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30.09.2003
: Niederlassungsfreiheit: Eintragung der Zweitniederlassung einer in anderem Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft darf nicht von nationalen Gründungsvoraussetzungen für Mindestkapital und Haftung abhängig gemacht werden - »Inspire Art«

Aus den Gründen(1) Das Kantongerecht Amsterdam hat mit Beschluss vom 5. 2. 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 19. 4. 2001, gemäß Art. 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Art. 43 EG, 46 EG und 48 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.(2) Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der niederländischen Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam (Handels- und Industriekammer Amsterdam, im Folgenden: Handelskammer) und der Gesellschaft englischen Rechts Inspire Art Ltd (im Folgenden: Inspire Art) wegen der nach der Wet op de formeel buitenlandse vennootschappen (Gesetz über formal ausländische Gesellschaften) vom 17. 12. 1997 (Staatsblad 1997, Nr. 697, im Folgenden: WFBV) bestehenden Verpflichtung der niederländischen Zweigniederlassung der Inspire Art, ihre Eintragung im niederländischen Handelsregister mit dem Zusatz »formeel buitenlandse vennootschap« (formal ausländische Gesellschaft) versehen zu lassen und diese Bezeichnung im Geschäftsverkehr zu führen.Rechtlicher RahmenGemeinschaftsregelung(3) Art. 43 Abs. 1 EG lautet:»Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats sind ... verboten. Das Gleiche gilt für Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansässig sind.«(4) Art. 48 EG erstreckt das Niederlassungsrecht unter denselben Bedingungen, wie sie für natürliche Personen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind, vorgesehen sind, auf »die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptver-waltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben«.(5) Art. 46 EG erlaubt den Mitgliedstaaten, die Niederlassungsfreiheit von Ausländern durch den Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu beschränken, soweit diese »aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind«.(6) Zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit sieht Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG vor, dass der Rat der Europäischen Union Richtlinien erlassen kann mit dem Ziel, »soweit erforderlich die Schutzbestimmungen [zu] koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 48 Abs. 2 im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten«.(7) Der Rat hat dementsprechend auf dieser Grundlage verschiedene Richtlinien erlassen (im Folgenden: Richtlinien über das Gesellschaftsrecht), darunter die folgenden Richtlinien, um die es im Ausgangsverfahren geht.(8) Die Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. 3. 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8, im Folgenden: Erste Richtlinie), gilt für Kapitalgesellschaften. Sie sieht drei Maßnahmen zum Schutz Dritter vor, die mit diesen Gesellschaften Geschäfte abschließen: die Anlegung einer Akte, die eine Reihe zwingender Angaben enthält und für jede Gesellschaft beim örtlich zuständigen Handelsregister geführt wird, die Harmonisierung der nationalen Vorschriften über die Wirksamkeit der im Namen einer Gesellschaft (einschließlich von in Gründung befindlichen Gesellschaften) eingegangenen Verpflichtungen und darüber, unter welchen Voraussetzungen Mängel oder Beschränkungen der Vertretungsbefugnis Dritten entgegengesetzt werden können, sowie die Erstellung eines abschließenden Verzeichnisses der Fälle, in denen Gesellschaften nichtig sind.(9) Die Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. 12. 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1977, L 26, S. 1, im Folgenden: Zweite Richtlinie), bestimmt die in der Satzung oder dem Errichtungsakt von Aktiengesellschaften zu machenden Angaben und das erforderliche Mindestkapital derartiger Gesellschaften und enthält harmonisierte Vorschriften über Einlagen, die Einzahlung und den Nennbetrag von Aktien sowie die Ausschüttung von Dividenden an die Aktionäre.(10) Die Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. 7. 1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11, im Folgenden: Vierte Richtlinie) gilt für Kapitalgesellschaften. Sie harmonisiert die nationalen Vorschriften über Aufstellung, Inhalt, Gliederung und Offenlegung der Jahresabschlüsse von Unternehmen.(11) Die Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. 6. 1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 Buchst. g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (ABl. L 193, S. 1, im Folgenden: Siebente Richtlinie) verfolgt hinsichtlich der Aufstellung konsolidierter Abschlüsse dasselbe Ziel wie die Vierte Richtlinie.(12) Die Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. 12. 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen (ABl. L 395, S. 36, im Folgenden: Elfte Richtlinie), betrifft die Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften.(13) Nach ihrer dritten Begründungserwägung wurde die Elfte Richtlinie mit Rücksicht auf den Umstand erlassen, dass »[d]ie Errichtung einer Zweigniederlassung ... neben der Gründung einer Tochtergesellschaft eine der Möglichkeiten [ist], die derzeit einer Gesellschaft zur Ausübung des Niederlassungsrechts in einem anderen Mitgliedstaat zur Verfügung stehen«.(14) In der vierten Begründungserwägung der Elften Richtlinie heißt es: »Das Fehlen einer Koordinierung für die Zweigniederlassungen, insbesondere im Bereich der Offenlegung, hat im Hinblick auf den Schutz von Gesellschaftern und Dritten zu Unterschieden geführt zwischen den Gesellschaften, welche sich in anderen Mitgliedstaaten durch die Errichtung von Zweigniederlassungen betätigen, und den Gesellschaften, die dies durch die Gründung von Tochtergesellschaften tun.(15) Nach der fünften Begründungserwägung der Elften Richtlinie »[können] [s]olche Unterschiede in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ... die Ausübung des Niederlassungsrechts stören und sind deshalb unter anderem zur Sicherung der Ausübung dieses Rechts zu beseitigen«.(16) Nach ihrer zwölften Begründungserwägung berührt die Elfte Richtlinie nicht die Informationspflichten, denen die Zweigniederlassungen aufgrund anderer Vorschriften unterliegen, wie z. B. im Sozialrecht in Bezug auf das Informationsrecht der Arbeitnehmer, im Steuerrecht oder im Hinblick auf statistische Angaben.