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SRNL 2023, 4
Feser 

Gescheiterte Stiftungen: Auswirkung von Insolvenz und Liquidation

von Udo Feser, Berlin

Abbildung 4

Noch wenig Berührungspunkte: Justitia und Stiftungen

Stiftungen genießen in Deutschland einen guten Ruf. So gab es im Jahre 2022 erstmals mehr als 25.000 Stiftungen in Deutschland. Dabei wurden allein im Jahre 2022 in Deutschland 693 Stiftungen bürgerlichen Rechts errichtet.

Der zunehmenden Bedeutung der Stiftungen im Wirtschaftsleben hat auch der Gesetzgeber Rechnung getragen. Nach sieben Jahren Entstehungszeit, mehrerer Gesetzesentwürfe und vielen Auseinandersetzungen ist nun zum 03.07.2023 die Reform zum Stiftungsrecht in Kraft getreten. Zentraler Bestandteil der Stiftungsrechtsreform ist die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Erstmals gibt eine gesetzliche Definition der Rechtsform der Stiftung sowie Regelungen zur Vorstandshaftung, wie die bisher schon geübte Praxis der Business Judgement Rute, die im Gesetz nun auch kodifiziert wurde. Zweieinhalb Jahre nach der Reform des Stiftungsrechts soll das Stiftungsregister in Kraft treten. Ab 01.01.2026 beginnt somit auch sichtbar eine neue Zeit, wenn für „eingetragene Stiftungen“ der Zusatz „e.S.“ oder für eingetragene Verbandsstiftungen der Zusatz „e.VS.“ zu führen sind.

Gesetzliche Regelungen zu Insolvenzantragspflichten enthält das reformierte Stiftungsrechts jedoch nicht.

Prüft man die einschlägigen Statistiken der Insolvenzanträge, wird man feststellen, dass Insolvenzanträge von Stiftungen selten sind. Schaut man auf das Kapitalvermögen der 15 größten Stiftungen in Deutschland, das nach Auskunft des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen bei weit über € 27 Mrd. liegt, stellt sich die Frage, ob das Thema des vorliegenden Artikels überhaupt von Bedeutung ist.

Eine Analyse des Kapitalvermögens der Stiftungen zeigt jedoch die Relevanz des Themas auf. Lediglich 2,9 % der Stiftungen in Deutschland verfügen über ein Stiftungskapital von € 10 Mio. und mehr. 14,1 % der Stiftungen verfügen über ein Stiftungskapital von € 1 Mio. bis € 10 Mio. Bei 46,4 % der Stiftungen in Deutschland liegt das Stiftungskapital zwischen € 100.000,00 und € 1 Mio. und bei 36,6 % der Stiftungen liegt das Stiftungskapital unter € 100.000,00. Es bleibt also festzuhalten, dass über 80 % der Stiftungen in Deutschland mit weniger als 1 Million Euro Kapital errichtet werden (Angaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen).

Aus diesen Zahlen lässt sich schließen, dass der Stiftungsboom der letzten Jahre in nicht unerheblichem Maße zur Gründung von „unterkapitalisierten“ Stiftungen geführt hat.

Verstärkt werden die Probleme der unterkapitalisierten Stiftungen durch die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung. Einerseits stehen durch weiterhin niedrige Guthabenzinsen und geringe Ausschüttungen weniger Erträge zur Verfolgung des satzungsmäßigen Zwecks der Stiftung zur Verfügung. Andererseits haben die Stiftungen teilweise hohe Abschreibungen auf ihre Wertpapiere und andere Finanzanlagen vornehmen müssen.

Waren die Finanzanlagen nun nicht konservativ, sondern eher spekulativ angelegt, so machen die Verluste manche Stiftungen, insbesondere die unterkapitalisierten Stiftungen handlungsunfähig. Die unterkapitalisierten Stiftungen sind, mangels ausreichender Kapitalvermögen nicht in der Lage, die laufenden Kosten der Stiftungen (Bürokosten, Projektfinanzierung, Rechnungslegung, Berichterstattung gegenüber dem Finanzamt und der Stiftungsaufsicht) zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund wird die Frage relevant, ob bei Vorliegen der Insolvenzgründe die Stiftungsorgane zur Stellung eines Insolvenzantrages verpflichtet ist.

Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass Stiftungen egal ob selbstständige Stiftungen bürgerlichen Rechts, Verbrauchsstiftungen oder gemeinnützige Stiftungen, ebenso wie jede andere natürliche oder juristische Person insolvenzfähig gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 InsO ist.

Gemäß § 15a InsO besteht bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung) für die Ver¬SRNL 2023 S. 4 (5)tretungsorgane die Pflicht einen Insolvenzantrag für die Stiftung zu stellen. Fraglich ist, ob § 15a InsO auch auf Stiftungen anwendbar ist. § 15 Abs. 7 InsO sieht nämlich vor, dass die Regelungen des § 15a Abs. 1 bis 6 InsO auf Vereine und Stiftungen nicht anzuwenden ist. § 15a Abs. 7 InsO verweist jedoch auf die Regelung des § 42 Abs. 2 BGB der den Vorstand der Stiftung verpflichtet bei Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 86 S. 2 i.V.m. § 42 Abs. 2 BGB).

