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NUR 2024, 129
Koenig 

Happy Birthday, N&R … und ein Geburtstagswunsch

Prof. Dr. Christian Koenig*

Abbildung 1

Der größte Glückwunsch gebührt Andreas Neumann, der vor über 20 Jahren seinen – bei der Übernahme von „Orga-Angelegenheiten“ eher zurückhaltenden – Professor von der Mission überzeugte. Von Anfang an gesellte sich sein Freund und damaliger Institutkollege Alexander Koch in die kongeniale Schriftleitung, die beide mit Herz und regulierungsrechtlicher Seele eigenverantwortlich übernommen haben und bis heute rechtswissenschaftlich unabhängig leben.

Einer der geistigen Gründer war auch Jürgen Kühling, der mit seiner 2004 veröffentlichten Habilitationsschrift „Sektorspezifische Regulierung in den Netzwirtschaften“ das für die N&R prägende Leitmotiv – die Netzindustrien Energie, Telekommunikation, Gas, Wasser, Bahn und Post transzendierende Regulierungswissenschaft – intoniert hatte.

Das wirtschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein … gerade in der rauen Fachzeitschriftenbranche, wenn es darum geht, ein vermeintlich rechtswissenschaftliches Verlagsnischenprodukt im Markt zu behaupten. Deshalb wäre die N&R nicht das geworden, wofür sie heute steht, ohne Torsten Kutschke, den Gesamtverlagsleiter Fachmedien Recht und Wirtschaft. Sein Input und Esprit für die N&R, seine kreativen – wahrlich vernetzten – Verlags- und Veranstaltungsformate gehen weit über das hinaus, wofür ein Kaufmann steht … „keep on rolling“. Torsten Kutschke überlässt dabei der in der Schriftleitung verkörperten unabhängigen Regulierungswissenschaft allen Raum und verteidigt sie wie eine Löwenmutter auch vor industriellen Begierden.

Als die N&R das Licht der Welt erblickte, ging es noch vornehmlich darum, die aus rechtlichen (staatlichen) Monopolen entlassenen Netzindustrien, ihre auch danach weiter ausharrenden natürlichen Infrastrukturmonopole, ihre entfesselten vertikalen Wertschöpfungen und ihre Markthebelmacht der wettbewerbsstiftenden Regulierung zu unterwerfen. So standen die Zugangs- und Entgeltregulierung im Fokus. Erst langsam nahm sich die regulierungswissenschaftliche Literatur auch den – insbesondere jenseits des Atlantiks – im Schatten der Regulierung segelnden und auf gigantischen Daten- und sozialen wie wirtschaftlichen Netzeffekten gründenden Geschäftsmodellen mit ihren damals kaum vorstellbaren Marktbeherrschungspotentialen an. In jenen Jahren waren Autorinnen und Autoren, die Wahrnehmung der etablierten Unternehmen wie die ihrer Antipoden, der Zugangspetenten, insbesondere von der Zugangs- und Entgeltregulierung kontradiktorisch so vereinnahmt, dass sie gedanklich konditioniert kaum die Kreativität eines Silicon Valley zu ermessen vermochten, um damals wenig regulierten Geschäftsmodellen wie datenreichen plattformübergreifenden („Over The Top“-) Diensten oder Apps frühzeitig Paroli zu bieten. Fixiert auf die Regulierung und die ihr zugrundeliegenden netzindustriellen Geschäftsmodelle waren die Protagonisten in „Old School Europe“, paradoxerweise auch diejenigen, welche die Regulierung bekämpft haben.

Hierfür lassen sich viele Beispiele anführen, wie auch gegenwärtig wieder im Eisenbahnsektor, wo sich die bekannten Beharrungskräfte gegen eine proaktive (Ex-ante-) Regulierung zur Förderung eines wirksamen Wettbewerbs im Vertrieb internetbasierter multimodaler Mobilitätsdienstleistungen bisher hartnäckig behauptet haben. So ist ein (bisher fehlender) regulierter Zugang rein internetbasierter Mobilitätsdienstleister zu Prognosedaten des Schienenverkehrs in Echtzeit sowohl zentrale Funktionsbedingung für einen Wettbewerb auf Vertriebsebene als auch Katalysator für den Wettbewerb auf Beförderungsebene, da im Wettbewerb zum etablierten Unternehmen stehende Eisenbahnverkehrsunternehmen durch neuartige, von unabhängigen Anbietern betriebene wettbewerbliche Online-Mobilitätsplattformen ihre Reichweite erhöhen und neue Kunden gewinnen können. Neben der Einführung einer neuen Datenzugangsregulierung ist es erforderlich, eine flankierende informatorische sowie datenspezifische Entflechtungsregulierung in das Regelungsregime des ERegG zu implementieren. Denn Eisenbahnverkehrsunternehmen auf der Beförderungsebene sowie Betreiber von Eisenbahnanlagen auf der Netzebene verfügen über Informationen, deren bevorzugte Weitergabe innerhalb des vertikal integrierten Unternehmens wettbewerbsverzerrende Informationsvorsprünge der integrierten Mobilitätsdienstleister gegenüber den konkurrierenden (rein internetbasierten) Mobilitätsdienstleistern verursacht. Dies hat das BKartA in seinem Beschluss vom 26. Juni 2023 in der Sache „Deutsche Bahn“ (Az. B9-144/19) erkannt.

Um ein Forum für die regulatorischen Herausforderungen innovativer Netzwerke in der N&R zu stärken, sei hier ein Geburtstagswunsch adressiert: ein neues Blog, das denjenigen eine Plattform reserviert, die netzindustrielle „Sprunginnnovationen“ erkennen und dabei auch mal gegen den regulatorischen Mainstream denken und schreiben. So wie sich das kurzweilige „Zu guter Letzt …“ der N&R bewährt hat, könnte in Zukunft das Blog „Netzindustrielle Sprunginnnovationen … eine Regulierungsfrage?“ ein Forum für diese tollkühnen Köpfe bieten.

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Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) und Mitglied der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Geschäftsführender Herausgeber der N&R.

 
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