(17) Art. 2 Abs. 1 der Elften Richtlinie enthält eine Auflistung der Angaben, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Zweigniederlassung ansässig ist, offen zu legen sind. Es handelt sich um folgende Angaben:»a) die Anschrift der Zweigniederlassung;b) die Tätigkeit der Zweigniederlassung;c) das Register, bei dem die in Art. 3 der Richtlinie 68/151/EWG bezeichnete Akte für die Gesellschaft angelegt worden ist, und die Nr. der Eintragung in dieses Register;d) die Firma und die Rechtsform der Gesellschaft sowie die Firma der Zweigniederlassung, sofern diese nicht mit der Firma der Gesellschaft übereinstimmt;e) die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien derjenigen, die befugt sind, die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten, und zwar- als gesetzlich vorgeschriebenes Organ der Gesellschaft oder als Mitglied eines solchen Organs gemäß der Offenlegung, die nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d) der Richtlinie 68/151/EWG bei der Gesellschaft erfolgt,- als ständige Vertreter der Gesellschaft für die Tätigkeit der Zweigniederlassung, unter Angabe ihrer Befugnisse;f) - die Auflösung der Gesellschaft, die Bestellung, die Personalien und die Befugnisse der Liquidatoren sowie den Abschluss der Liquidation gemäß der Offenlegung, die nach Art. 2 Abs. 1 Buchstaben h), j) und k) der Richtlinie 68/151/EWG bei der Gesellschaft erfolgt,- ein die Gesellschaft betreffendes Konkursverfahren, Vergleichsverfahren oder ähnliches Verfahren;g) die Unterlagen der Rechnungslegung gemäß Art. 3;h) die Aufhebung der Zweigniederlassung.«(18) Nach Art. 2 Abs. 2 der Elften Richtlinie kann der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung ergänzend dazu verpflichten, Folgendes offen zu legen:»a) eine Unterschrift der in Abs. 1 Buchstaben e) und f) des vorliegenden Artikels bezeichneten Personen;b) [den] Errichtungsakt und, sofern diese Gegenstand eines gesonderten Aktes gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchstaben a), b) und c) der Richtlinie 68/151/EWG ist, die Satzung sowie Änderungen dieser Unterlagen;c) eine Bescheinigung aus dem in Abs. 1 Buchst. c) des vorliegenden Art. genannten Register in Bezug auf das Bestehen der Gesellschaft;d) Angaben über die Sicherheiten, bei denen Vermögenswerte der Gesellschaft belastet werden, die sich in diesem Mitgliedstaat befinden, sofern diese Offenlegung sich auf die Gültigkeit solcher Sicherheiten bezieht.«(19) Nach Art. 4 der Elften Richtlinie kann der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung u. a. hinsichtlich der Offenlegung nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie die Verwendung einer anderen Amtssprache der Gemeinschaft und eine beglaubigte Übersetzung der offen gelegten Unterlagen vorschreiben.(20) Nach Art. 6 der Elften Richtlinie schreiben die Mitgliedstaaten vor, dass auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen, die von der Zweigniederlassung benutzt werden, außer den in Art. 4 der Ersten Richtlinie verlangten Angaben das Register, bei dem die Akte für die Zweigniederlassung angelegt worden ist, und die Nr. der Eintragung in dieses Register anzugeben sind.(21) Schließlich müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 12 der Elften Richtlinie geeignete Maßregeln für den Fall androhen, dass die Offenlegungspflichten, die die Richtlinie für Zweigniederlassungen im Aufnahmestaat vorsieht, nicht beachtet werden.Nationale Regelung(22) Art. 1 WFBV definiert die »formal ausländische Gesellschaft« als »eine nach einem anderen als dem niederländischen Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausübt und daneben keine tatsächliche Bindung an den Staat hat, in dem das Recht gilt, nach dem sie gegründet wurde«.(23) Die Art. 2 bis 5 WFBV erlegen den formal ausländischen Gesellschaften verschiedenen Pflichten auf, die ihre Eintragung in das Handelsregister, die Angabe der Eigenschaft als formal ausländische Gesellschaft auf von ihnen herrührenden Schriftstücken, das Mindestkapital sowie die Erstellung, Gestaltung und Offenlegung der Jahresabschlüsse und -berichte betreffen. Die WFBV droht ferner Sanktionen für den Fall der Nichtbeachtung dieser Bestimmungen an.(24) Im Einzelnen verpflichtet Art. 2 WFBV eine Gesellschaft, die der Definition einer formal ausländischen Gesellschaft entspricht, sich als solche in das Handelsregister des Aufnahmestaats eintragen zu lassen. Ferner ist dort eine in niederländischer, französischer, deutscher oder englischer Sprache abgefasste, öffentlich oder von einem Geschäftsführer beglaubigte Abschrift des Errichtungsakts und, wenn diese in einer getrennten Urkunde enthalten ist, der Satzung zu hinterlegen. Außerdem müssen in diesem Register das Datum der ersten Eintragung dieser Gesellschaft, das nationale Register, in dem sie eingetragen ist, und die Nr. der Eintragung sowie bei Einmanngesellschaften bestimmte Informationen über den Alleingesellschafter angegeben werden.(25) Art. 4 Abs. 4 WFBV sieht vor, dass die Geschäftsführer neben der Gesellschaft als Gesamtschuldner für die während ihrer Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen haften, solange die Verpflichtung zur Eintragung in das Handelsregister nicht erfüllt ist.(26) Nach Art. 3 WFBV müssen alle Schriftstücke und Mitteilungen, in denen eine formal ausländische Gesellschaft erscheint oder die von ihr herrühren, mit Ausnahme von Telegrammen und Werbung, den vollständigen Namen der Gesellschaft, ihre Rechtsform, ihren satzungsmäßigen Sitz, den Ort der Hauptniederlassung sowie die Eintragungsnummer, das Datum der ersten Eintragung und das Register angeben, in dem sie nach dem für sie geltenden Recht eingetragen sein muss. Weiter schreibt dieser Art. die Angabe vor, dass die Gesellschaft eine formal ausländische Gesellschaft ist, und untersagt, in Schriftstücken oder Mitteilungen wahrheitswidrig anzudeuten, dass das Unternehmen zu einer niederländischen juristischen Person gehört.(27) Nach Art. 4 Abs. 1 WFBV muss sich das gezeichnete Kapital einer formal ausländischen Gesellschaft mindestens auf den Betrag des Mindestkapitals belaufen, das in Art. 178 des Zweiten Buches des Burgerlijk Wetboek (niederländisches Bürgerliches Gesetzbuch, im Folgenden: BW) für niederländische Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgeschrieben ist und am 1. 