Eckpunktepapier Zukunftsfinanzierungsgesetz: zu kurz gesprungen?
Mehr Innovationen im Zukunftsfinanzierungsgesetz wären wünschenswert.
Deutschland steht an einem Wendepunkt: Wird es die Herausforderungen einer sich stark wandelnden Welt meistern und seine wirtschaftliche Position halten?
Das Zukunftsfinanzierungsgesetz scheint zur richtigen Zeit zu kommen. Es soll – so das Eckpunktepapier der Bundesministerien für Finanzen und Justiz – den Wohlstand in Deutschland durch die Förderung privater Investitionen vor dem Hintergrund sich dramatisch verändernder Bedingungen sichern. Der Anspruch lässt aufhorchen: Verbirgt sich hinter dem geplanten Gesetz der neue große Wurf der Bundesregierung – zumal von einem “umfassenden Ansatz” die Rede ist?
Naturgemäß sind Vorschläge zum Zeitpunkt eines Eckpunktepapiers (abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Finanzmarktpolitik/2022-06-29-eckpunkte-zukunftsfinanzierungsgesetz.html, Abruf: 30.9.2022) noch recht unspezifisch. Die Papiere stehen am Anfang des Gesetzgebungsprozesses. Sie legen politische Ideen und Zielsetzung fest.
So macht sich das Eckpunktepapier stark für den Abbau von Schriftformerfordernissen, die Entbürokratisierung und Modernisierung der Finanzmarktaufsicht sowie die Verbesserung der englischsprachigen Kommunikation mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) – alles Gesichtspunkte, die nicht erst in den letzten Monaten auf die Agenda kamen.
Auch an anderen Stellen findet sich “alter Wein in neuen Schläuchen”: Das Eckpunktepapier stellt eine Begrenzung der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) im institutionellen Bereich in den Raum – eine Thematik, die bereits im Rahmen des Brexit vertieft unter dem Stichwort Standortnachteile für Deutschland diskutiert wurde. Jetzt wird vorgeschlagen, die BaFin solle künftig Standardverträge im Finanzdienstleistungsbereich von der AGB-Kontrolle ausnehmen können.
Besonderen Fokus legt das Eckpunktepapier auf Börsengänge und eine Lockerung des Rechtsrahmens für Special Purpose Acquisition Companies (SPAC) sowie anderer, moderner Eigenkapital-Finanzierungsformen. Die Idee ist, dass Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ihre Leistungsfähigkeit in der Krise durch Aufnahme von Eigenkapital stärken sollen – in einer potenziellen Rezession keine auf den ersten Blick intuitive Maßnahme. Erleichterungen bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und eine Begrenzung der Satzungsstrenge werden erwogen (Mehrstimmrechtsaktien, Erleichterung des Bezugsrechteausschlusses, geringere Anforderungen an Kapitalerhöhungen). Die Ministerien argumentieren, Eigenkapitalinvestitionen böten Anlegern Inflationsschutz, und müssten daher nun im Vordergrund stehen; auf Volatilität, Rezessionsrisiken und ggf. eine fallende Nachfrage geht das Papier nicht ein.
Besonders schwer tut sich das Eckpunktepapier mit konkreten Vorschlägen im Bereich der klassischen Kapitalmarktregulierung. Dies liegt auch daran, dass dort der Handlungsspielraum durch EU-Vorgaben stark eingeschränkt ist. Einzig die Reduzierung des Mindestkapitals für Börsengänge von 1,25 Mio. Euro (§ 2 BörsZulV) auf 1 Mio. Euro wird konkret vorgeschlagen. In Anbetracht der Größe künftiger Herausforderungen überrascht es etwas, dass der Gesetzgeber eine derart marginale Anpassung hervorhebt.
Von einem Gesetz, das den Anspruch erhebt, den Wohlstand in Deutschland zu sichern, hätte man weitergehende, mehr strukturelle Vorschläge erwartet. Möglicherweise kommen diese jedoch im weiteren Gesetzgebungsverfahren. So spricht das Eckpunktepapier auch eine Modernisierung des Wertpapierrechts (elektronische Aktien) und die Schaffung eines rechtssicheren Rahmens zur Übertragung von Kryptowerten und Anpassungen im Abtretungsrecht an. Diese Bereiche können Breitenwirkung entfalten, wenn sich der Gesetzgeber der Thematik grundlegend annimmt. Lediglich das Gesetz über elektronische Wertpapiere auf Aktien zu erstrecken wird jedoch kaum eine Rezession verhindern.
Prof. Dr. Bernd Geier, LL.M. (Cambridge), RA/Solicitor (England & Wales), ist Partner bei Bryan Cave Leighton Paisner LLP in Frankfurt a. M. und Professor für Wirtschaftsrecht, Bank-/Kapitalmarktrecht sowie Regulierung an der der SRH Hochschule Heidelberg