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RdF 2023, 241
Wünnemann 

Wachstumsbremse Zinshöhenschranke

Die Zinshöhenschranke erschwert konzerninterne Finanzierungen und benachteiligt in Deutschland ansässige Unternehmen

Abbildung 1

Mit dem Wachstumschancengesetz (BT-Drs. 20/8628) soll künftig im Wege einer Zinshöhenschranke (§ 4l EStG) eine Beschränkung von konzerninternen Finanzierungen erfolgen. Hiermit wird eine Abzugsbeschränkung für Zinsaufwendungen an nahestehende Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG eingeführt; die Fremdkapitalaufnahme von Dritten bleibt durch diese Zinshöhenschranke jedoch unberührt. Die Vorschrift des § 4l EStG-E sieht vor, dass der Zinsabzug für den Teil der Schuldzinsen aus konzerninternen Finanzierungen versagt wird, die ein bestimmtes Zinsniveau überschreiten. Zinsaufwendungen sollen dann insoweit nicht abziehbar sein, als sie einen Höchstsatz überschreiten. Als Höchstsatz wird der um zwei Prozentpunkte erhöhte Basiszinssatz nach § 247 BGB, d. h. zurzeit 5,12 %, definiert. Die Unternehmen sind damit künftig gefordert, regelmäßig die Zinshöhe zu prüfen bzw. anzupassen. Um im Fall eines sinkenden Zinsumfelds das Risiko zu vermeiden, dass der Zinsabzug aufgrund der Zinshöhenschranke versagt wird, müssen entweder kurzfristige Darlehen mit entsprechender Laufzeit oder Darlehen mit flexiblem Zins vereinbart werden. Die Zinshöhenschranke soll erstmals für Zinsaufwendungen anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2023 entstehen. Sie gilt damit auch für bestehende Konzernfinanzierungen, wenn diese als Dauerschuldverhältnisse über den 31.12.2023 hinauslaufen.

Die Regelung soll dann nicht greifen, wenn der Darlehensgeber einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht (Substanzausnahme). Nach der Gesetzesbegründung werden daher von der Zinshöhenschranke insbesondere Fälle betroffen sein, bei denen die Finanzierung durch eine substanzlose Gesellschaft erfolgt. Sinngemäß gelten hier die Substanzanforderungen des § 8 Abs. 2 AStG.

Wenn die Zinshöhenschranke dem Grunde nach gilt, wird ein “Escape” durch die Möglichkeit eines Gegenbeweises eingeräumt. Damit kann der Nachweis geführt werden, dass der Gläubiger oder die oberste Muttergesellschaft das Kapital bei sonst gleichen Umständen nur zu einem über dem Höchstsatz liegenden Zinssatz hätten erhalten können. Die Zinshöhenschranke soll dann erst ab den tatsächlichen externen Refinanzierungskosten greifen, d. h. ab dem Zinssatz, der im günstigsten Fall hätte erzielt werden können. In der Praxis wirft dies jedoch erhebliche Probleme hinsichtlich der hiermit verbundenen Nachweispflichten auf, und es entstehen zahlreiche offene Fragen, in welchem Umfang und in welcher Art die Steuerpflichtigen und deren oberste Muttergesellschaft Fremdfinanzierungsmöglichkeiten bzw. -angebote einholen müssen, um den Gegenbeweis erfolgreich zu führen. Der Nachweis muss mit hohem Personalaufwand zugleich für mehrere Konzerneinheiten geführt werden, und ein Konzern hat häufig eine Vielzahl unterschiedlich hoher externer Refinanzierungskosten für die zahlreichen konkreten externen Mittelbeschaffungsmaßnahmen. Diese sind abhängig von den Fristen, Transaktionstypen oder Kapitalmärkten, und für das konkrete konzerninterne Darlehen scheitert die externe Referenz meist schon daran, dass diese Mittel nicht extern aufgenommen wurden. In Veranlagungs- und Betriebsprüfungsverfahren werden regelmäßig keine hypothetischen externen Transaktionen als Beleg akzeptiert, sondern nur tatsächliche, und die wird es dafür in aller Regel nicht geben.

Mit der Einführung einer Zinshöhenschranke wird die Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen erheblich erschwert. Im Ergebnis erfolgt eine Verschärfung für praktisch alle international operierenden Unternehmensgruppen, was zu einem Nachteil von in Deutschland ansässigen Unternehmen im internationalen Wettbewerb führt. Es ist höchst fraglich, ob diese Regelung mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit vereinbar ist und im Einklang mit den Regelungen des Art. 9 OECD-MA zur fremdüblichen Darlehensvergabe steht. Hieraus können Doppelbesteuerungseffekte eintreten, da der Zinsabzug begrenzt wird, auch wenn ein höherer Fremdfinanzierungszinssatz fremdüblich wäre. Zudem wird der Compliance- und Dokumentationsaufwand bei konzerninternen Finanzierungen erheblich erhöht, und die Einführung der Zinshöhenschranke ist keine “Wachstumschance”, sondern kontraproduktiv. Als Abwehrmaßnahme gegen Gewinnverlagerungen in das niedrig besteuerte Ausland sollte die Zinshöhenschranke zumindest nicht auf rein nationale Geschäftsbeziehungen angewandt werden. Zudem muss das Zusammenwirken der Zinshöhenschranke mit weiteren Zinsabzugsbeschränkungen geklärt werden und tatsächlich nur bei ausländischen Finanzierungsgesellschaften bzw. Konzerndarlehen greifen, die tatsächlich missbräuchlichen Charakter aufweisen.

Dr. Monika Wünnemann ist Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzpolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI).

 
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