9. 2000 18 000 Euro betrug (Staatsblad 2000, Nr. 322). Das Eigenkapital muss sich mindestens auf das Mindestkapital belaufen (Art. 4 Abs. 2 WFBV, der auf Art. 178 des Zweiten Buches des BW verweist). Damit geprüft werden kann, ob die formal ausländische Gesellschaft diese Voraussetzungen erfüllt, muss eine Erklärung eines Wirtschaftsprüfers beim Handelsregister hinterlegt werden (Art. 4 Abs. 3 WFBV).(28) Solange die Voraussetzungen bezüglich des Kapitals nicht erfüllt sind, haften die Geschäftsführer neben der Gesellschaft als Gesamtschuldner für alle während ihrer Geschäftsführung vorgenommenen Rechtshandlungen, durch die die Gesellschaft verpflichtet wird. Die Geschäftsführer einer formal ausländischen Gesellschaft haften auch dann als Gesamtschuldner für Handlungen der Gesellschaft, wenn das eingezahlte gezeichnete Kapital unter den erforderlichen Mindestbetrag sinkt, nachdem es ursprünglich die Voraussetzung bezüglich des Mindestkapitals erfüllt hatte. Die gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer besteht nur, solange die Gesellschaft eine formal ausländische Gesellschaft ist (Art. 4 Abs. 4 WFBV).(29) Nach Art. 4 Abs. 5 WFBV gelten jedoch die Bestimmungen über das Mindestkapital nicht für Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) unterliegen und auf die die Zweite Richtlinie Anwendung findet.(30) Nach Art. 5 Abs. 1 und 2 WFBV müssen die Geschäftsführer formal ausländischer Gesellschaften Bücher führen und diese sieben Jahre aufbewahren. Sie müssen jedes Jahr einen Jahresabschluss und einen Jahresbericht erstellen. Diese Dokumente müssen durch Hinterlegung beim Handelsregister offen gelegt werden und die Voraussetzungen von Titel 9 des Zweiten Buches des BW erfüllen, damit gewährleistet ist, dass sie den Jahresabschlüssen und -berichten niederländischer Gesellschaften entsprechen.(31) Die Geschäftsführer müssen darüber hinaus vor dem 1. 4. jedes Jahres beim Handelsregister einen Nachweis der Eintragung in das Register hinterlegen, das in dem für die Gesellschaft geltenden Recht bezeichnet ist (Art. 5 Abs. 4 WFBV). Nach Art. 7 WFBV stehen Personen, die mit der laufenden Verwaltung der Gesellschaft betraut sind, für die Zwecke der Anwendung der WFBV den Geschäftsführern gleich.(32) Die Art. 249 und 260 des Zweiten Buches des BW gelten für formal ausländische Gesellschaften entsprechend. Nach diesen Vorschriften haften die Geschäftsführer und die Prüfer als Gesamtschuldner für Schäden, die Dritten aus der Veröffentlichung irreführender Jahresabschlüsse oder -berichte oder Zwischenzahlen entstehen.(33) Nach Art. 5 Abs. 3 WFBV gelten jedoch die nach Art. 5 Abs. 1 und 2 WFBV bestehenden Verpflichtungen hinsichtlich der Buchführung und der Jahresabschlüsse und -berichte nicht für Gesellschaften, die dem Recht eines Mitgliedstaats oder eines EWR-Staats unterliegen und unter die Vierte und die Siebente Richtlinie fallen.Ausgangsverfahren und Vorlagefragen(34) Die Inspire Art wurde am 28. 7. 2000 als »private company limited by shares« (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) englischen Rechts mit Sitz in Folkestone (Vereinigtes Königreich)gegründet. Ihr einziger Geschäftsführer (»director«), wohnhaft in Den Haag (Niederlande), ist befugt, allein und selbstständig im Namen der Gesellschaft zu handeln. Die Gesellschaft, die unter der Firma »Inspire Art Ltd« im Verkauf von Kunstgegenständen tätig ist, nahm ihre Geschäfte am 17. 8. 2000 auf und hat eine Zweigniederlassung in Amsterdam.(35) Die Inspire Art ist im Handelsregister der Handelskammer Amsterdam ohne den Zusatz eingetragen, dass es sich um eine formal ausländische Gesellschaft im Sinne von Art. 1 WFBV handelt.(36) Die Handelskammer hielt diesen Zusatz für erforderlich, da die Inspire Art ihre Geschäftstätigkeit nur in den Niederlanden ausübe, und beantragte deshalb am 30. 10. 2000 beim Kantongerecht Amsterdam, anzuordnen, dass die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister durch den Vermerk »formal ausländische Gesellschaft« gemäß Art. 1 WFBV vervollständigt wird, ist, was weitere gesetzliche Verpflichtungen nach sich ziehen würde, die in den Rdnrn. 22 bis 33 des vorliegenden Urteils dargestellt sind.(37) Die Inspire Art machte geltend, dass sie die Voraussetzungen des Art. 1 WFBV nicht erfülle und dass ihre Eintragung deshalb vollständig sei. Für den Fall, dass das Kantongerecht Amsterdam entscheiden sollte, dass sie die Voraussetzungen erfülle, trug sie hilfsweise vor, dass die WFBV gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, insbesondere gegen die Art. 43 EG und 48 EG.(38) Das Kantongerecht Amsterdam stellte in seinem Beschluss vom 5. 2. 2001 fest, dass die Inspire Art eine formal ausländische Gesellschaft im Sinne von Art. 1 WFBV sei.(39) Was die Vereinbarkeit der WFBV mit dem Gemeinschaftsrecht angeht, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:1. Sind die Art. 43 EG und 48 EG so auszulegen, dass sie den Niederlanden untersagen, aufgrund der WFBV zusätzliche Vorschriften wie die Art. 2 bis 5 dieses Gesetzes für die Errichtung einer niederländischen Zweigniederlassung einer Gesellschaft zu erlassen, die in der alleinigen Absicht im Vereinigten Königreich errichtet worden ist, bestimmte Vorteile zu erlangen, die sich im Verhältnis zu einer Unternehmung ergeben, die nach niederländischem Recht errichtet worden ist, das für die Errichtung und die Volleinzahlung strengere Bestimmungen enthält als das Recht des Vereinigten Königreichs, wobei das niederländische Gesetz die genannte Absicht aus der Tatsache herleitet, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit vollständig oder nahezu vollständig in den Niederlanden ausübt und daneben keine tatsächliche Bindung an den Staat hat, in dem das Recht gilt, nach dem sie errichtet worden ist?2. Muss, wenn die Auslegung dieser Art. ergibt, dass die Regelung in der WFBV mit ihnen unvereinbar ist, Art. 46 EG in der Weise ausgelegt werden, dass die Art. 43 EG und 48 EG die Anwendbarkeit der niederländischen Regelung in der WFBV nicht beeinträchtigen, weil diese Regelung Vorschriften enthält, die aus den vom niederländischen Gesetzgeber genannten Gründen gerechtfertigt sind?Vorbemerkungen(40) Die Handelskammer, die niederländische Regierung und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sind der Auffassung, dass das nationale Gericht die Vorlagefragen zu weit gefasst habe. Da das Ausgangsverfahren nur die Eintragung einer Gesellschaft in das Handelsregister betreffe, müsse der Gerichtshof seine Prüfung auf diejenigen nationalen Vorschriften beschränken, die sich auf diese Frage bezögen.