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RdF 2012, I
Fahrenschon 

Vorschläge der EU-Kommission für eine europäische Bankenunion – ein großer Wurf?

In der Finanzkrise gilt es, Vertrauen zu stärken und die Stabilität im Finanzsektor zu erhöhen

Abbildung 1

Die Bewältigung der Finanzmarktkrise ist eine Aufgabe, die auch die Gesetzgeber vor große Herausforderungen stellt. Die Politik ringt hier auch auf europäischer Ebene um gute Lösungen. Oberstes Ziel muss aus unserer Sicht sein, Vertrauen zu stärken, die Stabilität im europäischen Finanzsektor zu erhöhen und Verantwortung speziell bei Großbanken einzufordern. Die Erwartung an den “großen Wurf“, der nun endlich für einen stabilen Finanzsektor sorgt, steigt. Mit ihren Vorschlägen für eine sog. europäische Bankenunion hat die EU-Kommission allerdings noch kein befriedigendes Konzept vorgelegt. Unter dem Stichwort Bankenunion werden drei Einzelmaßnahmen diskutiert, nämlich eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht, eine gemeinsame europäische Einlagensicherung und ein gemeinsamer europäischer Bankenrestrukturierungs- und -abwicklungsfonds.

Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in Europa künftig ein zweistufiges Aufsichtssystem brauchen. Zum einen könnte eine einheitliche europäische Aufsicht Sinn ergeben, die sich auf die Beaufsichtigung der größten europäischen systemrelevanten Kreditinstitute konzentriert. Dies wäre konsequent, weil von diesen Instituten, v. a. von denen, die als “too big to fail“ gelten, die größte Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems und damit für den europäischen Steuerzahler ausgeht. Die EZB wäre angesichts der bestehenden Herausforderungen am besten geeignet, diese Funktion zu erfüllen. Die besondere Expertise der EZB sowie ihre Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken innerhalb des Systems der europäischen Zentralbanken – auch über die Eurozone hinaus – bilden eine gute Voraussetzung für einen wirksamen europäischen Aufsichtsmechanismus. Dabei ist allerdings entscheidend, dass die geldpolitische Unabhängigkeit der EZB uneingeschränkt gewahrt bleibt. National oder regional tätige Kreditinstitute sollten dagegen weiterhin der nationalen Bankenaufsicht unterstehen. Es ist weder notwendig noch realistisch, dass die EZB die Aufsicht über alle 8400 Kreditinstitute in Europa wahrnehmen kann. Eine EU-weite Bankenaufsicht für alle europäischen Kreditinstitute wäre überdimensioniert und könnte nicht mehr nahe genug an den Marktrealitäten operieren, was gerade für regional tätige Institute äußerst wichtig ist.

Das Vertrauen der Menschen in den Finanzmarkt kann aber nur wiederhergestellt werden, wenn auch die Sparer ihre Einlagen sicher wissen. Die Sparkassen verfügen mit ihrer Institutssicherung über ein seit Jahrzehnten bewährtes System. Nicht umsonst verzeichneten die Sparkassen in der Hochzeit der Finanzkrise Mittelzuflüsse in Milliardenhöhe. Diese Entwicklung weist auf eine absolut wichtige Funktion einer Einlagensicherung hin: Sparer, die ihre Einlagen sicher wissen, stürmen nicht die Schalter, um ihr Erspartes abzuziehen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Sparer der Einlagen- bzw. Institutssicherung auch vertrauen. Eine gemeinsame europäische Einlagensicherung ist daher definitiv der falsche Weg. Sie würde das Vertrauen der Sparer genau in den Mitgliedstaaten schwächen, die über stabile Instituts- und Einlagensicherungssysteme verfügen.

Insgesamt halte ich nach dem Motto “Vorbeugen ist besser als heilen“ die Vorschläge der EU-Kommission zum Krisenmanagement grundsätzlich für sinnvoll. Es müssen aber auch Optionen geschaffen werden, dass krisenbehaftete Institute aus dem Markt ausscheiden können. Unangemessen ist aus unserer Sicht jedoch, einen gemeinsamen EU-weiten Abwicklungsfonds zu gründen und damit ein Transfersystem für Bankenrettungen bzw. Bankenpleiten einzuführen. Für inakzeptabel halte ich die Verknüpfung von Abwicklungsfonds und Einlagensicherungsfonds. Die Sparkassen verstehen sich als Schutzmacht der deutschen Sparer. Wir können nicht akzeptieren, dass deren Geld bei Schieflagen oder auch bei Abwicklungen ausländischer Großbanken eingesetzt wird. Die Sparkassen sind nicht bereit, mit ihrer vorsichtigen Geschäftspolitik für die risikoreichen Finanzausflüge ausländischer Wettbewerber zu haften. Staaten können untereinander solidarisch sein. Unternehmen sind Wettbewerber und können deshalb nicht füreinander einstehen.

Fazit: Die Bankenunion ist nicht der große Wurf zur Stabilisierung des Finanzmarktes, sondern beinhaltet durchaus auch destabilisierende Elemente. Daher ist es dringend geboten, in Ruhe und besonnen diese Vorschläge zu überdenken. Diese Zeit sollten wir uns nehmen. Eine “Hau-Ruck-Union“ ist deshalb keine Lösung.

Georg Fahrenschon, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV)

 
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