkte Zustimmung. Denn es wird immer schwieriger, einige der wirtschaftlich und vor allem auf Grund ihrer Intermediationsmacht so starken Digitalkonzerne mit teilweise nahezu Monopolstellung einer kartellrechtlichen Verhaltenskontrolle zu unterwerfen. Dementsprechend sieht auch die Europäische Kommission im Hinblick auf die Begrenzung der Marktmacht von einigen Unternehmen im digitalen Bereich („Gatekeepern“) Handlungsbedarf. Sie hat daher zur Gewährleistung fairer und offener digitaler Märkte am 15.12.2020 einen Vorschlag für ein Gesetz über digitale Märkte („Digital Markets Act“, im Folgenden kurz DMA-E) vorgelegt (COM(2020) 842 final vom 15.12.2020).

In der 10. GWB-Novelle fehlt indes eine Abstimmung mit dem europäischen Recht, das eine Norm wie § 19a GWB nicht kennt. Demgegenüber haben deutscher Gesetzgeber und deutsche Rechtsprechung bisher stets eine Parallelität von europäischem und deutschem Kartellrecht betont. Das Fehlen der Abstimmung mit dem europäischen Recht wiegt auch deshalb besonders schwer, weil sich die Problematik einer Verhaltenskontrolle der großen Digitalkonzerne nicht auf nationaler Ebene lösen lässt.

Dementsprechend ist auf europäischer Ebene eine Regelung in Planung (DMA-E). Hierauf konnte der Regierungsentwurf vom 09.09.2020 freilich noch nicht eingehen. Der Vorschlag der Kommission weicht vielfach von § 19a GWB ab, er enthält insbesondere eine starre „Black-List“ von Ge- und Verboten (vgl. Art. 5, 6 DMA-E), die in ihrer Anzahl deutlich über die Untersagungstatbestände § 19a GWB hinausgehen.

Es stellt sich daher die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber mit der Verabschiedung von § 19a GWB nicht bis zum Inkrafttreten einer europäischen Regelung hätte warten sollen, zumal diese in Form einer Verordnung erfolgen und Anpassungsbedarf verursachen könnte. Denn sowohl aus europäischer als auch aus nationaler Sicht gilt es, einheitliche Regeln für einen digitalen Binnenmarkt zu schaffen. Für die jetzt erfolgte Verabschiedung von § 19a GWB spricht aber, dass völlig ungewiss ist, ob und ggf. wann eine europäische Regelung in Kraft tritt. Außerdem können bis dahin wichtige Erfahrungen im Umgang mit § 19a GWB gesammelt werden. Sehr sinnvoll erscheint es daher, dass für § 19a GWB in Abs. 4 eine Art Evaluierung nach vier Jahren vorgesehen ist, so dass der Gesetzgeber über die Erfahrungen des Bundeskartellamts mit dieser Norm unterrichtet wird. Deutschland könnte damit vielleicht sogar eine Vorreiterrolle im Hinblick auf ein grundlegendes Anliegen des modernen Kartellrechts, nämlich die Begrenzung der wirtschaftlichen Macht der großen Digitalkonzerne, übernehmen und den europäischen Rechtssetzungsprozess entscheidend beeinflussen. Allerdings ist § 19a GWB dazu in seiner derzeitigen Gestaltung nur bedingt in der Lage. Dies wird mein Beitrag zu § 19a GWB in Heft 4/2021 der WRP im Einzelnen darlegen. So verdient die Auffassung der Monopolkommission (Monopolkommission, Policy Brief 4, Januar 2020, S. 3) Zustimmung:

„Es ist zu erwarten, dass der Tatbestand mangels einer klaren einheitlichen Linie und aufgrund der hieraus folgenden Rechtsunsicherheit die Gerichte auf Jahre bis zu einer endgültigen Klärung beschäftigen wird.“

Das Erfordernis der jahrelangen Konturierung durch Kartellbehörden und Rechtsprechung galt freilich seinerzeit auch für die Regelungen zur Missbrauchsaufsicht in Art. 102 AEUV und §§ 19, 20 GWB. Man darf also gespannt sein auf die Anwendung von § 19a GWB in der Praxis.

Prof. Dr. Tobias Lettl, LL.M. (EUR)

 
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