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RdZ 2023, 145
Sandner 

Brauchen wir einen digitalen Euro?

Um in der Welt der Zahlungsflüsse und im globalen Wettkampf der Währungen nicht ins Hintertreffen zu geraten, sind Europa und die EZB unter Zugzwang, ein Konzept für einen digitalen Euro vorzulegen.

Abbildung 1

Die Europäische Zentralbank (EZB) beschäftigt sich seit einiger Zeit mit der Idee, einen digitalen Euro herauszugeben. Doch trotz großen Interesses bestehen Bedenken hinsichtlich Datenschutz, Freiheitsrechten und potenziellen Auswirkungen auf den Bankensektor. Gleichzeitig darf Europa die Einführung einer eigenen digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency – CBDC) nicht verzögern, weil auch andere Länder an neuen Infrastrukturen für den Zahlungsverkehr arbeiten. Das Ziel eines digitalen Euro wäre nicht weniger als die Modernisierung des Finanzsystems der Eurozone, um so mit der sich schnell entwickelnden digitalen Wirtschaft Schritt zu halten.

Während andere große Währungen ihre Zahlungsinfrastrukturen modernisieren, darf Europa nicht zögern. Es besteht das Risiko, dass der Euro gegenüber anderen Währungen, insbesondere dem US-Dollar, ins Hintertreffen gerät. Dass der Euro den Dollar auch in digitaler Form nicht übertrumpfen wird, ist klar. Doch es geht auch um Europas strategische Interessen. Ein digitaler Euro würde geopolitische Vorteile bieten, da er Europa eine souveränere Zahlungsinfrastruktur verschafft. Doch die richtige Umsetzung ist entscheidend.

Es gibt bereits US-Dollar-Stablecoins von privaten Anbietern, die ein tägliches Handelsvolumen in zweistelliger Milliardenhöhe aufweisen. Diese machen zusammen über 95 % des Stablecoin-Markts aus. Ein digitaler Euro, sei er nun auch von einem privaten Anbieter oder aber von der EZB herausgegeben, könnte hier helfen, zusätzliche Anwendungsfälle zu bieten und dem Euro als globaler Währung zu mehr Präsenz in den Märkten zu verhelfen. Denn es muss im Interesse der Politik sein, dass der Euro auch als weltweites Zahlungsmittel attraktiv bleibt; gerade in einer Zeit immer weiter fortschreitender Digitalisierung. Euro-Stablecoins bieten dabei Vorteile, wie die grenzüberschreitende Nutzung und die Möglichkeit, für neuartige Anwendungsfälle, die durch die Blockchain-Technologie ermöglicht werden, eingesetzt zu werden.

Seit einiger Zeit arbeitet die EZB an einem Konzept für den digitalen Euro und hat Mitte Oktober auch beschlossen, weiterhin intensiv daran weiterzuarbeiten. Final beschlossen, den digitalen Euro einzuführen, hat sie aber noch nicht. Der digitale Euro würde sich in erster Linie an die Bürger richten und kann daher als Retail-Zentralbankgeld eingestuft werden. Die EZB will eine neuartige Zahlungsmethode anbieten, möchte aber, dass die bestehenden Banken administrative Aufgaben im Zusammenhang mit dem digitalen Euro übernehmen. Grundsätzlich will die EZB mit ihren Bemühungen um einen digitalen Euro also den etablierten Kreditkartenunternehmen Konkurrenz machen und möglicherweise auch eine Alternative im Markt der Kreditkartenanbieter schaffen. Generell könnte CBDC Vorteile bieten, neben niedrigeren Transaktionskosten auch eine verbesserte finanzielle Eingliederung in Prozesse.

Dies sind alles gute Gründe für die Einführung eines digitalen Euro. Doch so stichhaltig diese Argumente auch sind, für den Alltagsnutzer sind sie wenig relevant. Daher könnte es für die EZB eine Herausforderung sein, die europäischen Bürger von einem digitalen Euro zu überzeugen. Denn was kann der digitale Euro, was andere Zahlungsanbieter dem Durchschnittsverbraucher nicht bereits bieten? Bestehende Zahlungsmittel wie Kreditkarten, Apple Pay und Google Pay bieten Methoden, die sehr bequem sind und von Millionen von Menschen genutzt werden. Ist diese neue Zahlungsinfrastruktur also wirklich notwendig?

Neben diesen Überlegungen sorgen sich Verbraucher auch um den Datenschutz und ihre Privatsphäre. CBDC kann nur dann glaubwürdig mit seinen Vorteilen beworben werden, wenn es die Rechte der Bürger auf Privatsphäre und Freiheit wahrt. Da digitale Transaktionen naturgemäß Risiken für die Privatsphäre mit sich bringen, ist es wichtig, ein Gleichgewicht zwischen Privatsphäre und Sicherheit zu finden.

Die Einführung des digitalen Euro birgt also sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die EZB die Auswirkungen auf Privatsphäre, Bürgerrechte und das Bankensystem weiter analysiert. Europäische Institutionen und Gesellschaften sollten ihr Verständnis des “digitalen Euro” – sei er von der Zentralbank oder von Stablecoin-Anbietern ausgegeben – intensivieren, um die Konsequenzen und Chancen für das Finanzsystem und die Bürger zu begreifen.

Prof. Dr. Philipp Sandner leitet das Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance & Management.

 
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