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STB 2021, I
Schmittmann 

Steuerberatung 2021

Abbildung 1

Das ständig komplexer werdende Normenwerk des Steuerrechts, aber auch die Digitalisierung der Wirtschaft stellen die Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe sowie die Wirtschaftsprüfer vor stets neue Herausforderungen. Durch das neue Restrukturierungsrecht sind weitere Aufgaben hinzugetreten. Schon vor einigen Jahren hat der BGH entschieden, dass ein mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragter Steuerberater verpflichtet ist zu prüfen, ob sich auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm sonst bekannten Umstände tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten ergeben, die einer Fortführung der Unternehmenstätigkeit entgegenstehen können. Verletzt der Steuerberater diese Pflicht und weist er den Geschäftsführer nicht auf einen möglichen Insolvenzgrund und die daran anknüpfende Prüfungspflicht hin, so haftet er für den dadurch entstehenden Insolvenzvertiefungsschaden (so BGH, 26.1.2017 – IX ZR 285/14, BGHZ 213, 374 ff., BB 2017, 685 ff.).

Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 22.12.2020 sind weitere Pflichten hinzugetreten. Mit dem SanInsFoG wurde nicht nur das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) eingeführt, sondern u.a. auch die Insolvenzordnung geändert.

Über die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Steuerberaterhaftung hinaus wurden in § 102 StaRUG Hinweis- und Warnpflichten geschaffen. Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer und Rechtsanwälte haben bei der Erstellung eines Jahresabschlusses für einen Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach §§ 17 bis 19 InsO hinzuweisen. Obgleich lediglich die Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO und die Überschuldung gem. § 19 InsO zu einer Insolvenzantragspflicht führten, ist nunmehr auch die drohende Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO zu prüfen. Der Hintergrund dieser Regelung ist nur aus dem Gesetzgebungsverfahren heraus verständlich. Zunächst war im Regierungsentwurf vorgesehen, dass die Geschäftsleiter ab Eintritt der drohenden Zahlungsunfähigkeit die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren haben und für einen Verstoß gegen diese Pflicht haften. Diese Vorschrift wurde im weiteren Gesetzgebungsverfahren allerdings fallen gelassen. Gleichwohl sollte der Steuerberater auch die drohende Zahlungsunfähigkeit sorgfältig prüfen, da z.B. § 91 Abs. 2 AktG den Vorstand verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit dem Fortbestand des Unternehmens entgegenstehende Entwicklungen früh erkannt werden. Dies bedeutet, dass auch die drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO als Indikator einer herannahenden Krise zu beachten ist. Im Übrigen gilt die Pflicht, ein Krisenfrüherkennungssystem einzurichten, nicht nur für die Aktiengesellschaft, sondern für alle haftungsbeschränkten Gesellschaftsformen.

Ein Weiteres schließt sich an: Der Berater hat die Geschäftsleiter und Mitglieder der Überwachungsorgane auf die Pflichten, die aus einem möglichen Insolvenzgrund nach §§ 17 bis 19 InsO resultieren, hinzuweisen, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und er annehmen muss, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist. Zu diesen Pflichten gehört insbesondere die Insolvenzantragspflicht, die aufgrund der verschiedenen Rechtsänderungen inzwischen kaum noch verständlich ist. Sie wurde durch das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVInsAG) vom 27.3.2020 bis zum 30.9.2020 ausgesetzt, sofern die Insolvenzreife auf der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Sodann wurde durch das Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 15.9.2020 (BGBl. 2020 I, S. 2016) die Aussetzung für die überschuldeten, aber nicht zahlungsunfähigen Rechtsträger bis zum 31.12.2020 verlängert. Durch das SanInsFoG erfolgte dann zunächst eine Verlängerung bis zum 31.1.2021 für Rechtsträger, die vom 1.11.2020 bis 31.12.2020 einen Antrag auf finanzielle Hilfen im Rahmen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungspflicht in beratenden Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 vom 15.2.2021 (BGBl. 2020 I, S. 237) bis zum 30.4.2021 verlängert, wenn die erlangbaren Hilfen bis 28.2.2021 beantragt worden sind.

Weiterhin ist zu beachten, dass es nach § 15a InsO hinsichtlich der Insolvenzantragsfristen seit dem 1.1.2021 zwischen dem Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit, bei dem es bei der bisherigen Insolvenzantragsfrist bleibt, und dem Insolvenzgrund der Überschuldung zu differenzieren gilt. Der Insolvenzantrag ist grundsätzlich ohne schuldhaftes Zögern zu stellen, bei Zahlungsunfähigkeit spätestens nach drei Wochen und bei Überschuldung spätestens sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung. Die Rechtsfolgen sind nunmehr differenziert zu betrachten, weil die bislang im Gesellschaftsrecht niedergelegten Erstattungsansprüche nunmehr in § 15b InsO konzentriert sind und dem Geschäftsführer im Verhältnis zum bisherigen Recht verschiedene Erleichterungen verschaffen. So kann er den Erstattungsanspruch durch eigenen Sachvortrag auf den entstandenen Schaden beschränken (§ 15b Abs. 4 InsO). Zudem regelt § 15b Abs. 8 InsO, dass eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nicht vorliegt, wenn zwischen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO und der Überschuldung nach § 18 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden. Ob es zweckmäßig ist, dem Geschäftsführer in dieser Konstellation zu einer Nichtzahlung der Steuern zu raten, ist haftungsträchtig. Zwar gilt der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, es ist aber nicht zu verkennen, dass für die Haftungsbescheide auf der Basis von §§ 34, 69 AO die Finanzgerichte zuständig sein werden und nicht absehbar ist, ob diese die Exkulpation nach § 15b Abs. 8 InsO anerkennen wollen.

Solide Steuerberatung war schon immer anspruchsvoll und gefahrgeneigt. Durch die jüngsten Entwicklungen ist sie insbesondere bei Mandanten in der Krise noch deutlich haftungsträchtiger geworden.

Professor Dr. Jens M. Schmittmann,
Chefredakteur Der Steuerberater und Betriebs-Berater, Frankfurt am Main/Essen

 
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