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RIW 2006, 1
Abele 

Durch Rechtsvergleichung auf der Suche nach der besseren Lösung – das Beispiel des Arbeitsrechts

Abbildung 1

Seine Abschiedsvorlesung hielt am 14. 7. 2006 Rolf Birk, Lehrstuhlinhaber für Arbeitsrecht an der Universität Trier und rechtswissenschaftlicher Direktor des gleichfalls in Trier beheimateten Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft (IAAEG). Birk ist seit 1973 ständiger Mitarbeiter der RIW. Damals noch Universitätsdozent in Erlangen, befasste er sich in einem ausführlichen Beitrag für diese Zeitschrift mit einem rechtsvergleichenden Überblick über die Umrechnungsbefugnis bei Fremdwährungsschulden (RIW 1973, 425). Einige Jahre zuvor hatte er als Wissenschaftlicher Assistent seinen ersten Beitrag in der RIW zu Fragen der Aufrechnung bei Fremdwährungsforderungen – ebenfalls unter einem rechtsvergleichenden Blickwinkel – veröffentlicht (RIW 1969, 12). Dem Thema der Rechtsvergleichung ist Birk über die Jahrzehnte treu geblieben, auch wenn der Schwerpunkt seiner Forschungen sich schnell auf das Arbeitsrecht konzentrierte (z. B. RIW 1975, 589 oder in: FS Trinkner, 1995, S. 461 ff.). Hinzu traten Untersuchungen zum Arbeitsvölkerrecht und natürlich zum EU-Arbeitsrecht (vgl. z. B. RIW 1989, 6). 1994 wurde Birk vom Ministerkomitee des Europarats zum Mitglied des Committee of Independent Experts (dem heutigen European Committee of Social Rights – ECRS) ernannt, dessen Präsident er von 1996 bis 1998 war. Aber ein Forschungsschwerpunkt war und blieb für ihn die Arbeitsrechtsvergleichung.

Die Arbeitsrechtsvergleichung hat bedauerlicherweise keinen hohen Stellenwert in Deutschland; sie wird von vielen deutschen Arbeitsrechtlern als weltfernes Exercitium betrachtet. Das ist in anderen Ländern durchaus nicht so – z. B. in Spanien, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, wo selbst in Lehrbüchern oft auf Lösungswege anderer Rechtsordnungen hingewiesen wird. Dabei ist der Ausgangspunkt der Rechtsvergleichung, die Feststellung des fremden Rechts, von unbestreitbar praktischer Relevanz in all den Streitfällen, in denen infolge Rechtswahl der Arbeitsvertrag sich nach einem ausländischen Recht richtet. Rolf Birk hat unzählige gutachterliche Stellungnahmen für mit solchen Streitigkeiten befasste Gerichte geschrieben. Und wie anders als durch wertende Rechtsvergleichung soll gem. Art. 30 Abs. 1 EGBGB das “zwingende” Schutzrecht bestimmt werden, das dem Arbeitnehmer trotz Rechtswahl nicht entzogen werden kann?

Erst recht, wenn wir an die Bemühungen der EU um die Harmonisierung arbeitsrechtlicher Standards denken, müssten wir der Rechtsvergleichung eine wichtige Aufgabe zuweisen. Am Anfang steht der Vergleich, der die Feststellung erlaubt, ob überhaupt ein Harmonisierungsdefizit besteht, und idealerweise ist die Rechtsvergleichung ein wesentliches Instrument, um nach der sachlich besten Lösung zu suchen. Eine Diskussion ohne diesen vergleichenden Blick ist – Pardon! – schwachsinnig.

Allerdings hat die Rechtsvergleichung, wenn sie ernst genommen werden will, auch eine Bringschuld. Diese Bringschuld bezieht sich auf die Güte ihrer Arbeitsmethodik. Als ich vor Jahren Referent am IAAEG in Trier war, war ich als Mitautor beteiligt an einem von Rolf Birk geleiteten Projekt zu dem Themenkomplex “Lohnfortzahlung im Krankheitsfall”. Die Untersuchung, die später veröffentlicht wurde (Birk/Abele/Kasel-Seibert/Maurer, ZIAS 1987, 45 und 159) stellte im Überblick das einschlägige Recht der damals 12 EG-Mitgliedstaaten plus Österreich (damals noch kein Mitglied) und Schweiz dar. Für alle Beteiligten war es selbstverständlich, die originalen Rechtsquellen in der originalen Sprache auszuwerten. Bei Untersuchungen mit einem weit gefassten Themenspektrum ist es darüber hinaus notwendig, etwas über die Systematik und die Entwicklungslinien einer Rechtsordnung in Erfahrung zu bringen, damit Einzelergebnisse nicht falsch interpretiert werden. Kurz gesagt: Eine gewisse Affinität und Vertrautheit mit der untersuchten Rechtsordnung sind unabdingbar. Ich wüsste daher nicht, wie ein einzelnes Institut mit den gleichen Ressourcen heute einen seriösen Überblick zum Lohnfortzahlungsrecht in 25 Mitgliedstaaten erstellen könnte. Damit die Rechtsvergleichung sich hier nicht in der Qualitätsfalle verfängt, bedarf es inzwischen länderübergreifender Kooperationen.

Dr. Roland Abele, Frankfurt a. M.

 
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