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RIW 2018, I
Göpfrich 

Wirtschaftsrecht in der Arabischen und Islamischen Welt

Abbildung 1

Die MENA-Region – sie umfasst 16 Länder (ohne Israel) von Marokko im Westen bis Iran im Osten – ist eine wichtige Wirtschaftsregion im globalen Kontext und ist auch einer der bedeutendsten nicht-europäischen Absatzmärkte für deutsche Exporte. Große Infrastruktur- und Industrieprojekte im Rahmen der Diversifizierung, Privatisierung und Umstrukturierung der bisher – insbesondere die Staaten am Persischen Golf – vom Erdöl abhängigen Volkswirtschaften schaffen ein Projektvolumen von gegenwärtig mehr als zwei Billionen Euro, von dem sich auch die deutsche Exportwirtschaft und der Anlagenbau – allerdings in heftigem Wettbewerb mit starker internationaler Konkurrenz, vor allem aus Asien – dank des in der Region nach wie vor hochgeschätzten “Made in Germany” einen gebührenden Anteil verspricht.

Der Entwicklungsprozess des Rechtsrahmens in diesen Ländern verläuft auch heute noch nur teilweise kongruent mit dem wirtschaftlichen Entwicklungsprozess. Viele Rechtsgebiete – etwa im Bereich von Unternehmensrecht, Konkursrecht, Investitionsrecht, Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, Steuerrecht, Baurecht, EPC, Vergaberecht, Handelsvertreterrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Prozessrecht, Schiedsgerichtsbarkeit, Privatisierung, Public Private Partnership, Energierecht, aber auch Themen wie “Corporate Governance”, “Rule of Law”, um nur einige Beispiele zu nennen – erreichen noch nicht die adäquate internationale “Benchmark” und sind auch weitgehend, insbesondere auch wegen kaum veröffentlichter Rechtsprechung, schwierig zu erschließen.

Hinzu kommt, dass in Anlehnung an die europäische “Civil Law”-Tradition rezipiertes und kodifiziertes Zivil- und Handelsrecht besonders in den Golfstaaten zunehmend stark mit Anleihen aus dem angelsächsischen “Common Law” konkurriert und oszilliert. Auch islamisch-rechtliche Traditionen und Rechtsfiguren, etwa Islamic Banking, Islamic Finance oder das im islamischen Recht eigentlich verbotene Versicherungswesen müssen in den internationalen wirtschaftsrechtlichen “Mainstream” eingespielt werden.

Aktuell werfen auch die durch den sog. “Arabischen Frühling” ausgelösten politischen und militärischen Verwerfungen eine Vielzahl von Themen aus dem Wirtschaftsvölkerrecht auf. Denn war die arabische und islamische Welt – wegen ihrer politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und kulturellen Besonderheiten – ohnehin noch nie ein einfaches Spielfeld für ausländische Unternehmen, so konnten diese früher gleichwohl im Nahen und Mittleren Osten im Großen und Ganzen in einem relativ stabilen Umfeld arbeiten, in dem zumindest ein Insider in der Lage war, einigermaßen richtig und sicher zu navigieren. Hieran hat sich viel geändert, seit die Ereignisse in Tunis und Ägypten im Jahre 2011 einen Prozess entfachten, der autokratische Staatsoberhäupter zu Fall brachte (Tunesien, Ägypten, Libyen, Jemen), Bürgerkriege ausbrechen ließ (Libyen, Syrien, Jemen), sogar bestehende geographische Staatsgrenzen zur Disposition stellt (Syrien, Irak, Jemen?), der perspektivisch sogar neue Staaten (Kurdistan?), sowie auch Quasi-Staaten bzw. von “Warlords” kontrollierte Gebiete (Libyen) hervorbrachte.

Damit geht zudem die – durch das Embargo gegen Katar noch beschleunigte – faktische Auflösung des Golfkooperationsrates (GCC) einher, der bis vor Kurzem noch als das bisher erfolgreichste Modell wirtschaftlicher und partiell auch politischer sowie rechtlicher Integration in der arabischen Welt galt. Fragen aus dem Wirtschaftsvölkerrecht wie etwa der Schutz oder die Entschädigung eines Investors wegen revolutionärer Umbrüche oder kriegerischer Ereignisse oder der Umgang mit bzw. Geschäfte mit sog. “Failed States” oder “De-Facto Regime” spielen im Gefolge der “Arabellion” ebenso eine Rolle wie daraus abgeleitete spezifische wirtschaftsrechtliche Fragen, z. B. die Themen “Force Majeure”, Krisen-Management, Risikoabsicherung oder andere versicherungsrechtliche Fragen.

Um die sich aus der Vielzahl der Wirtschafts- und Geschäftsbeziehungen deutscher privater und öffentlicher Einrichtungen zu Partnern in der Arabischen und Islamischen Welt ergebende Fülle rechtlicher Fragestellungen zu erforschen, zugleich praxisorientiert aufzuarbeiten und die Ergebnisse durch Publikationen und Veranstaltungen sichtbar zu machen, wird am Institut für ausländisches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Universität Heidelberg unter der Aufsicht von Prof. Dr. Dr. Thomas Pfeiffer ein Kompetenzzentrum “Recht und Wirtschaft der Arabischen und Islamischen Welt” (Law and Economy in the Arab and Islamic World – LEA) errichtet. Ein im Vereinsregister eingetragener gemeinnütziger Förderverein (LEA e. V.) soll die notwendigen Drittmittel aufbringen, hauptsächlich durch Ansprache von Unternehmen und Institutionen mit Interessen in der arabischen und islamischen Welt in Deutschland, der EU oder der MENA-Region.

LEA e. V. organisiert auch eigene, vornehmlich wirtschaftsorientierte Veranstaltungen. Die nächste ist für Frühsommer in Frankfurt geplant und wird sich u. a. mit dem Projektgeschäft und der Projektfinanzierung in der MENA-Region beschäftigen. Avisiert ist auch eine “LEASummer-School” zu aktuellen wirtschaftsrechtlichen Themen (nähere Informationen unter: lea@ipr. uni-heidelberg.de).

Dr. Peter Göpfrich, Rechtsanwalt, Heidelberg

 
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