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NUR 2013, 121
Korehnke 

Weichenstellungen für den Wettbewerb

Dr. Stephan Korehnke*

Die Bundesnetzagentur wird im ersten Halbjahr 2013 maßgebliche Weichenstellungen für den Wettbewerb im deutschen Telekommunikationssektor vornehmen. Im Festnetzbereich hat der Konsultationsentwurf in Sachen „Vectoring“ für erhebliches Aufsehen gesorgt. Wenngleich für den Kunden eine gute Sache, birgt die Technologie für den Wettbewerb Gefahren, weil im Falle der Erschließung eines Kabelverzweigers die Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitung ausgeschlossen wird. Zu Recht legt die Bundesnetzagentur Wert darauf, dass diese wettbewerbsschädlichen Effekte durch ein leistungsfähiges Bitstromangebot, das eine möglichst weitgehende Differenzierung zur Deutschen Telekom erlaubt (sog. „Layer 2“-Bitstrom), kompensiert werden. Dies könnte, wenn auch die Entgelte für den Bitstromzugang hinreichend wettbewerbliche Spielräume eröffnen, am Ende dringend benötigte Wettbewerbsimpulse im Festnetz und vor allem beim Fernsehen über das Internet-Protokoll (IP-TV) setzen. Andernfalls droht eine Marktstruktur, die langfristig bestenfalls von einem Duopol geprägt ist.

Was die Wettbewerbsintensität angeht, hinkt der Festnetzmarkt dem Mobilfunk noch immer weit hinterher. Im Mobilfunk konkurrieren vier bundesweite Infrastrukturen mit einer Vielzahl von virtuellen Netzbetreibern und Wiederverkäufern. Umso bedeutsamer ist es, dass die Wettbewerbsdynamik des Marktes und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen nicht untergraben werden. Die Bundesnetzagentur hat im November des vergangenen Jahres die Zustellungsentgelte im Mobilfunk halbiert und damit der Branche schätzungsweise eine halbe Milliarde Euro Umsatz pro Jahr entzogen. Diese regulatorisch angeordnete Umverteilung in Richtung Festnetz ist überraschend, schwächt sie doch den deutlich wettbewerbsintensiveren Sektor zulasten des in vielen Bereichen immer noch monopolistisch geprägten Festnetzmarktes. Zudem ist zu besorgen, dass die Entscheidung Konsolidierungstendenzen befördert.

Abbildung 1

Um eine nachhaltige Wettbewerbsstruktur im Mobilfunk zu erhalten, ist das weitere Vorgehen der Bundesnetzagentur in der Frequenzpolitik fundamental. Denn Frequenzen sind die Lebensadern des Mobilfunks. Im zweiten Quartal will die Bundesnetzagentur ihre Schlussfolgerungen für das weitere Verfahren bei den Ende 2016 auslaufenden GSM-Frequenznutzungsrechten veröffentlichen. Es bleibt zu hoffen, dass insoweit Maßnahmen vermieden werden, die einen weiteren Aderlass bei den Unternehmen zur Folge haben, weil sie Frequenzen, mit denen sie ihre heutigen Kunden bedienen, zurückersteigern müssten. Das Geld, das hier zu investieren wäre, stünde für den weiteren Ausbau der mobilen Breitbandnetze nicht zur Verfügung. Und das, obwohl das Datenwachstum im Mobilfunk explodiert. So schätzt z. B. Cisco eine Verdreizehnfachung des Datenverkehrs zwischen 2012 und 2017. Daher sollte die Bundesnetzagentur im Interesse von Wettbewerb und Kunden die Frequenzrechte verlängern, bis sie 2020 dem Markt mit weiterem freiwerdendem Spektrum zur Verfügung gestellt werden können. Mit einer klugen und langfristig angelegten Frequenzstrategie könnten so künstliche Knappheitssituationen und damit überhöhte Frequenzkosten vermieden werden.

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Leiter der Abteilung Regulierungsstrategie und -recht bei der Vodafone D2 GmbH. Das Editorial wurde Ende April 2013 verfasst.

 
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