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RdZ 2022, 1
Simon 

SWIFT: Russlands Ausschluss wegen des Ukrainekonflikts wäre kein Wundermittel

Der Ausschluss aus dem SWIFT-System ist ein scharfes und zweischneidiges Schwert

Der russische Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze und die Gefahr einer möglichen Invasion des Landes haben zu Diskussionen über Gegenmaßnahmen der EU und der USA geführt. Immer wieder wird dabei auch die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) als Sanktionsinstrument in Betracht gezogen. Am 29.4.2021 forderte bspw. das Europäische Parlament für den Fall eines Einmarschs russischer Truppen in die Ukraine den Ausschluss Russlands aus SWIFT. Eine entsprechende Resolution wurde in namentlicher Abstimmung mit 579 zu 48 Stimmen angenommen – u. a. mit Zustimmung der Europaabgeordneten von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP. Daneben stehen Forderungen nach stärkeren, personenbezogenen Sanktionen, wie dem Einfrieren von Vermögenswerten und dem Entzug von Visa, sowie einem Importstopp für Öl und Gas. Der Tenor des Europäischen Parlaments ist eindeutig: Ein Angriffskrieg in Europa darf für den Aggressor nicht folgenlos bleiben. Effektive Gegenmaßnahmen sollen einerseits präventiven und andererseits punitiven Zwecken dienen. Die Präventivwirkung entsteht durch Abschreckung, die Punitivwirkung mit dem Ziel, einen Bruch der internationalen Rechtsordnung nicht tatenlos hinnehmen zu müssen. Doch wie könnte ein Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-Netzwerk erfolgen, und wie wirksam wäre ein solcher Schritt? SWIFT ist ein System zur Abwicklung von Kommunikation zwischen Banken, u. a. sicherer Zahlungsaufträge. Für den Verbraucher und für Unternehmen wird dies im Alltag bspw. durch die BIC-Nummern sichtbar, die eine eindeutige Identifizierung von Finanzinstitutionen ermöglichen. Die Gesellschaft ist keine staatliche Behörde, sondern eine belgische Genossenschaft mit Sitz in Brüssel – sie unterliegt belgischem und europäischem Recht. Im Aufsichtsrat halten europäische Großbanken eine qualifizierte Mehrheit. Als Aufsichtsorgan agieren zudem die Zentralbanken der G10-Länder. SWIFT kann als Sanktionsinstrument daher nur bei aktiver Mitwirkung der Europäer eingesetzt werden. Kurzfristig hätte ein Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System enorme disruptive Auswirkungen auf den internationalen Zahlungsverkehr mit dem Land. Ein Präzedenzfall hierfür liefert der Iran: Im Jahr 2012 wurden im Rahmen amerikanischer und europäischer Sanktionen gegen das Atomprogramm iranische Finanzinstitutionen aus dem Zahlungssystem ausgeschlossen. Die Rechtsgrundlage für den Ausschluss Irans war seinerzeit eine Verordnung des Rates der EU, die SWIFT zur Umsetzung der Sanktionen instruierte. In der Folge halbierten sich die Ölexporte des Landes, und der Außenhandel insgesamt sank um 30 %. Aufgrund einer tieferen Integration russischer Unternehmen in globale Wertschöpfungsketten dürfte der Effekt in Russland noch stärker sein. Ein Ausschluss von Russland aus SWIFT hätte jedoch nicht nur Verluste für die russische Volkswirtschaft, sondern auch für die EU und insbesondere für Deutschland zur Folge. Internationale Überweisungen aus und nach Russland wären zwar auch nach einem Ausschluss theoretisch weiterhin möglich, jedoch würde die praktische Abwicklung ohne die Infrastruktur und die Standards des SWIFT-Netzwerks erheblich erschwert. In der Konsequenz könnte dadurch der Warenhandel zwischen Russland und der EU unterbrochen werden. Das gilt auch für die Lieferungen von Gas mit Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland – schließlich stammen 55 % der Erdgasimporte hierzulande aus Russland. Bereits 2014 hat Russland begonnen, ein eigenes System zur Abwicklung von Zahlungen zu entwickeln, das System for Transfer of Financial Messages (SPFS). Diesem sind bisher jedoch kaum ausländische Banken beigetreten, und es ist unwahrscheinlich, dass es kurzfristige Schocks durch eine Unterbrechung des SWIFT-Zahlungsverkehrs auffangen kann. Mittelfristig könnte Russland jedoch ausländische Banken, die im Land tätig sind, zur Nutzung von SPFS verpflichten und so seine Unabhängigkeit von SWIFT steigern. Die Stellung von SWIFT als vorherrschendes globales Zahlungssystem würde durch eine zunehmende Politisierung langfristig Schaden nehmen. SWIFT ist also keineswegs ein sanktionspolitisches Wundermittel. Ein Ausschluss Russlands birgt volkswirtschaftliche Risiken und Nebenwirkungen, gerade auch für Deutschland. Dennoch ist er einer der wenigen verbliebenen, wirksamen Schritte, die seitens der EU ergriffen werden können, um für den Bruch des Völkerrechts einen Preis zahlen zu lassen. Ein Ausschluss Russlands sollte daher als Ultima Ratio im Falle einer Invasion der Ukraine erfolgen.

Abbildung 1

Prof. Dr. Sven Simon ist Inhaber des Lehrstuhls für Völkerrecht und Europarecht mit öffentlichem Recht an der Philipps-Universität Marburg und Mitglied des Europäischen Parlaments.

 
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