(41) Sie schlagen dem Gerichtshof deshalb vor, die Art. 3 und 6 WFBV sowie Teile der Art. 2, 4 und 5 WFBV (und zwar Art. 2 Abs. 1 a. E. und 2, Art. 4 Abs. 1, 2, 4 und 5 sowie Art. 5 Abs. 1 und 2) von seiner Prüfung auszunehmen.(42) Nach ständiger Rechtsprechung ist das in Art. 234 EG vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten (vgl. zu dieser Frage insbesondere Urteil vom 16. 7. 1992 in der Rechtssache C-343/90, Lourenço Dias, Slg. 1992, I-4673, Rdnr. 14).(43)-(48) ...(49) Zwar steht im Mittelpunkt des Ausgangsrechtsstreits die Frage, ob die Inspire Art als formal ausländische Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen ist, doch sind mit dieser Eintragung automatisch und untrennbar eine Reihe von Rechtsfolgen verbunden, die in den Art. 2 bis 5 WFBV vorgesehen sind.(50) Das nationale Gericht vertritt deshalb die Auffassung, dass sich die Frage der Vereinbarkeit mit den Art. 43 EG, 46 EG und 48 EG insbesondere hinsichtlich bestimmter in den Art. 2 bis 5 WFBV vorgesehener Verpflichtungen stelle, und zwar hinsichtlich der Verpflichtung zur Eintragung als formal ausländische Gesellschaft, der Verpflichtung zur Angabe dieser Eigenschaft auf allen von der Gesellschaft herrührenden Schriftstücken, des erforderlichen Mindestkapitals und der persönlichen Haftung der Geschäftsführer als Gesamtschuldner in dem Fall, dass das Stammkapital nicht oder nicht mehr den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestkapitalbetrag erreicht.(51) Um dem nationalen Gericht eine zweckdienliche Antwort im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung zu geben, sind folglich alle diese Bestimmungen im Hinblick auf die im EG-Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit und die Richtlinien über das Gesellschaftsrecht zu prüfen.Zu den Vorlagefragen(52) Mit den Vorlagefragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das nationale Gericht im Wesentlichen wissen,- ob die Art. 43 EG und 48 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der WFBV entgegenstehen, die die Errichtung einer Zweitniederlassung einer Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat von zusätzlichen Voraussetzungen wie denen der Art. 2 bis 5 WFBV abhängig macht, wenn die Gesellschaft in der alleinigen Absicht in einem anderen Mitgliedstaat gegründet wurde, bestimmte Vorteile zu erlangen, die sich im Verhältnis zu Gesellschaften ergeben, die nach dem Recht des Mitgliedstaats der Niederlassung gegründet wurden, das für die Gründung von Gesellschaften und die Einzahlung der Aktien strengere Voraussetzungen enthält als das Recht des Mitgliedstaats der Gründung;- ob der Umstand, dass die Regelung des Mitgliedstaats der Niederlassung die vorstehend genannte Absicht daraus herleitet, dass die Gesellschaft ihre Tätigkeit ausschließlich oder nahezu ausschließlich im letztgenannten Mitgliedstaat ausübt und keine tatsächliche Bindung an den Staat hat, nach dessen Recht sie gegründet wurde, die Beurteilung dieser Frage durch den Gerichtshof ändert;- ob bei Bejahung der einen oder der anderen Frage eine nationale Regelung wie die WFBV nach Art. 46 EG oder aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.(53) Erstens ist festzustellen, dass der in den Vorabentscheidungsfragen genannte Art. 5 Abs. 1 und 2 WFBV die Erstellung und Hinterlegung der Jahresabschlüsse formal ausländischer Gesellschaften betrifft. Nach Art. 5 Abs. 3 WFBV gelten die in Art. 5 Abs. 1 und 2 vorgesehenen Verpflichtungen jedoch nicht für Gesellschaften, die dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegen und auf die u. a. die Vierte Richtlinie Anwendung findet. Die Inspire Art wird von dieser Ausnahme erfasst, da sie dem englischen Recht unterliegt und in den persönlichen Anwendungsbereich der Vierten Richtlinie fällt.(54) Die Vereinbarkeit einer Vorschrift wie des Art. 5 WFBV mit dem Gemeinschaftsrecht ist daher vom Gerichtshof nicht mehr zu prüfen.(55) Zweitens fallen mehrere Bestimmungen der WFBV unter die Elfte Richtlinie, da diese die Offenlegung von Zweigniederlassungen betrifft, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften errichtet wurden, die von der Ersten Richtlinie erfasst werden und dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegen.(56) Insoweit ist zunächst entsprechend dem Vortrag der Kommission festzustellen, dass einige der nach der WFBV bestehenden Verpflichtungen die in der Elften Richtlinie vorgesehenen Offenlegungsmaßnahmen in innerstaatliches Recht umsetzen.(57) Im Einzelnen handelt es sich um die Verpflichtungen zur Angabe der Eintragung in einem ausländischen Handelsregister und der Nummer, unter der die Gesellschaft in diesem Register eingetragen ist, im Handelsregister des Aufnahmestaats (Art. 2 Abs. 1 WFBV und Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Elften Richtlinie), zur Hinterlegung einer in niederländischer, französischer, englischer oder deutscher Sprache abgefassten beglaubigten Abschrift des Errichtungsakts und der Satzung (Art. 2 Abs. 1 WFBV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. b und 4 der Elften Richtlinie) sowie zur alljährlichen Hinterlegung einer Bescheinigung der Eintragung im ausländischen Handelsregister beim Handelsregister des Aufnahmestaats (Art. 5 Abs. 4 WFBV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der Elften Richtlinie).(58) Diese Bestimmungen, deren Vereinbarkeit mit der Elften Richtlinie nicht in Frage gestellt worden ist, können nicht als Behinderung der Niederlassungsfreiheit angesehen werden.(59) Allerdings hat die Vereinbarkeit der verschiedenen in Rdnr. 57 des vorliegenden Urteils genannten Offenlegungsmaßnahmen mit der Elften Richtlinie nicht automatisch zur Folge, dass die Sanktionen, die die WFBV an das Unterlassen dieser Maßnahmen knüpft, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.