Die Zweckgesellschaft INSTEX – mehr als ein politisches Signal?
Die Abwicklung von Zahlungen über das internationale Bankensystem war bei Geschäften mit dem Iran schon vor der Wiederinkraftsetzung der Iran-Sanktionen der USA im August und November 2018 schwierig. Spätestens seitdem die USA die sog. secondary sanctions wieder eingeführt haben, wickeln kaum noch Banken Geldgeschäfte mit dem Iran ab. Das gilt auch für Wirtschaftsbereiche, wie dem Agrar- oder Pharmasektor, die grundsätzlich nicht Gegenstand von US-Sanktionen gegen den Iran sind. Handel mit dem Iran ohne ein funktionierendes Bankensystem ist aber faktisch nicht möglich. Damit droht die mit dem Joint Comprehensive Plan of Action (JPCOA) vereinbarte Lockerung des Iran-Embargos leerzulaufen.
Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich (die sog. E3) haben deshalb am 31. 1. 2019 das “Special Purpose Vehicle Instrument in Support of Trade Exchanges” (INSTEX) gegründet. INSTEX ist eine Gesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Paris und soll es Unternehmen ermöglichen, Handel mit dem Iran zu treiben, ohne auf das Bankensystem angewiesen zu sein. Gesellschafter von INSTEX sind derzeit die E3, was aus deren Sicht wichtig ist, um INSTEX einen quasi-souveränen Schutz zukommen zu lassen. Die Erwartung ist, dass die USA deshalb davon absehen werden, eine von den wichtigsten europäischen Volkswirtschaften gehaltene Gesellschaft zu sanktionieren.
In der Anfangsphase soll INSTEX den Handel mit Gütern erleichtern, für die keine US-Sanktionen bestehen oder für die Ausnahmegenehmigungen genutzt werden können, nämlich Lebensmittel, Agrarprodukte, Medizinprodukte und Medikamente. Auch diese Beschränkung soll dazu dienen, das Risiko zu minimieren, dass INSTEX selbst auf einer US-Sanktionsliste landet. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen ggf. alle Unternehmen, die mit dem Iran Handel treiben möchten, INSTEX nutzen können.
Bislang ist offen, wie der Handel über INSTEX genau abgewickelt werden soll. Derzeit stimmen sich die E3 mit INSTEX ab, um die konkrete Arbeitsweise festzulegen. INSTEX wird wohl nicht nach Art einer Bank arbeiten, also keine Zahlungen zwischen der EU und dem Iran abwickeln. Dem Vernehmen nach soll der Handel wohl mittels einer doppelten Tauschbörse funktionieren. Der Iran müsste dazu ein INSTEX-ähnliches Institut gründen. Forderungen könnten dann jeweils innerhalb der EU bzw. innerhalb des Irans verrechnet werden. Wenn beispielsweise ein europäisches Lebensmittelunternehmen von einem iranischen Agrarproduktehändler Safran oder Pistazien kaufen möchte und ein iranisches Krankenhaus Medikamente von einem europäischen Pharmaunternehmen beziehen will, könnten diese Geschäfte künftig womöglich folgendermaßen über INSTEX abgewickelt werden:
Die Unternehmen können ihre Forderungen bei INSTEX anmelden. INSTEX prüft dann, ob es passende Forderungen und Gegenforderungen gibt, und teilt dies den Unternehmen mit. Im Beispielsfall könnte das europäische Lebensmittelunternehmen also den Kaufpreis für Safran und Pistazien, den es dem iranischen Agrarproduktehändler schuldet, an das europäische Pharmaunternehmen bezahlen. Das iranische Krankenhaus könnte seinerseits den iranischen Agrarproduktehändler bezahlen. Zahlungen zwischen dem Iran und der EU gäbe es dabei nicht; die Zahlungsströme blieben jeweils innerhalb der EU und dem Iran. Die Pistazien, der Safran und die Pharmazeutika würden direkt an den jeweiligen Empfänger geliefert.
Ein funktionierendes Tauschsystem zu etablieren dürfte zumindest mit einem erheblichen Bürokratieaufwand verbunden sein. Dieser zusätzliche Aufwand könnte Unternehmen ggf. davon abhalten, INSTEX zu nutzen. Unklar ist zudem, wie das Insolvenz- und Forderungsausfallrisiko bei solchen Tauschgeschäften ausgestaltet werden soll.
Damit INSTEX durch Wirtschaftsteilnehmer genutzt werden kann, muss INSTEX überdies sicherstellen, dass alle Vorschriften zur Geldwäsche und Terrorismusprüfung eingehalten werden. Die E3 haben betont, dass INSTEX in dieser Hinsicht “den höchsten Ansprüchen” genügen soll.
Insgesamt ist es sehr fraglich, ob INSTEX von europäischen Wirtschaftsunternehmen mit US-Geschäft werden genutzt wird. Die USA stellen (europäische) Unternehmen weiterhin vor die Wahl, entweder mit dem Iran oder mit den USA Handel treiben zu können. Neben diesem Risiko dürfte die Abwicklung von Geschäften über INSTEX aber insbesondere mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden sein, der sich für die Unternehmen ggf. nicht rechnen wird. Schließlich ist bei einem Verrechnungssystem das Insolvenzrisiko kaum zu kalkulieren. Diese Gemengelage wird voraussichtlich dazu führen, dass die Mehrzahl der Unternehmen weiterhin von Geschäften mit dem Iran absehen wird.
Insoweit ist die Gründung von INSTEX – wie auch schon die Aktualisierung der EU-Blocking-VO – vor allem als politisches Signal der EU für den JPCOA zu sehen.
Dr. Konrad Walter, Rechtsanwalt, Hamburg