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SRNL 2022, 21
Deichmann 

„Stell Dir vor, wir machen einen M&A-Prozess und keiner will kaufen“

von Artur Deichmann, Köln

Abbildung 21

Und was, wenn keiner kaufen will?

Dieser kurze Impuls bezieht sich in der Überschrift auf die mit der deutschen Friedensbewegung zusammen mit der weißen Taube auf blauem Grund eng verbundene pazifischtische Parole, die zu Beginn der 1980er Jahre eine hohe Bekanntheit erreichte. https://www.spiegel.de/geschichte/graffiti-stelldir-vor-es-ist-krieg-und-keiner-geht-hin-a-1062067.html

Nicht, dass ich mich zur Friedensbewegung zähle. Parteipolitik zählt auch nicht zu den Inhalten unseres Online-Magazins. Als M&A-Berater habe ich in diesem Jahr erstmals die Erfahrung gemacht, dass ein aufgrund limitierter Eigenmittelausstattung und verschiedener negativer externer Einflüsse in die Insolvenz geratenes traditionsreiches Familienunternehmen trotz eines strukturierten, intensiv betriebenen, Investorenprozesses auf keine Resonanz stößt. Hierbei kam mir die Parole der Friedensbewegung in Erinnerung, die ich diesem Beitrag leicht abgewandelt vorausstelle.

Das Unternehmen fertigt in Deutschland nach handwerklichen Methoden unter Nutzung u.a. von Holz hochwertige Konsumgüter und betreibt eine vollstufe Produktion. Beliefert werden Fachhändler, die im Wesentlichen an private Käufer vertreiben sowie an Kunden aus dem Sektor Objektausstattung. Was mussten wir beobachten?

Die allgemeine Verunsicherung der Verbraucher (Verbraucher verunsichert // Zwischen Corona und Ukraine // Stand: 23.02.2022 17:53 Uhr // https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/verbraucherstimmung-inflation-101.html führte dazu, dass sich die Konsumenten in Ihrem Ausgabeverhalten auf den Einkauf für das alltägliche Leben notwendigen Güter konzentrieren. Hierzu zählen offensichtlich diese hochwertigen Konsumgüter nicht. Das Institut der Deutschen Wirtschaft stellt für die in Deutschland lebende Bevölkerung einen „Gewaltigen Wohlstandsverlust“ fest, der infolge des Kriegs in der Ukraine eingetren ist.

Gleichzeitig beliefert das Unternehmen im Sektor Objektausstattung überwiegend solche Kundensegmente, die sich aktuell in einer Phase der Regeneration im Anschluss an die sich abschwächende Covid-19-Pandemie befinden bzw. aus anderen Gründen in schwieriges Fahrwasser geraten sind.

Somit hat das Unternehmen lediglich einen eingeschränkten Auftragsbestand vorzuweisen, der es für Investorenkandidaten erschwert, das mit einem Neustart nach Erwerb verbundene Risiko einzuschätzen. Die Folge hiervon ist, dass Investoren kaum in der Lage sind, einen tragfähigen Businessplan für die Zukunft zu entwickeln, der erwarten lässt, dass das für Kaufpreis und Betriebsmittelfinanzierung aufzuwendende Kapital eine attraktive Verzinsung erfahren wird und innerhalb eines angemessenen Zeitraums an den Interessenten zurückfliessen wird.

In einem solchen Gesamtumfeld ist es nicht auszuschließen, dass ein Unternehmen trotz

• Außergewöhnlich engagierter und anhaltend glaubwürdiger Geschäftsführung

• Sehr hoher Kundenzufriedenheit mit Produkt, Qualität und Service

• Sehr motivierter Belegschaft

auch bei intensivsten Bemühungen aller Beteiligten keinen Käufer findet. Die Konsequenzen haben Belegschaft, Unternehmerfamilie und Gläubiger zu tragen. Auch der Transaktionsberater muss akzeptieren, dass keine realistische Chance auf Realisierung der übertragenden Sanierung besteht. Als einzige Option verbleibt in einem solchen Szenario bei infolge der Insolvenz limitierter Liquidität die Übertragung von Teilbereichen des Unternehmens mit einem sehr geringen Teil der Belegschaft.

Transaktionsprozesse ähnlicher Unternehmen, die sich nicht in einer finanziell getriebenen Notsituation befinden, können angehalten bzw. verschoben werden – z.B. mit dem Ziel, zu einem späteren, günstigeren Zeitpunkt die Unternehmernachfolge zu regeln bzw. eine Randaktivität aus einem Konzern herauszulösen. Auch dann, wenn im Insolvenzverfahren die Gesellschafterfamilie über ausreichende Kapitalreserven verfügt, ist ein Erwerb des Geschäftsbetriebs durch den bisherigen Gesellschafter oder gar eine Insolvenzplanlösung refinanziert durch die Gesellschafterfamilie möglich.

Im vorliegenden Fall des Regelinsolvenzverfahrens eines Unternehmens, dessen Gesellschafter nicht über Kapitalreserven verfügen, die mobilisiert werden können, um den Unternehmenserhalt zu sichern, verbleibt leider keine Option zum Unternehmenserhalt.

Abbildung 22

Artur Deichmann, Dipl. Kfm. und Bankkaufmann, ist Managing Partner bei SSC Consult in Köln. Seine Tätigkeitsgebiete umfassen u.a. die M&A-Beratung im Mittelstand mit Schwerpunkten in der Unternehmernachfolge, bei Konzernausgliederungen und im Rahmen der Strukturierung tragfähiger Fortführungslösungen für Unternehmen im Insolvenzumfeld.

 
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