(60) Art. 4 Abs. 4 WFBV sieht vor, dass die Geschäftsführer neben der Gesellschaft persönlich als Gesamtschuldner für die während ihrer Geschäftsführung im Namen der Gesellschaft vorgenommenen Rechtshandlungen haften, solange die Verpflichtungen zur Offenlegung im Handelsregister nicht erfüllt sind.(61) Art. 12 der Elften Richtlinie verpflichtet zwar die Mitgliedstaaten, geeignete Maßregeln für den Fall anzudrohen, dass die erforderliche Offenlegung der Zweigniederlassungen im Aufnahmestaat unterbleibt.(62) Insoweit ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts für den Fall ihrer Verletzung keine eigene Sanktionsbestimmung enthält oder insoweit auf die nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verweist, nach Art. 10 EG verpflichtet sind, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Dabei müssen die Mitgliedstaaten, denen allerdings die Wahl der Sanktion verbleibt, namentlich darauf achten, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nach ähnlichen sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden wie nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht, wobei die Sanktion jedenfalls wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein muss (Urteile vom 21. 9. 1989 in der Rechtssache 68/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 2965, Rdnrn. 23 und 24, vom 10. 7. 1990 in der Rechtssache C-326/88, Hansen, Slg. 1990, I-2911, Rdnr. 17, vom 26. 10. 1995 in der Rechtssache C-36/94, Siesse, Slg. 1995, I-3573, Rdnr. 20, und vom 27. 2. 1997 in der Rechtssache C-177/95, Ebony Maritime und Loten Navigation, Slg. 1997, I-1111, Rdnr. 35).(63) Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, festzustellen, ob die in Art. 4 Abs. 4 WFBV angedrohte Sanktion diesen Anforderungen genügt und ob sie formal ausländische Gesellschaften im Fall einer Verletzung der in Rdnr. 56 des vorliegenden Urteils genannten Offenlegungspflichten nicht gegenüber niederländischen Gesellschaften benachteiligt.(64) Sollte das vorlegende Gericht zu dem Schluss gelangen, dass Art. 4 Abs. 4 WFBV formal ausländische Gesellschaften anders behandelt als inländische Gesellschaften, wäre festzustellen, dass diese Bestimmung gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt.(65) Nicht in Art. 2 der Elften Richtlinie aufgeführt sind dagegen die übrigen Offenlegungspflichten nach der WFBV, d. h. die Angabe im Handelsregister, dass es sich um eine formal ausländische Gesellschaft handelt (Art. 1 und 2 Abs. 1 WFBV), die Angabe des Datums der ersten Eintragung im ausländischen Handelsregister und der Informationen über den Alleingesellschafter im Handelsregister des Aufnahmestaats (Art. 2 Abs. 1 WFBV) sowie die zwingende Hinterlegung einer Erklärung von Wirtschaftsprüfern, dass die Gesellschaft die Voraussetzungen bezüglich des gezeichneten und eingezahlten Mindestkapitals und des Eigenkapitals erfüllt (Art. 4 Abs. 3 WFBV). Ebenso wenig wird in Art. 6 der Elften Richtlinie die Angabe der Eigenschaft »formal ausländische Gesellschaft« auf allen von dieser herrührenden Schriftstücken (Art. 3 WFBV) erwähnt.(66) Bezüglich dieser Verpflichtungen ist deshalb zu prüfen, ob die durch die Elfte Richtlinie, insbesondere durch die Art. 2 und 6, herbeigeführte Harmonisierung abschließend ist.(67) Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Elfte Richtlinie auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 3 Buchst. g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 44 Abs. 2 Buchst. g EG) erlassen wurde, der vorsieht, dass der Rat und die Kommission die ihnen aufgrund dieses Art. übertragenen Aufgaben erfüllen, indem sie, »soweit erforderlich, die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 [EG-Vertrag] im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten«.(68) Des Weiteren geht aus der vierten und der fünften Begründungserwägung der Elften Richtlinie hervor, dass die Unterschiede, die in den nationalen Rechtsvorschriften für Zweigniederlassungen insbesondere im Bereich der Offenlegung bestehen, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit stören können und deshalb zu beseitigen sind.(69) Daraus folgt, dass unbeschadet der für Zweigniederlassungen bestehenden sozialrechtlichen, steuerrechtlichen und statistischen Informationspflichten die durch die Elfte Richtlinie herbeigeführte Harmonisierung der Offenlegung solcher Niederlassungen abschließend ist, da sie nur so ihren Zweck erfüllen kann.(70) Hervorzuheben ist ferner, dass Art. 2 Abs. 1 der Elften Richtlinie erschöpfend formuliert ist. Darüber hinaus enthält Abs. 2 dieses Art. eine Aufzählung fakultativer Offenlegungsmaßnahmen für Zweigniederlassungen, was nur dann einen Sinn ergibt, wenn die Mitgliedstaaten keine anderen Offenlegungsmaßnahmen für Zweigniederlassungen als die in der Elften Richtlinie genannten vorsehen können.(71) Die verschiedenen Offenlegungsmaßnahmen der WFBV, die in Rdnr. 65 des vorliegenden Urteils genannt sind, verstoßen folglich gegen die Elfte Richtlinie.(72) Insoweit ist demnach festzustellen, dass Art. 2 der Elften Richtlinie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der WFBV entgegensteht, die Zweigniederlassungen einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft Offenlegungspflichten auferlegt, die nicht in der Elften Richtlinie vorgesehen sind.(73) Drittens fallen mehrere Bestimmungen der WFBV nicht unter die Elfte Richtlinie. Es handelt sich um die Vorschriften über das erforderliche Mindestkapital zum Zeitpunkt der Eintragung und während des Bestehens der formal ausländischen Gesellschaft sowie um die Vorschriften über die an die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus der WFBV geknüpfte Sanktion, nämlich die gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführerneben der Gesellschaft (Art. 4 Abs. 1 und 2 WFBV). Diese Bestimmungen sind daher am Maßstab der Art. 43 EG und 48 EG zu prüfen.Zum Bestehen einer Behinderung der NiederlassungsfreiheitBeim Gerichtshof eingereichte Erklärungen(74) Nach Auffassung der Handelskammer sowie der niederländischen, der deutschen, der italienischen und der österreichischen Regierung stehen die Art. 43 EG und 48 EG der Anwendung von Bestimmungen wie denen der WFBV nicht entgegen.