Modernisierung der Rechtssprache in Spanien – schön wäre es!
Die Staatskanzlei des spanischen Ministerpräsidenten hat am 23. 9. 2011 den Bericht der ministeriellen Arbeitsgruppe über die Modernisierung der spanischen Rechtssprache veröffentlicht. Darin wird dem Recht des Bürgers auf eine klare und verständliche Rechtssprache die Verpflichtung der Justiz und ihrer Organe, also auch der Rechtsanwälte und Notare, gegenübergestellt, diesem Bürgerrecht unbedingt Beachtung zu schenken. Um mit Luther zu sprechen, soll “dem Volk aufs Maul geschaut” werden und dessen Sprache damit Eingang in die Justiz finden. Anhand zahlreicher Beispiele wird belegt, was sprachlich alte Zöpfe sind und wie diese in die juristische Aktualität umfrisiert werden können. So sollen Anglizismen und Gallizismen vermieden und von lateinischen Begriffen nur geringer Gebrauch gemacht werden.
Zielvorstellung ist eine moderne Justiz, die offen ist gegenüber den Bürgern. Das fängt mit der Verständlichkeit der Sprache an und geht weiter über die Information zu Bürgerrechten sowie deren Geltendmachung. Hierbei geht es um den Schutz von Opfern von Straftaten, um häusliche Gewalt, Minderjährige und den Schutz ausländischer Immigranten. Diese sollen Urteile, juristische Schriftstücke und Gesetze verstehen können, also ein Appell an alle spanischen Juristen auf Klarheit und Verständlichkeit mündlicher und schriftlicher Rechtshandlungen. Auch soll dem Staatsbürger in elektronischer Form Kenntnis der betreffenden spanischen Gesetze und denen der EU verschafft werden. Dies ist beispielsweise im elektronischen Grundbuch bereits verwirklicht worden, zu dem jedermann – im Gegensatz zu Deutschland – Zugang hat. Insgesamt ein hehres Vorhaben des spanischen Gesetzgebers. Dieses beruht auf der Magna Charta der Rechte des Bürgers vor der Justiz, die einstimmig vom Spanischen Kongress am 16. 4. 2002 angenommen worden ist (“Carta de Derechos de los Ciudadanos ante la Justicia”).
Leider sieht die Wirklichkeit zumeist noch anders aus. So lässt sich fast ein Ehrgeiz des spanischen Gesetzgebers oder auch vieler Richter feststellen, alle wichtigen Elemente einer Bestimmung oder eines Urteils unbedingt in einen Satz zu zwängen, mag dieser auch ellenlang sein. Eine Kostprobe der Bestimmung des im Jahre 2003 neu gefassten Art. 831 Abs. 1 Código Civil soll dies dem Leser veranschaulichen:
“Artículo 831
No obstante lo dispuesto en el artículo anterior, podrán conferirse facultades al cónyuge en testamento para que, fallecido el testador, pueda realizar a favor de los hijos o descendientes comunes mejoras incluso con cargo al tercio de libre disposición y, en general, adjudicaciones o atribuciones de bienes concretos por cualquier título o concepto sucesorio o particiones, incluídas las que tengan por objeto bienes de la sociedad conyugal disuelta que esté sin liquidar.”
[“Art. 831
(1) Ungeachtet des im vorangegangenen Artikel Bestimmten können dem Ehegatten testamentarisch Befugnisse eingeräumt werden, die ihn nach dem Tod des Testators berechtigen, zugunsten der gemeinsamen Kinder oder Abkömmlinge erhöhte Zuwendungen zu Lasten des frei verfügbaren Drittels vorzunehmen und, im Allgemeinen, Zuteilungen oder Zuweisungen bestimmter Vermögensgegenstände vorzunehmen aufgrund jedweden Rechtsgrundes, Erbkonzepts oder Anteilsrechtes, solche eingeschlossen, deren Gegenstand Vermögen der aufgelösten, noch nicht liquidierten ehelichen Gemeinschaft ist.”]
Caramba!
Ein Aufschrei des Entsetzens sollte das Land durch ziehen, wenn von höchster Warte derlei linguistisches Geschwurbel in Szene gesetzt wird!
Dr. Burckhardt Löber, Rechtsanwalt/Abogado, Frankfurt a. M./Valencia, und Fernando Lozano, Abogado/Asesor Fiscal, Valencia/Denia