Ausbau der erneuerbaren Energien
Ulrich Kelber, MdB*
In acht Jahren werden die erneuerbaren Energien mehr als 40 % zum Strombedarf beitragen. Im Jahr 2030 sollen es nach dem SPD-Energiekonzept schon 75 % sein und wenige Jahre später wäre eine erneuerbare Vollversorgung erreicht. Zweifellos sind das ambitionierte, aber machbare Ziele – selbst wenn wir heute nicht einmal wissen, ob und wie wir die nächsten Windparks auf See („off shore“) rechtzeitig an das landseitige Netz anschließen können.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland war zehn Jahre lang eine einzige Erfolgsgeschichte. Jetzt befinden wir uns in einer schwierigen Phase: Der Netzausbau stockt, Windkraft an Land ist erwünscht – „but not in my backyard“, Solarstrom wird von interessierter Seite in Verruf gebracht und mit einer Sonderkürzung nach der anderen überzogen. Werbeagenturen verunsichern im Auftrag der „alten Energieversorger“ die Menschen mit Prognosen über Preisanstieg, Netzentgeltumlagen und drohende Stromausfälle („Blackouts“).
Ist die Euphorie schon im Jahr 1 nach Fukushima vorbei? Kommen wir in eine Phase des Stillstands – trotz der ambitionierten Ausbauziele? Ein zusätzliches Problem: Der internationale Klimaschutz kommt nicht voran. Ohne verbindliche Ziele im Klimaschutz fehlt vielen jedoch eine wesentliche Begründung für den schnellen und – niemand bestreitet das – investitionsschweren Ausbau der erneuerbaren Energien.
Diesem Defaitismus sollten wir entgegentreten. Denn über das Ende der Atomkraft in Deutschland bestehen wohl kaum noch Zweifel. Das gilt, wenn man genauer hinsieht, auch für das Ende der preiswerten fossilen Energie: Mineralöl wird ständig teurer. Erdgas ist durch sog. unkonventionelle Reserven zwar aktuell preiswert. Manche versprechen sich eine ähnliche Entwicklung auch beim unkonventionellen Erdöl. Aber dem steht der Energiehunger aufstrebender Staaten und die Zunahme der Weltbevölkerung entgegen. Und wer nun auf die Kohle verweist, der übersieht, dass der Preis vom jeweils teuersten Kraftwerk gesetzt wird. Kohle mag günstig sein – mit Kohle erzeugter Strom wird es nicht sein, ganz abgesehen von den enormen Umweltproblemen. Unkonventionelles Öl und Gas ebenso wie die Vorkommen im Permafrost oder der Tiefsee haben alle eines gemeinsam: Die Förderkosten sind immens und nicht mit den Beträgen vergleichbar, die für heute geförderte Energie anfallen.
Das Zeitalter der erneuerbaren Energien ist also nicht auf Gedeih und Verderb an den Klimaschutz gebunden: Energie ist und bleibt auch bei vermeintlich auskömmlichen fossilen Reserven faktisch knapp. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist eine ökonomische Lebensversicherung gegen steigende Energiepreise, da erneuerbare Energien immer preiswerter werden und teure fossile Energie verdrängen.
Unkonventionelle Vorkommen fossiler Energieträger sind mit erheblichen Risiken und Folgen verbunden: Mineralöl aus Teersand muss energieintensiv produziert werden, hinterlässt Seen mit giftigem Abwasser und verwüstet ganze Landstriche. Öl oder Gas aus der Tiefsee oder der Arktis birgt nicht sicher beherrschte Risiken für Tier und Umwelt. Beim sog. „Fracking“ zur Gewinnung von Schiefergas kennen wir die Langzeitfolgen nicht, so dass die Förderung vorsorglich zumindest in den Gebieten untersagt werden soll, in denen Trinkwasser gewonnen wird oder die für den Wasserhaushalt bedeutend sind.
Es führt kein Weg daran vorbei: Wer zukünftig eine gesicherte und saubere Energieversorgung zu akzeptablen Preisen möchte, der muss heute den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen. Aufgeschobene Kosten sind eben nicht aufgehoben – sie kommen doppelt teuer zurück.
* | Stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied der dortigen Arbeitsgruppe Energie. |