(75) Zunächst beträfen die Vorschriften der WFBV weder die Gründung von Gesellschaften nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats noch ihre Eintragung (und damit ihre Anerkennung). Die Wirksamkeit der Gründung werde anerkannt und die Eintragung der Gesellschaften nicht verweigert, so dass die Niederlassungsfreiheit nicht in Frage gestellt sei.(76) Die Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil vom 9. 3. 1999 in der Rechtssache C-212/97 (Centros, Slg. 1999, I-1459) seien deshalb im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie nur Vorschriften beträfen, die die Eintragung ausländischer Gesellschaften regelten, nicht aber das Recht der Mitgliedstaaten berührten, Voraussetzungen für die Ausübung bestimmter gewerblicher Tätigkeiten aufzustellen.(77) Die niederländische Regierung macht geltend, dass in den Niederlanden für Gesellschaften, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet worden seien und ihre Tätigkeit in den Niederlanden ausübten oder ausüben wollten, eine sehr liberale Gründungsregelung gelte. Nach dem betreffenden Grundsatz, wie er in Art. 2 der Wet conflictenrecht corporaties (Gesetz mit Kollisionsnormen für Körperschaften) vom 17. 12. 1997 formuliert sei, unterliege eine »Körperschaft, die aufgrund ihres Gründungsvertrags oder ihres Gründungsakts zum Zeitpunkt der Gründung ihren Sitz oder, in Ermangelung dessen, den Schwerpunkt ihres Auftretens nach außen im Gebiet des Staates hat, nach dessen Recht sie gegründet worden ist, dem Recht dieses Staates«.(78) Die Existenz von Gesellschaften, die wirksam nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründet worden seien, werde ohne weitere Formalitäten in den Niederlanden anerkannt. Diese Gesellschaften unterlägen dem Recht des Gründungsstaats; es sei grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob die betreffende Gesellschaft dort eine Tätigkeit entfalte.(79) In der Praxis habe sich jedoch herausgestellt, dass diese sehr großzügige Regelung zunehmend dazu geführt habe, dass ausländische Gesellschaften zu Zwecken gegründet worden seien, die der niederländische Gesetzgeber weder beabsichtigt noch auch nur vorhergesehen habe. Immer häufiger würden Gesellschaften, die ihre Tätigkeit hauptsächlich oder sogar ausschließlich auf dem niederländischen Markt entfalteten, im Ausland gegründet, um den zwingenden Verpflichtungen des niederländischen Gesellschaftsrechts zu entgehen.(80) Angesichts dieser Entwicklung enthalte Art. 6 der Wet conflictenrecht corporaties eine beschränkte Ausnahme von dieser liberalen Regelung, indem er bestimme, dass dieses Gesetz die Vorschriften der WFBV unberührt lasse.(81) Weiter führen die Handelskammer sowie die niederländische, die deutsche, die italienische und die österreichische Regierung aus, dass die Vorschriften der WFBV nicht die Niederlassungsfreiheit beträfen, sondern lediglich für Kapitalgesellschaften, die nach einem anderen als dem niederländischen Recht gegründet worden seien, eine begrenzte Zahl zusätzlicher Voraussetzungen für die Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit und die Verwaltung der Gesellschaft vorsähen, damit sichergestellt sei, dass Dritte eindeutige Kenntnis davon erhielten, dass Gesellschaften wie die Inspire Art formal ausländische Gesellschaften seien, und darüber hinaus - aufgrund der Hinterlegung bestimmter Urkunden und Erklärungen - bei Geschäften mit diesen Gesellschaften dieselben Sicherheiten hätten wie bei niederländischen Gesellschaften.(82) Diese Voraussetzungen seien nicht diskriminierend, da sie ihre Entsprechung in den zwingenden Vorschriften des niederländischen Gesellschaftsrechts hätten, die für in den Niederlanden gegründete Gesellschaften mit beschränkter Haftung gälten. Darüber hinaus dienten diese Voraussetzungen, die sowohl von niederländischen Gesellschaften als auch von formal ausländischen Gesellschaften zu erfüllen seien, dem Schutz nichtwirtschaftlicher, auf Gemeinschaftsebene anerkannter Interessen im Rahmen des Verbraucher- und des Gläubigerschutzes.(83) Die Handelskammer sowie die niederländische, die deutsche und die österreichische Regierung machen geltend, dass die WFBV nach internationalem Privatrecht anwendbar sei, und verweisen auf das Urteil vom 27. 9. 1988 in der Rechtssache 81/87 (Daily Mail and General Trust, Slg. 1988, 5483) und die einschlägige Rechtsprechung. Der Gerichtshof habe in dieser Rechtssache entschieden, dass die Art. 43 EG und 48 EG den Mitgliedstaaten nicht untersagten, selbst zu bestimmen, worin die Anknüpfung an ihre nationale Rechtsordnung bei einer Gesellschaft bestehe. Diese Artikel hinderten folglich die Mitgliedstaaten nicht, auf der Grundlage des internationalen Privatrechts Vorschriften zu erlassen, die für Gesellschaften gälten, die zum Teil unter das niederländische Recht fielen. In diesem Zusammenhang stelle die WFBV nur zusätzlich zur Anknüpfung an den Ort der Gründung und der Eintragung auf den Ort ab, an dem die Gesellschaft ihre Tätigkeit entfalte.(84) Die deutsche und die österreichische Regierung tragen in grundsätzlicher Hinsicht außerdem vor, dass der Zweck der Art. 43 EG und 48 EG, was das Recht zur Gründung einer Zweigniederlassung angehe, darin liege, Unternehmen, die in einem Mitgliedstaat eine Tätigkeit entfalteten, die Expansion in einen anderen Mitgliedstaat zu ermöglichen, was in Bezug auf Briefkastengesellschaften nicht zutreffe.(85) Die deutsche und die österreichische Regierung werfen die Frage auf, ob im Fall formal ausländischer Gesellschaften Zweigniederlassungen nicht vielmehr als Hauptniederlassungen zu beurteilen seien und ob nicht auf sie die Grundsätze der primären Niederlassungsfreiheit anzuwenden seien. Aus derselben Sicht macht die italienische Regierung geltend, dass der Umstand, dass eine in einem Mitgliedstaat gegründete Gesellschaft dort niemals eine Tätigkeit entfaltet habe, ausschließe, dass sie als Zweigniederlassung angesehen werden könne, wenn sie ihre geschäftliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübe [...].