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SRNL 2023, 12
Mielke/Fröschen 

Restrukturierung unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten – Pflicht oder Kür?

von Marc Mielke und Dirc Fröschen, Aachen

Abbildung 12

Nachhaltig sanieren: Gebäudewald

Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Generation. Es arbeiten derzeit weltweit Regierungen, Organisationen und Standardsetter an Regelungen, um ein günstiges Umfeld zu schaffen und nachhaltiges Handeln auf allen Ebenen zu fördern. Hintergrund dieser Regulatorik ist der europäische „green deal“. Die EU-Kommission beabsichtigt hiermit den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft zu schaffen, die bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstößt und ihr Wachstum von der Ressourcennutzung abkoppelt zu schaffen.

Dies soll durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (im Folgenden kurz: CSRD) umgesetzt werden, welche die aktuell noch geltende Non Financial Reporting Directive ablöst. Die CSRD ist, nachdem sie am 16. Dezember 2022 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, am 5. Januar 2023 offiziell in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten haben die CSRD innerhalb von 18 Monaten, also bis spätestens zum 6. Juli 2024, in nationales Recht zu transformieren.

In Deutschland ist eine entsprechende Transformation bislang noch nicht erfolgt. Aus der CSRD ergibt sich aber bereits heute, dass sich der Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen deutlich ausweiten und auch die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung eine tiefgreifende Änderung erfahren wird.

Die Berichtsinhalte der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden in Form der European Sustainability Reporting Standards (im Folgenden kurz: ESRS) verpflichtend geregelt. Die themenspezifischen ESRS fokussieren auf Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen sowie die Geschäftsstrategie und Nachhaltigkeitsziele und -risiken. Das erste ESRS-Set hat zwischenzeitlich alle gesetzgeberischen Hürden genommen und ist ab dem 1. Januar 2024 verpflichtend anzuwenden.

Dieses Set besteht aus 12 ESRS; zwei bereichsübergreifende und zehn sektorunabhängige ESRS zu den Themen Umwelt (5 Stück), Soziales (4 Stück) und Governance (1 Stück). Darüber hinaus sind noch sektor- und unternehmensspezifische Standards für die nächsten Jahre geplant.

Die CSRD sieht, vorbehaltlich einer Transformation in nationales Recht, eine gestaffelte Anwendung der von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffenen Unternehmen vor. Demnach sollen ab dem 1.1.2024 zunächst große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeiter zur Er¬SRNL 2023 S. 12 (13)stellung eines Nachhaltigkeitsberichtes verpflichtet werden. Der Kreis soll sich sodann ab dem 1.1.2025 um alle „großen“ haftungsbeschränkten Unternehmen und Gruppen, unabhängig ob von öffentlichem Interesse erweitern.

Auch wenn der Kreis der unmittelbar betroffenen Unternehmen demzufolge zunächst eingeschränkt ist, ist mit spürbarer Ausstrahlungswirkung auf kleine und mittelständische Unternehmen zu rechnen.

Eine Verpflichtung zur Berichterstattung ergibt sich implizit dann aus gesellschaftsvertraglichen Regelungen, wenn Unternehmen aufgrund ihrer Satzungsbestimmungen einen Jahresabschluss und Lagebericht in entsprechender Anwendung des Dritten Buchs des HGB für große Kapitalgesellschaften aufzustellen haben. Dies wird für alle Unternehmen im Mehrheitsbesitz der öffentlichen Hand und der Kirchen der Fall sein.

Weiterhin ergeben sich faktische Zwänge der Nachhaltigkeitsberichterstattung für KMU aus Lieferbeziehungen zu berichtspflichtigen Unternehmen. Diese Unternehmen werden über die Lieferkette indirekt ebenfalls zur Berichterstattung und Umsetzung der ESRS gezwungen, wenn sie ihre Lieferbeziehungen aufrechterhalten wollen.

Positiv betrachtet eröffnet das Thema Chancen und Möglichkeiten, die insbesondere auch im Bereich der Restrukturierung einen entscheidenden Unterschied ausmachen können.

Die Nachhaltigkeit eines Unternehmens beeinflusst schon heute insbesondere Kreditaufnahmen, Refinanzierungen, Investorenentscheidungen und Unternehmenswerte. Darüber hinaus wirkt sich die Nachhaltigkeit auch auf die Außenwirkung des Unternehmens, auf dessen Marktakzeptanz sowie auf Auftragsvergaben aus.

Die Berücksichtigung von ESG-Ratings im Rahmen von Kreditaufnahmen und Refinanzierungen ist schon lange kein Novum mehr. Das ESG-Rating dient potentiellen Kreditgebern u. a. als Basis für die Einschätzung der Lage und des Werts des Unternehmens. Die mit der Geschäftstätigkeit einhergehenden Klima- und Umweltrisiken des Unternehmens führen oftmals zu Zinsaufschlägen. Es entstehen unter dem Begriff „sustainable finance“ immer mehr Finanzprodukte, wie bspw. „ESG-linked loans“ und „green loans“, die ESG-Ratings berücksichtigen und sich letztendlich auch auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens auswirken. Dabei handelt es sich bei den „ESG-linked loans“ um Unternehmenskredite, deren Konditionen an das Erreichen konkreter Klima- und Umweltziele gebunden sind und bei den „green loans“ um Kredite für umweltschonende, klimaschützende oder ressourcensparende Investitionen mit attraktiven Zinskonditionen.

In der Praxis zeigt sich auch, dass Kreditinstitute Unternehmen in der Krise häufig nur dann einen Kredit zu gewähren bereit sind, wenn diese ein Sanierungskonzept nach dem IDW-Standard „Anforderung an Sanierungskonzepte“ (IDW S 6) vorlegen können.

Der Entwurf einer Neufassung des IDW S 6 führt in diesem Kontext aus: „Nachhaltigkeit – sowohl in zeitlicher Perspektive als auch hinsichtlich der Einhaltung von Umwelt-, sozialen und Corporate Governance-(„ESG“-) Anforderungen – ist Grundlage für einen Sanierungserfolg auch i.S. eines bestmöglichen Gläubigerschutzes. Erst die Beachtung von Nachhaltigkeitsanforderungen ermöglicht es, die Vertrauensgrundlage zu den Stakeholdern des Unternehmens, insbesondere Kunden, Lieferanten, Kapitalgeber sowie Beschäftigte und ggf. Regulatoren zu stabilisieren, denn sie stärkt die Reputation des Unternehmens und damit die Wertschätzung seiner Produkte und Leistungen. Eine Vernachlässigung der Nachhaltigkeitsanforderungen hingegen schwächt das Unternehmen und seine finanzielle Basis und erschwert damit das Gelingen einer Sanierung.“

Die freiwillige Berichterstattung kann die Marktakzeptanz eines Unternehmens deutlich erhöhen, wenn sich das Unternehmen hierdurch als Lieferant für berichtspflichtige Unternehmen qualifiziert.

In Zeiten des Fachkräftemangels können sich Nachhaltigkeitsthemen, insbesondere aus dem Bereich Soziales, auf die Personalbindung aber auch auf die Personalakquise positiv auswirken. Denn eine Unternehmenskrise kann auch aufgrund von Personalmangel entstehen.

Die Betrachtung zeigt, dass Nachhaltigkeit, unabhängig von einer gesetzlichen Verpflichtung, in den Unternehmen eine stärkere Bedeutung finden wird und muss. Sanierungskonzepte und Restrukturierungspläne werden künftig um eine Nachhaltigkeitsplanung nicht umhin kommen. Zwecks Identifizierung der für das Unternehmen wesentlichen Themen sollte hierbei auf das erste ESRS-Set zurückgegriffen werden.

Abbildung 13

Marc Mielke ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Dr. Neumann, Schmeer und Partner in Aachen. Seine Schwerpunkte sind die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere von Forschungseinrichtungen.

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Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dirc Fröschen ist Partner bei Dr. Neumann, Schmeer und Partner, Aachen. Er ist zertifizierter Experte für steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Zusammenhang mit Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung. Weitere Schwerpunkte sind die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung sowie Prüfung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere der öffentlichen Hand, öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von Forschungseinrichtungen.

 
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