R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
 
 
RIW 2007, 1
Feuerborn 

Europa bauen: Integrierter deutsch-französischer Studienkurs

Abbildung 1

Die fortschreitende Internationalisierung der Wirtschaft stellt zunehmend auch Anforderungen an die juristischen Berufe. Kaum ein Rechtsgebiet ist heute frei von internationalen Einflüssen. Der Bedarf an Juristen mit Kenntnissen im Europarecht und in ausländischen Rechtsordnungen sowie mit interkulturellen Fähigkeiten steigt ständig. Deshalb sieht z. B. § 7 Abs. 1 Nr. 3 des nordrhein-westfälischen Juristenausbildungsgesetzes seit 2003 vor, dass die Zulassung zur staatlichen Pflichtfachprüfung den erfolgreichen Besuch einer fremdsprachigen rechtswissenschaftlichen Veranstaltung oder eines rechtswissenschaftlich ausgerichteten Sprachkurses voraussetzt.

Die Juristischen Fakultäten der Université de Cergy-Pontoise bei Paris und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf bieten seit kurzem ein Programm an, das über diese Mindestanforderungen deutlich hinausgeht. Um künftigen Jura-Studierenden Perspektiven und Arbeitsmarktchancen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, aber auch in internationalen Organisationen zu eröffnen, haben sie im Sommer 2003 beschlossen, auf ihre bereits seit vielen Jahren bestehende ERASMUS/SOKRATES-Partnerschaft aufzubauen und ihr Lehrangebot um einen innovativen Studienkurs zu erweitern: den integrierten Studienkurs im deutschen und französischen Recht.

Der dreijährige (Grund-)Studienkurs wird durch die Deutsch-Französische Hochschule in Saarbrücken gefördert. Er ermöglicht Jura-Studierenden der beiden Partnerfakultäten, ein Doppeldiplom im deutschen und französischen Recht zu erwerben. Es besteht aus der “licence mention droit” und einem entsprechenden deutschen Hochschulzertifikat, das die Zwischenprüfung enthält. Auf diese Weise eröffnet der Abschluss des Grundstudiums – neben den darin erworbenen Zusatzqualifikationen – die Möglichkeit, das “klassische” Jurastudium in Frankreich oder in Deutschland fortzusetzen. Darüber hinaus ist geplant, dass die Studierenden alternativ einen zweijährigen integrierten Aufbaustudiengang (Master-Studiengang) an den Grundstudiengang anschließen können, der gleichfalls mit einem deutsch-französischen Doppeldiplom abschließen soll. Der Aufbaustudiengang, dessen Vorbereitung die Deutsch-Französische Hochschule ebenfalls fördert, wird das Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht zum Gegenstand haben und in diesem Rahmen verschiedene Möglichkeiten zur Spezialisierung bieten. Er ist vor allem für die Absolventinnen und Absolventen des Grundstudiums gedacht, wird aber auch Externen offenstehen, welche die erforderlichen Qualifikationen besitzen.

Während die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des deutsch-französischen Studienkurses das erste Jahr zur Eingewöhnung noch an ihrer jeweiligen Heimatuniversität in Düsseldorf oder Cergy-Pontoise studieren, bilden sie für die beiden folgenden Jahre eine gemeinsame Studiengruppe. Diese Kohorte studiert im zweiten Jahr in Düsseldorf und im dritten Jahr in Cergy-Pontoise. Das gemeinsame zweijährige Studium französischer und deutscher Studierender ist eine Neuheit bei den integrierten rechtswissenschaftlichen Studiengängen.

Die Lehrveranstaltungen des Studienkurses, die während der dreijährigen Studiendauer stets in beiden Rechten und damit in deutscher und in französischer Sprache stattfinden, werden in der vorlesungsfreien Zeit durch Intensivsprachkurse, Studienreisen und Auslandspraktika ergänzt. Für die deutschen Studierenden sind nach dem zweiten Semester Praktika bei einer Anwaltskanzlei, nach dem vierten Semester bei einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht in Frankreich vorgesehen. Am Ende des dritten Studienjahres folgt ein Auslandspraktikum bei einem Fachanwalt, einem Unternehmen, einer Gewerkschaft oder einem Arbeitgeberverband. Für die französischen Studierenden finden diese Praktika in Deutschland statt. Bereits nach dem ersten Semester lernen die deutschen und französischen Studierenden auf gegenseitigen Studienreisen ihre Mitstudierenden, die Partneruniversität und deren Umgebung kennen. So wird den Düsseldorfer Teilnehmern des Studienkurses bei ihrer ersten Studienreise ein Einblick in das französische Rechts- und Justizsystem sowie dessen politischen und kulturellen Rahmen geboten. Neben der Universität von Cergy-Pontoise und den dortigen Lehrveranstaltungen stehen Besuche des höchsten Zivil- und Strafgerichts in Frankreich, der Cour de Cassation, sowie des Senats (der dem deutschen Bundesrat ähnlich ist) und Tagespraktika in französischen Anwaltskanzleien auf dem Programm.

Die Dichte des Lehrplans, insbesondere durch zusätzliche Vorlesungen in den Abendstunden oder am Wochenende, und die stärkere Belastung der Studierenden auch in den Semesterferien stellen hohe Anforderungen an die Teilnehmer. Dass diese Belastung aber nicht abschreckt, das klassische Jurastudium zu erweitern, belegen die Bewerbungszahlen. Zum Wintersemester 2005/2006 ist der integrierte deutsch-französische Studienkurs in Düsseldorf und Cergy-Pontoise erstmals angeboten worden und im Oktober 2005 mit insgesamt 24 Studierenden auf deutscher und französischer Seite erfolgreich gestartet. Bereits der zweite Jahrgang, der im Oktober 2006 begonnen hat, war mit je 18 zugelassenen Studierenden voll ausgelastet. Auf einen Studienplatz kamen etwa 2,5–3 Bewerbungen.

Professor Dr. Andreas Feuerborn, Düsseldorf

 
stats