(86) Schließlich tragen die niederländische, die deutsche und die italienische Regierung vor, dass der Gerichtshof anerkannt habe, dass ein Mitgliedstaat berechtigt sei, Maßnahmen zu treffen, die verhindern sollten, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Ausnutzung der durch den EG-Vertrag geschaffenen Möglichkeiten in missbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts entzögen und sich missbräuchlich oder betrügerisch auf Gemeinschaftsrecht berufen könnten (Urteil Centros, Rdnr. 24, und die dort zitierte Rechtsprechung). Ob eine missbräuchliche Ausnutzung vorliege, sei insbesondere unter Beachtung der Ziele der fraglichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen (Urteil vom 2. 5. 1996 in der Rechtssache C-206/94, Paletta, Slg. 1996, I-2357, Rdnr. 25).(87) Die genannten Regierungen machen geltend, dass nach den Urteilen vom 10. 7. 1986 in der Rechtssache 79/85 (Segers, Slg. 1986, 2375, Rdnr. 16) und Centros (Rdnr. 29) der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat gegründet worden sei, ihre gesamte Tätigkeit aber durch eine in einem anderen Mitgliedstaat errichtete Zweigniederlassung ausübe, nicht genüge, um den Beteiligten unter Berufung auf einen Missbrauch, eine Täuschung und/oder eine nicht hinnehmbare Umgehung der nationalen Gesetze das Recht auf freie Niederlassung abzusprechen.(88) Im vorliegenden Fall verweigere die WFBV jedoch weder die Anerkennung einer nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft noch hindere sie an der Eintragung der Zweigniederlassung, sondern sie sehe lediglich eine Reihe beschränkter präventiver Verpflichtungen und eine repressive Kontrolle für den Fall vor, dass sich eine Gesellschaft den zwingenden Vorschriften des Gesellschaftsrechts entziehe, die in dem Mitgliedstaat gälten, in dem sie ihre gesamte Tätigkeit ausübe.(89) Gehe wie im Ausgangsverfahren eine Gesellschaft über die bloße Ausübung des Rechts auf freie Niederlassung hinaus und diene ihre Gründung in einem anderen Mitgliedstaat dazu, sich sämtlichen Vorschriften zu entziehen, die für die Gründung und den Betrieb von Gesellschaften in dem Mitgliedstaat gälten, in dem sie ihre gesamte Tätigkeit ausübe, würde es folglich zu einer nicht hinnehmbaren Umgehung der nationalen Rechtsvorschriften führen, wenn dieser Gesellschaft die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit erlaubt würde. Der Erlass von Bestimmungen wie derjenigen der WFBV sei daher nach dem derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts gerechtfertigt.(90)-(94) ... [Stellungnahmen von Inspire Art, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission].Antwort des Gerichtshofes(95) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass es für die Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ohne Bedeutung ist, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten Mitgliedstaat niederzulassen, in dem die Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt werden soll (Urteile Segers, Rdnr. 16, und Centros, Rdnr. 17). Die Gründe, aus denen eine Gesellschaft in einem bestimmten Mitgliedstaat errichtet wird, sind nämlich, sieht man vom Fall des Betruges ab, für die Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit irrelevant (Urteil Centros, Rdnr. 18).(96) Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften zu kommen, keinen Missbrauch darstellt, und zwar auch dann nicht, wenn die betreffende Gesellschaft ihre Tätigkeiten hauptsächlich oder ausschließlich in diesem zweiten Staat ausübt (Urteile Segers, Rdnr. 16, und Centros, Rdnr. 18).(97) Hieraus folgt, dass diese Gesellschaften das Recht haben, ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Zweigniederlassung auszuüben, wobei ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung, ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu dient, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Mitgliedstaats zu bestimmen (Urteile vom 28. 1. 1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Rdnr. 18, Segers, Rdnr. 13, und Centros, Rdnr. 20).(98) Somit schließt im Ausgangsverfahren der Umstand, dass die Inspire Art im Vereinigten Königreich gegründet wurde, um die Vorschriften des niederländischen Gesellschaftsrechts zu umgehen, das u. a. bezüglich des Mindestkapitals und der Einzahlung der Aktien strengere Voraussetzungen enthält, nicht aus, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung dieser Gesellschaft in den Niederlanden unter die Niederlassungsfreiheit nach den Art. 43 EG und 48 EG fällt. Wie der Gerichtshof im Urteil Centros entschieden hat (Rdnr. 18), ist die Frage der Anwendung dieser Art. eine andere als die, ob ein Mitgliedstaat Maßnahmen ergreifen kann, um zu verhindern, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Ausnutzung der durch den EG-Vertrag geschaffenen Möglichkeiten in missbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts entziehen.(99) Dem Vorbringen, dass die WFBV keineswegs die Niederlassungsfreiheit beeinträchtige, da ausländische Gesellschaften in den Niederlanden uneingeschränkt anerkannt würden, ihre Eintragung in das niederländische Handelsregister nicht verweigert werde und die WFBV nur eine Reihe zusätzlicher, administrativer Verpflichtungen enthalte, kann nicht gefolgt werden.(100) Die WFBV hat nämlich zur Folge, dass die Vorschriften des niederländischen Gesellschaftsrechts über das Mindestkapital und die Haftung der Geschäftsführer zwingend auf ausländische Gesellschaften wie die Inspire Art angewandt werden, wenn sie ihre Tätigkeiten ausschließlich oder nahezu ausschließlich in den Niederlanden ausüben.(101) Die Gründung einer Zweigniederlassung in den Niederlanden durch eine derartige Gesellschaft unterliegt somit bestimmten Vorschriften, die in diesem Staat für die Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, die die Zweigniederlassung einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft dazu verpflichtet, die Vorschriften des Niederlassungsstaats über das Stammkapital und die Haftung der Geschäftsführer zu beachten, führt dazu, dass die Ausübung der vom Vertrag anerkannten Niederlassungsfreiheit durch diese Gesellschaften behindert wird.(102) Schließlich ist das aus dem Urteil Daily Mail and General Trust hergeleitete Vorbringen zu prüfen, dass die Mitgliedstaaten weiterhin das auf eine Gesellschaft anwendbare Recht bestimmen könnten, da die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit nicht zu einer Harmonisierung des internationalen Privatrechts der Mitgliedstaaten geführt hätten. Die Mitgliedstaaten blieben insoweit befugt, gegen »Briefkastengesellschaften« vorzugehen; um eine solche handele es sich im vorliegenden Fall mangels tatsächlicher Bindung an den Gründungsstaat.