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RIW 2018, I
Wilske 

Du sollst keine anderen (Schieds-) Gerichte neben mir haben!

Von alttestamentarischer Eifersucht und verlorenem Rechtsschutz für Investoren in EU-Staaten

Abbildung 1

Mit Urteil vom 6. 3. 2018 hat der EuGH in der Rs. Slowakische Republik v. Achmea entschieden, Art. 267 und 344 AEUV seien dahin auszulegen, dass sie Schiedsklauseln in bilateralen Investitionsschutzabkommen (BITs) zwischen EU-Staaten entgegenstehen (RIW 2018, 200 mit RIW-Komm. Müller). Der EuGH duldet keine anderen (Schieds-)Gerichte neben sich, bei denen auch nur die Möglichkeit besteht, dass sie über EU-Recht entscheiden und sich der Autorität des EuGH entziehen könnten. Opfer dieser alttestamentarischen Eifersucht wurde auch schon die EMRK, der die EU nicht beitreten darf, weil sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte dem Rechtsprechungsmonopol des EuGH entziehen könnte (Gutachten 2/13 v. 18. 12. 2014).

Die Folgen der Achmea-Entscheidung sind für die Praxis erheblich. Schiedsverfahren von Investoren auf der Grundlage von sog. Intra-EU-BITs – von denen es derzeit noch 196 gibt – werden künftig kaum mehr möglich sein. Offen bleibt, ob und inwieweit die Achmea-Entscheidung Auswirkungen auf bereits abgeschlossene Schiedsverfahren hat. Das Achmea-Schiedsverfahren selbst hatte im Oktober 2008 begonnen und endete mit Schiedsspruch vom 7. 12. 2012, mit dem die Slowakei zur Zahlung von EUR 22,1 Mio. nebst Zinsen verurteilt wurde. Wenn der EuGH diesen Anspruch rückwirkend zu Fall bringen wollte, stellen sich verfassungsrechtliche Fragen. Zu Recht wird daher auch von den Anwälten der Slowakei eingestanden, dass die Rechtsfolgen der Achmea-Entscheidung vom BGH zu entscheiden und vom EuGH nicht zwingend vorgegeben seien (Burgstaller/Pörnbacher, Lexology, 15. 3. 2018).

Der EuGH hatte nur über die EU-Konformität der Schiedsklausel eines BIT und nicht über die Schiedsklausel des Energy Charter Treaty (ECT) zu entscheiden. Die derzeit laufenden ECT-Schiedsverfahren von Investoren gegen Spanien wie auch andere EU-Mitgliedstaaten (einschließlich Deutschland im Vattenfall-Verfahren!) sind daher von der Achmea-Entscheidung nicht unmittelbar betroffen. Der EuGH hat in der Achmea-Entscheidung schließlich darauf abgestellt, dass die Schiedsklausel in einer Übereinkunft vorgesehen wurde, “die nicht von der Union, sondern von den Mitgliedstaaten geschlossen wurde” (Rn. 58). Die EU ist aber selbst Partei des ECT. Dennoch hat Spanien schon Anstrengungen unternommen, abgeschlossene ECT-Schiedsverfahren wieder in Frage zu stellen. Auch Verfahren nach der ICSID-Konvention sind von der Achmea-Entscheidung nicht unmittelbar betroffen, doch wittern manche EU-Staaten bereits Morgenluft. So hat Ungarn kürzlich den Antrag gestellt, einen ICSID-Schiedsspruch zu annullieren, der feststellte, dass ein Budapester Gericht in eklatanter Weise das rechtliche Gehör eines portugiesischen Investors verletzt hatte.

Geht es nach dem EuGH, sollen künftig anstelle von BIT-Schiedsgerichten ausschließlich nationale Gerichte über den Schutz von Investoren aus EU-Mitgliedstaaten entscheiden. Dies mutet geradezu zynisch an zu einem Zeitpunkt, in dem gegen Polen ein Verfahren wegen Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze eingeleitet wurde und zuletzt der irische High Court sich veranlasst sah, die Auslieferung eines polnischen Drogendealers in sein Heimatland zu stoppen und dem EuGH die Frage vorzulegen, ob eine Auslieferung aufgrund systemischer Rechtsstaatsdefizite in Polen künftig unterbleiben müsse (Kotzur, NJW, Editorial 15/2018). Die Defizite der rumänischen und bulgarischen Justiz sind ebenso wenig ausgeräumt, und dass auch andere EU-Mitgliedstaaten derzeit Anlass zu rechtsstaatlicher Sorge geben, ist der Tagespresse zu entnehmen. Man darf daher gespannt sein, ob sich der EuGH bei der nächsten Konfrontation des in der Achmea-Entscheidung betonten “Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten” (Rn. 58) mit der Realität auf das Palmström-Prinzip zurückziehen wird, nach dem nicht sein kann, was nicht sein darf, oder eine konstruktivere Position beziehen wird.

Der EU-Kommission kann jedenfalls nur empfohlen werden, ihre derzeitigen Bemühungen, den Investitionsschutz durch Schiedsgerichte auf internationaler Ebene durch bilaterale oder multilaterale Investitionsgerichtshöfe zu ersetzen, zu überdenken. Der geplante Investitionsgerichtshof zwischen EU und Vietnam, bei dem ein Drittel der Richterstellen von der Einparteienregierung Vietnams bestellt werden sollen (die auch nicht davor zurückschreckt, eigene Staatsangehörige aus Berlin zu entführen), ist eine rechtspolitische Farce, die Idee eines multilateralen Investitionsgerichtshofs dagegen politische Utopie. Da der EuGH keine gleichrangigen Gerichte neben sich duldet, sind diese Investitionsgerichtshöfe jetzt sowieso ein (nicht zu bedauernder) Kollateralschaden. Ein Weg aus dem fehlenden effektiven Rechtsschutz in Problem-Jurisdiktionen der EU wäre dagegen ein EU-Investitionsgerichtshof unter der Kuratel des EuGH. Dieser wäre leichter zu verwirklichen als ein multilateraler Investitionsgerichtshof und könnte – nach der Achmea-Entscheidung – eine schmerzhafte Rechtsschutzlücke füllen. Bis dahin kann EU-Investoren in manchen EU-Mitgliedstaaten nämlich nur empfohlen werden, ihre Investition nicht mehr über EU-Gesellschaften zu strukturieren, sondern sich anderer Investitionsvehikel zu bedienen. Es wäre ein Armutszeugnis für die EU, wenn künftige westeuropäische Investitionen in Ost- und Südosteuropa über die USA, etwas Neuland wagend über die politisch dort sehr gewichtige VR China, oder nach dem Brexit über England erfolgen müssten.

Dr. Stephan Wilske, Rechtsanwalt, Stuttgart

 
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