(Keine) Auswirkungen des BGH-Urteils zu AGB-Änderungen auf Finanzinstrumente?
Marktübliche, gegenständlich begrenzte Änderungsvorbehalte in Finanzinstrumenten bleiben auch nach dem BGH-Urteil zulässig.
Der BGH hat mit Urteil vom 27.4.2021 (XI Z R 26/20, BB 2021, 1488) die Unwirksamkeit formularmäßiger Zustimmungsfiktionen in den AGB-Banken festgestellt. Im Detail ging es um den in Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken vorgesehenen Mechanismus zur Änderung der Geschäftsbedingungen, der die Zustimmung des Kunden zu Änderungen fingiert, denen der Kunde innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe nicht widerspricht. Daneben betrifft das Urteil Nr. 12 Abs. 5 AGB-Banken zur Änderung von Entgelten für Bankdienstleistungen. Beide Klauseln halten nach Ansicht des BGH einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Bemängelt wurde vom BGH insbesondere, dass der Änderungsmechanismus in Nr. 1 Abs. 2 AGB-Banken sämtliche Aspekte der Geschäftsbeziehung erfasst und den Banken damit erlaubt, auf der Basis eines bloß informierten Schweigens der Kunden selbst Vertragsänderungen vorzunehmen, die das Äquivalenzverhältnis beträfen.
Soweit sich Anbieter von Finanzinstrumenten bei ihren Dienstleistungen auf die AGB-Banken stützen, sind sie wie die gesamte Bankenbranche unmittelbar von dem Urteil betroffen. Unklar ist, inwiefern der Änderungsmechanismus in begrenzter Form aufrechterhalten werden kann – insbesondere, soweit es um die Implementierung neuer gesetzlicher oder regulatorischer Anforderungen geht. Dafür spricht, dass die Verwender damit jedenfalls nicht in umfassender Weise in das Vertragsverhältnis eingreifen können.
Daneben stellt sich die Frage, ob das Urteil auch Auswirkungen auf die Bedingungswerke von Finanzinstrumenten selbst hat. Denn auch diese erlauben den Emittenten bisweilen, die Bedingungen zu ändern (vgl. hierzu u. a. Schaffelhuber, RdF 2013, 281; Schmidt/Schrader, BKR 2009, 397). Anleihebedingungen werden von der Rechtsprechung ungeachtet literarischer Kritik als allgemeine Geschäftsbedingungen betrachtet. Auch Klauseln, welche dem Emittenten Änderungen der Emissionsbedingungen erlauben, waren bereits Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. So urteilte der BGH 2009, dass eine Klausel unwirksam ist, die dem Emittenten die Änderung von Emissionsbedingungen zur Berichtigung offensichtlicher Irrtümer erlaubt (30.6.2009 – XI ZR 364/0, NJW-RR 2009, 1641). Im Gegensatz zu dem Änderungsmechanismus der AGB-Banken mit seiner Zustimmungsfiktion sehen Änderungsvorbehalte zwar eine einseitige Änderungsbefugnis des Emittenten vor, die an § 308 Nr. 4 BGB und damit der Frage zu messen ist, ob die Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. In Bezug auf die Zumutbarkeit bemängelte der BGH aber in seiner Entscheidung von 2009 in ähnlicher Weise wie nun auch in seiner Entscheidung zum Änderungsmechanismus der AGB-Banken die unbegrenzte Reichweite der Änderungsbefugnis, die den gesamten Inhalt und Umfang der Leistung der Emittentin betraf, einschließlich einer grundlegenden Veränderung des Äquivalenzverhältnisses. Im Hinblick auf Änderungsvorbehalte in Emissionsbedingungen ergibt sich daher bereits durch die BGH-Entscheidung von 2009, dass nur inhaltlich-gegenständlich begrenzte Änderungsvorbehalte, bei denen Gegenstand und Folge der Änderung absehbar sind, AGB-rechtlich zulässig sind. Derartige Änderungsvorbehalte, wie bspw. zur Schuldnerersetzung (Ersetzung der Emittentin unter ihrer Beibehaltung als Garantiegeber), zum Austausch von Zahlstellen oder Anpassungen, die z. B. bei strukturierten Produkten mit derivativer Komponente aufgrund von Änderungen bei dem Basiswert vorgenommen werden, sind im Hinblick auf die Zumutbarkeit hingegen weder mit der 2009 streitgegenständlichen Klausel vergleichbar, noch stehen ihnen die Wertungen der BGH-Entscheidung zu den AGB-Banken entgegen, denn sie laufen gerade nicht auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis hinaus, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können. Im Übrigen lässt sich auch der jüngeren Begründung zum Gesetz über die Einführung von elektronischen Wertpapieren (hier zu § 5 Abs. 2 eWpG) entnehmen, dass der Gesetzgeber derartige Änderungsmöglichkeiten für zulässig erachtet. Marktübliche, gegenständlich begrenzte Änderungsvorbehalte in Finanzinstrumenten bleiben vielmehr auch nach dem BGH-Urteil zur Unwirksamkeit des Änderungsmechanismus in den AGB-Banken zulässig.
Dr. Christian Schmies, RA, ist Partner bei Hengeler Mueller Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB.