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RIW 2022, I
Walter 

Außenwirtschaftsrechtliche Investitionskontrolle und deren Durchsetzung – Zieht Berlin die Zügel an?

Abbildung 1

Die Kontrollbefugnisse in der AWV sind seit 2009 stetig verschärft worden

Im Jahr 2009 wurde erstmals ein allgemeiner, sektorunabhängiger Prüftatbestand für die außenwirtschaftsrechtliche Investitionskontrolle eingeführt (§ 53 AWV a. F.), die bis dahin auf einen engen Bereich von Unternehmen der Rüstungsindustrie, Erderkundungssysteme und Kryptotechnik beschränkt war (§ 52 AWV a. F.). War eine Prüfung von Transaktionen seinerzeit nur vorgesehen, wenn ein gemeinschaftsfremder Erwerber (oder unter Umständen auch ein gemeinschaftsansässiges Unternehmen, an dem ein Gemeinschaftsfremder mindestens 25 % der Stimmrechte hielt), ein deutsches Unternehmen oder eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung in Höhe von mindestens 25 % an dem deutschen Unternehmen zu erwerben beabsichtige, löste nicht zuletzt der Erwerb des Robotikunternehmens Kuka durch die chinesische Midea im Jahr 2016 eine Reihe an weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen aus.

Mit der Neunten Verordnung zur Änderung der AWV erstreckte die Bundesregierung 2017 die bis dahin lediglich für die sektorspezifische Prüfung (§ 60 AWV) vorgesehene Meldepflicht von Unternehmenserwerben auch auf bestimmte Erwerbsvorgänge im Bereich der sektorübergreifenden Prüfung nach § 55 Abs. 1 AWV und spezifizierte den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle durch Regelbeispiele für die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AWV) bei einem unionsfremden Unternehmensanteilserwerb.

Bedeutsam war zudem die Absenkung der Schwelle der erworbenen Stimmrechtsanteile von 25 % auf 10 % durch die Ende Dezember 2018 in Kraft getretene Zwölfte Verordnung zur Änderung der AWV in besonders sicherheitsrelevanten Bereichen der sektorübergreifenden Prüfung, etwa für Unternehmen der kritischen Infrastrukturen – und damit eine Erweiterung der Prüfmöglichkeiten für das Bundeswirtschaftsministerium.

Aufgrund der Corona-Pandemie wurden im Jahr 2020 schließlich Unternehmen des Gesundheitssektors wie Arzneimittel- oder Medizinproduktehersteller in die Liste der Unternehmen aufgenommen, für die bereits die 10 %-Schwelle für eine Investitionskontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium ausreicht (§ 55a Abs. 1 Ziff. 8 – 11 AWV).

Nach den gesetzgeberischen Verschärfungen der Vorjahre ist in diesem Jahr nunmehr der Vollzug der außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium gleich mehrfach in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt:

Im April 2022 kam es in der Folge der westlichen Sanktionen wegen des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine und den russischen Gegenmaßnahmen zu einer Übertragung der Stimmrechte der Gazprom-Muttergesellschaft an ein Unternehmen namens Joint Stock Company Palmary. Da die Gazprom Germania GmbH ein Unternehmen der kritischen Infrastruktur ist, hätte die Stimmrechtsübertragung beim Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen der außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrolle gemeldet werden müssen (§ 55a Abs. 4 AWV). Da dies nicht geschehen war, setzte die Bundesregierung die Bundesnetzagentur als Zwangsverwalterin über die Gazprom Germania GmbH ein (BAnz AT, 4. 4. 2022, B13). Das Bundeswirtschaftsministerium stützte sich dabei nicht auf die Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe im Rahmen der Investitionskontrolle nach § 59 AWV, die eine Untersagung der Ausübung der Stimmrechtsanteile erlaubt hätte (§ 59 Abs. 3 Nr. 1 AWV), sondern auf die Ermächtigungsgrundlage des außenwirtschaftsrechtlichen Einzeleingriffs nach § 6 AWG. Bemerkenswert ist die Begründung für die Wahl der Ermächtigungsgrundlage durch das Bundeswirtschaftsministeriums: Der Rückgriff auf Maßnahmen im Investitionsprüfungsverfahren sei nicht gleich wirksam, da das erhebliche Risiko bestehe, dass das bestehende Verbot der Ausübung der Stimmrechte weiterhin missachtet werde. Mit dem Rückgriff auf § 6 AWG hat das Bundeswirtschaftsministerium seinen Instrumentenkasten über die in § 59 AWV vorgesehenen Maßnahmen hinaus erweitert.

Für etwas weniger mediales Aufsehen sorgte die durch das Bundeswirtschaftsministerium untersagte Übernahme des Beatmungsgeräteherstellers Heyer Medical AG durch die chinesische Aeonmed-Gruppe. Hier sah das Bundeswirtschaftsministerium, sicher unter dem Eindruck der Corona-Pandemie und der daher im Jahr 2020 erfolgten verschärften Kontrollmöglichkeiten für Medizinproduktehersteller, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung als gegeben an.

Ob sich aus Entscheidungen ein allgemeiner Trend ablesen lässt, dass das Bundeswirtschaftsministerium das Instrumentarium der außenwirtschaftsrechtlichen Investitionskontrolle stärker nutzen wird, ist derzeit noch offen. Es wird spannend sein, die weitere Entwicklung zu beobachten. Bei allen künftigen Entscheidungen zur Investitionskontrolle sollten die durch die Investitionskontrolle geschützten Rechtsgüter, insbesondere die voraussichtliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, stets im Blick bleiben.

Dr. Konrad Walter, Rechtsanwalt, Hamburg.

 
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