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RdF 2014, 177
Löw 

IFRS 9 – Positive und negative Einflüsse von Lobbyarbeit

Komplexere Regeln zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten bei erschwerter Abschlussinterpretation

Abbildung 1

Das IASC kam 1997 zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten mit einem fachlich überzeugenden Diskussionspapier – auf Basis eines Full Fair Value Accounting. Offene finanzielle Risiken wären sichtbar geworden. Gleichwohl regte sich erheblicher Widerstand von Bankenseite. Spätestens seither ist die Finanzinstrumentebilanzierung umstritten. In der Finanzmarktkrise sollte dem Fair Value dann der Garaus gemacht werden. Gegner hofften, in die Zeit vor IAS 39 zurückzukehren. Damals waren kurzfristige Engagements zu Marktwerten, mittel- und langfristige Investitionen zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bilanzieren. Selbst EU-Politiker, die sich vorher nicht als Bilanzierungsexperten hervortaten, drohten dem IASB mit Verbot der Bilanzierung nach IFRS und Rückkehr zu europäischen Bilanzrichtlinien.

Unter diesem (Ein-)Druck beschloss der IASB, die Komplexität der Bilanzierung von Finanzinstrumenten zu reduzieren. Wegen eben dieser Komplexität wurde die Überarbeitung gleich auf drei Phasen aufgeteilt (quod erat demonstrandum).

Phase 1 begann mit einem Marketing-Gag: Aus fünf Kategorien wurden wie durch Zauberei nur noch zwei – eine solche zu fortgeführten Anschaffungskosten und eine erfolgswirksam zum Fair Value. So gerechnet hatte auch der alte Standard nur zwei Kategorien. Auf Ebene realer Abgrenzung gibt es derzeit fünf und wird es auch künftig fünf Kategorien geben: die standardmäßige Kategorie zu fortgeführten Anschaffungskosten, die Restkategorie erfolgswirksam zum Fair Value, die Wahlkategorie der Fair Value Option, die Ausnahmekategorie der erfolgsneutralen Fair-Value-Bilanzierung für bestimmte Eigenkapitalinstrumente (i. d. R. börsennotierte Aktien) sowie die Ergänzungskategorie der erfolgsneutralen Fair-Value-Bewertung für Schuldinstrumente unter bestimmten Voraussetzungen. Und es kommt eine neue Verknüpfung der Bilanzierung mit Geschäftsmodellen. Wer denkt, diese existierten nur auf Vorstandsebene, irrt. Als solches kann jedes noch so kleine Portfolio dienen, nur nicht ein einzelnes Finanzinstrument. Komplexitätsreduktion? Fehlanzeige. Zur Ehrenrettung des IASB gilt, dass die Vielfalt überwiegend auf Forderungen von Versicherungen zurückgeht. Der IASB beugt sich allzu sehr den Wünschen der Ersteller. Es mangelt an Stringenz, die Regeln lassen sich recht beliebig auslegen. Phase 1 als Meisterwerk von Lobbyarbeit – leider misslungen. Gäbe es nicht das Problem der Gesichtswahrung, wäre einzugestehen, dass IAS 39 bei den Kategorien vorzuziehen war.

Phase 2, ein Beispiel für gelungene Lobbyarbeit, beinhaltet Regelungen zu Wertminderungen. Am verwendeten Incurred Loss Model wurde zu Recht kritisiert, dass Verluste zu spät und in zu geringem Ausmaß erfasst wurden. Dem IASB hätte offen gestanden, die im Standard enumerierten objektiven Hinweise auf Wertminderung zu modifizieren und früher liegende Indikatoren zu finden. Er hat eine andere Konzeption gewählt, das Expected Credit Loss Model. Es bezieht erwartete Verluste frühzeitig mit ein. Die ersten Ideen waren theoretisch fundierter als die Endfassung, allerdings wenig operationalisierbar. Sinnvollerweise ließ sich der IASB davon überzeugen, pragmatischer vorzugehen. Banken werden bedauern, dass das Aufsichtsrecht weiterhin (deutlich) abweicht. Wünschenswert wäre gewesen, wenn der Baseler Ausschuss und der IASB in einem offiziellen gemeinsamen Projekt nach einer einheitlichen Lösung gesucht hätten.

Phase 3 zum Micro Hedge Accounting scheint sich als am wenigsten strittig herauszustellen. Zur größten Errungenschaft zählt, dass bei der Effektivitätsmessung die (viel zu) enge Bandbreite der Korrelation von 80 % zu 125 % in der Wertentwicklung von Derivat und Grundgeschäft gestrichen wurde. Künftig wird sich an einer aus dem Risikomanagement abgeleiteten Hedge Ratio orientiert. So wurde bei der Eins-zu-eins-Zuordnung die größte Kritik von Bilanzadressaten berücksichtigt. Es scheint, als könnten Unternehmen, die auf Micro-Basis absichern, damit leben.

Für die Portfoliosteuerung hat der IASB unlängst einen Diskussionsentwurf herausgebracht. Über die Kommentierung wird sich erweisen, ob Banken künftig bereit sind, offene Zinsrisiken transparent in Bilanz und GuV zu zeigen, oder es ihnen eher darum geht, GuV-Volatilitäten zu reduzieren und wenig aussagefähige geglättete Gewinne auszuweisen.

Prof. Dr. Edgar Löw, Professor für Rechnungslegung, Frankfurt School of Finance and Management

 
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