Neben dem Vorstand können auch die Gläubiger bei rechtlichem Interesse die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen (§ 14 InsO). Und generell hat der Vorstand im Rahmen seiner Berichtspflicht die Stiftungsbehörde von der wirtschaftlichen Lage und dem Insolvenzantrag zu unterrichten.

§ 42 Abs. 2 BGB verpflichtet den Vorstand der Stiftung zur Stellung des Insolvenzantrages bei Vorliegen des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Da § 42 Abs. 2 BGB den Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht vorsieht, könnte fraglich sein, ob die Stiftung auch bei Vorliegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen kann, um bereits in einem frühen Krisenstadium vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Sanierungsmöglichkeiten des Insolvenzverfahrens in Anspruch zu nehmen. Der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit gilt deshalb unbestritten, obwohl in § 42 Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich vorgesehen, auch für Vereine und Stiftungen, wobei der Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit nur vor der Stiftung selbst und nur von allen Mitglieder des jeweiligen Vertretungsorgans gestellt werden kann.

Bevor die Handlungsoptionen der selbstständigen Stiftung in der Insolvenz betrachtet werden, soll ein Blick auf die selbstständige Stiftung in der Krise geworfen werden.

Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass Stiftungen aufgrund ihrer Finanzverfassung bislang zu den am wenigsten krisenanfälligen Rechtsformen des deutschen Wirtschaftsrechts gehörten (siehe auch Müller, ZIP 2010, 153). Grund hierfür ist in erster Linie die Existenz des Grundstockvermögens, das umfassender als das Haftungskapital bei Kapitalgesellschaften gegen Ausschüttungen geschützt ist.

Gerade aber die oben geschilderte latente Unterkapitalisierung vieler selbständiger Stiftungen führt zu einem schleichenden Prozess der Aufzehrung des Grundstockvermögens der nicht selten in der Zahlungsunfähigkeit der Stiftung mündet.

Der schleichende Prozess der Aufzehrung des Grundstockvermögens und damit die Gefährdung der Existenz der Stiftung kann durch die Implementierung eines Verfahrens zur Früherkennung einer Krise gegengesteuert werden.

Zu verweisen sei hier auf die in der Betriebswirtschaftslehre entwickelten Verfahren zur Früherkennung einer Krise (z.B. Bea/Kötzle, DB 1983, 565). Sollte sich bei der Stiftung eine akute Krisensituation zeigen, so ist ein unmittelbares und wohl durchdachtes Krisenmanagement erforderlich. Hierzu bedarf es einer Schwachstellenanalyse und wenn möglich bereits erster Maßnahmen zur Beseitigung der Krise.

Die Schwachstellenanalyse kann dabei ganz grundsätzlich – je nach Satzungszweck der Stiftung oder je nach unternehmerischen Betätigungen der Stiftung – unter der Zuhilfenahme der nachfolgenden Kennzeichen umgesetzt werden:

  • Eigenkapitalausstattung

  • Berichtswesen, Kosten- und Ergebnisrechnung

  • Kundenanalyse

  • Höhe der Veranstaltungskosten

  • Marketingstrategien und Marktanalysen

  • Erfolgsaussichten bzw. Gefahren der Stiftung

Anhand des Ergebnisses der Schwachstellenanalyse wird nun der Stiftungsvorstand entscheiden, ob und welche außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen durchzuführen sind. Sollten außergerichtliche Sanierungsmaßnahmen nicht mehr erfolgversprechend sein, wird sich für den Stiftungsvorstand die Frage nach der Einleitung eines Insolvenzverfahrens stellen.

Dabei bleibt zunächst festzustellen, dass der Ablauf des Insolvenzverfahrens der Stiftung den gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung folgt. Dies gilt für die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Die anzuordnenden Sicherungsmaßnahmen ergeben sich aus dem § 21 Abs. 2 InsO.

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Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Stiftung gemäß § 86 S. 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 S. 1 BGB aufgelöst. Mit der Auflösung verliert die Stiftung jedoch nicht ihre Rechts-persönlichkeit. Wie andere juristische Personen und Gesellschaften erlischt eine Stiftung als Rechtsträger nicht durch Auflösung sondern wird dadurch lediglich in das Liquidationsstadium überführt.

Im Gegensatz zu der übrigen juristischen Personen des Privatrechts erlischt eine aufgelöste Stiftung hingegen automatisch mit Eintritt der Vermögenslosigkeit. Grund hierfür ist die Sonderstellung der Stiftung als verselbstständigendes Zweckvermögen. Ohne Vermögen kann die Stiftung als Rechtsträger nicht mehr existent sein.

Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt bleibt die Stiftung zunächst bestehen, bis die Stiftungsbehörde gemäß § 87 Abs. 1 BGB die Stiftung aufhebt.

Zu beachten ist außerdem, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Gemeinnützigkeit der Stiftung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens endet, da ab diesem Zeitpunkt nicht mehr die Allgemeinheit gefährdet wird, sondern die Befriedigung der Gläubigerinteressen im Vordergrund steht (BFH 16.05.2007, BStBl. II 2007 S. 808).

Der Stiftungsvorstand wird schon aus Gründen einer Haftungsvermeidung bei der Feststellung der finanziellen Schieflage der Stiftung Überlegungen anstellen, ob eine außergerichtliche Sanierung oder eine Sanierung durch das Insolvenzverfahren erfolgversprechend ist. Dafür steht auch bei einer Stiftung der gesamte Instrumentenkasten des Restrukturierungs- und Insolvenzrechts zur Verfügung.

Dies wird davon abhängen, in welchem Krisenstadium die Stiftung sich befindet und welche Sanierungstools für das jeweilige Krisenstadium geeignet sind.

Es bleibt zunächst festzuhalten, dass die Sanierungstools der Insolvenzordnung uneingeschränkt auch für das Insolvenzverfahren der Stiftung Anwendung finden.

Im Folgenden sollen diese Sanierungsmöglichkeiten aufgezeigt werden:

Sollte der Stiftungsvorstand feststellen, dass bei der Stiftung drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, besteht die Möglichkeit gemäß § 270d InsO ein Schutzschirm-verfahren zu beantragen. Voraussetzung für die Durchführung eines Schutzschirmverfahrens ist das Vorliegen einer mit Gründen versehenen Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und dass die angestrebte Sanierung mittels eines Insolvenzplans nicht offensichtlich aussichtslos ist.

Der Insolvenzplan ist innerhalb einer Frist von 3 Monaten vorzulegen.

Eine weitere Möglichkeit der Sanierung der Stiftung eröffnet das Eigenverwaltungsverfahren gem. § 270a InsO. Der Vorteil des Eigenverwaltungsverfahrens besteht darin, dass der Stiftungsvorstand unter der Aufsicht eines Sachwalters die vorgesehene Sanierung durchführen kann. Die Eigenverwaltung setzt jedoch voraus, dass keine Umstände bekannt sind die erwarten lassen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Maßgeblich sind dabei die Interessen der Insolvenzgläubiger sowie der absonderungs-berechtigen Gläubiger. Zentraler Bestandteil des Eigenverwaltungsverfahrens, der zur Entschuldung der Stiftung führen soll, ist auch hier der Insolvenzplan gem. § 217 InsO.

Sollte wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit der Stiftung weder das Schutzschirmverfahren noch die Eigenverwaltung in Frage kommen kann von eröffneten Insolvenzverfahren zur Entschuldung der Stiftung den Gläubigern ebenfalls ein Insolvenzplan vorgelegt werden. Der Inhalt und die Verfahrensregelungen eines Insolvenzplanes regeln die §§ 217 ff InsO.

Wie bereits dargelegt hat das geltende Recht zwei Formen der Sanierungen, nämlich die außergerichtliche konsensuale Sanierung und die Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens. Als weitere Sanierungstools hat der Gesetzgeber nunmehr das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) geschaffen. Kern des SanInsFoG ist das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG). Dieses Gesetz ist am 01.01.2021 in Kraft getreten und enthält umfangreiche Regelungen für eine außergerichtliche Sanierung.

Mit Hilfe des StaRUG soll die Grundlage für die Durch- und Umsetzung von Sanierungen gegen den Widerstand von Minderheiten unter Vermeidung eines Insolvenzverfahrens geschaffen werden. Die Möglichkeit in die Rechte von Gläubigern außerhalb eines Insolvenzverfahrens im Wege eines Mehrheitsbeschlusses einzugreifen kennt das deutsche Recht nur im Anwendungsbereich des Schuldnerverschreibungsgesetzes. Mit dem Restrukturierungsrahmen wird der Werkzeugkasten der Restrukturierung um ein Instrument erweitert, das die Lücke schließt zwischen der außergerichtlichen Sanierung, die Einstimmigkeit voraussetzt und der Sanierung per Mehrheitsentscheidung im Insolvenzplanverfahren, das mit Kosten und den klassischen Nachteilen eines Insolvenzverfahrens verbunden ist.

In den Anwendungsbereich des StaRUG fallen gem. § 1 Abs. 1 StaRUG juristische Personen und somit auch Stiftungen gem. §§ 86 S. 1 i.V.m § 42 Abs. 2 BGB.

Den Sanierungsmöglichkeiten einer Stiftung sind damit neue Möglichkeiten eröffnet.

Abbildung 5

Udo Feser ist Partner der überregionalen Sozietät Mönning Feser Partner Berlin. Er ist Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer und seit 1981 als Insolvenzverwalter tätig. Er verfügt über jahrelange Erfahrungen in der Sanierungsberatung und in der Sanierung von Unternehmen. Er ist Mitglied im Gravenbrucher Kreis.

 
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