(103) Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil Daily Mail and General Trust anders als das Ausgangsverfahren die Beziehungen zwischen einer Gesellschaft und dem Mitgliedstaat, nach dessen Recht sie gegründet worden war, in dem Fall betrifft, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz unter Wahrung der ihr in ihrem Gründungsstaat zuerkannten Rechtspersönlichkeit in einen anderen Mitgliedstaat verlegen will. Im Ausgangsverfahren fragt das vorliegende Gericht den Gerichtshof danach, ob auf eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurde, die Rechtsvorschriften des Staates anwendbar sind, in dem sie sich tatsächlich betätigt (in diesem Sinne Urteil vom 5. 11. 2002 in der Rechtssache C-208/00, Überseering, Slg. 2002, I-9919, Rdnr. 62).(104) Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Bestimmungen der WFBV über das Mindestkapital (sowohl zum Zeitpunkt der Gründung als auch während des Bestehens der Gesellschaft) und über die Haftung der Geschäftsführer Beschränkungen der in den Art. 43 EG und 48 EG garantierten Niederlassungsfreiheit darstellen.(105) Folglich ist festzustellen, dass die Art. 43 EG und 48 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der WFBV entgegenstehen, die die Ausübung der Freiheit zur Errichtung einer Zweitniederlassung in diesem Staat durch eine nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft von bestimmten Voraussetzungen abhängig macht, die im innerstaatlichen Recht für die Gründung von Gesellschaften bezüglich des Mindestkapitals und der Haftung der Geschäftsführer vorgesehen sind. Die Gründe, aus denen die Gesellschaft in dem anderen Mitgliedstaat errichtet wurde, sowie der Umstand, dass sie ihre Tätigkeit ausschließlich oder nahezu ausschließlich im Mitgliedstaat der Niederlassung ausübt, nehmen ihr nicht das Recht, sich auf die durch den Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit zu berufen, es sei denn, im konkreten Fall wird ein Missbrauch nachgewiesen.Zum Vorliegen von Rechtfertigungsgründen(106) Zunächst ist daran zu erinnern, dass die Bestimmungen der WFBV über die Offenlegung, die gegen die Elfte Richtlinie verstoßen (siehe Rdnrn. 71 und 72 des vorliegenden Urteils),nicht gerechtfertigt werden können. Im Folgenden werden daher nur die Bestimmungen der WFBV über das Mindestkapital und die Haftung der Geschäftsführer geprüft.(107) Da diese Vorschriften eine Behinderung der Niederlassungsfreiheit darstellen, ist zu prüfen, ob sie aus einem der in Art. 46 EG genannten Gründe oder, falls keiner dieser Gründe vorliegt, aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein können.Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen(108) Nach Ansicht der Handelskammer sowie der niederländischen, der deutschen und der österreichischen Regierung sind die Bestimmungen der WFBV sowohl nach Art. 46 EG als auch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt.(109) Die WFBV diene nämlich der Bekämpfung von Betrügereien, dem Schutz der Gläubiger, der Gewährleistung der Wirksamkeit von Steuerkontrollen und der Lauterkeit des Handelsverkehrs. Diese Ziele seien vom Gerichtshof als Rechtfertigungsgründe anerkannt worden.(110) Die Bestimmung in Art. 4 WFBV über das Mindestkapital, seine Einzahlung und seine Erhaltung diene dem Schutz der Gläubiger und Dritter. Die Bedeutung des Mindestkapitals sei in Art. 6 der Zweiten Richtlinie ausdrücklich anerkannt. Die Vorschriften über das Mindestkapital bezweckten vor allem, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gesellschaften zu stärken und auf diese Weise einen besseren Schutz privater und öffentlicher Gläubiger zu gewährleisten. Sie dienten allgemein dazu, die Gläubiger vor der Gefahr einer missbräuchlichen Insolvenz infolge der Gründung von Gesellschaften zu schützen, die von Anfang an nicht mit ausreichendem Kapital ausgestattet seien.(111) Die gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer ist nach Auffassung der niederländischen Regierung eine angemessene Sanktion für den Fall, dass die Bestimmungen der WFBV nicht beachtet werden. Die Mitgliedstaaten verfügten in Ermangelung gemeinschaftlicher Harmonisierungsmaßnahmen bei der Festsetzung der Sanktionen für die Nichtbeachtung ihrer nationalen Vorschriften über ein weites Ermessen (Urteil vom 9. 12. 1997 in der Rechtssache C-265/95, Kommission/Frankreich, Slg. 1997, I-6959, Rdnr. 33). Die genannte Sanktion sei gewählt worden, damit dieselbe Vorschrift Anwendung finde, die auch für die Geschäftsführer niederländischer Gesellschaften gelte. Die Sanktion sei im Gemeinschaftsrecht auch nicht unbekannt, wie durch Art. 51 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. 10. 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (ABl. L 294, S. 1) bestätigt werde.(112) Da die Geschäftsführer für den reibungslosen Ablauf der Geschäfte der Gesellschaft verantwortlich seien, liege es außerdem nahe, dass sie hafteten, wenn die Gesellschaft die Bestimmungen der WFBV nicht beachte.(113) Schließlich erlaube Art. 4 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie den Mitgliedstaaten, geeignete Vorschriften über die Haftung für von der Gesellschaft oder für deren Rechnung eingegangene Verbindlichkeiten für den Fall zu erlassen, dass die Gesellschaft nicht auflösbar sei.(114) Die Handelskammer ergänzt, dass die Bestimmungen der WFBV nicht diskriminierend seien. Sie führten vielmehr dazu, dass auf ausländische Gesellschaften die für Gesellschaften niederländischen Rechts geltenden Vorschriften angewandt würden.(115) Die niederländische Regierung macht geltend, dass die Bestimmungen der WFBV über das Mindestkapital und die Haftung der Geschäftsführer geeignet seien, das verfolgte Ziel zu erreichen. Sie betont insoweit, dass diese Frage nur unter Berücksichtigung des Hauptanliegens der WFBV beurteilt werden könne, nämlich des Kampfes gegen die missbräuchliche Gründung ausländischer Gesellschaften und die missbräuchliche Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit.(116) Die österreichische Regierung weist ferner darauf hin, dass die Vorschriften über das Mindestkapital ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel seien, wie es im Gemeinschaftsrecht anerkannt sei. So habe für Aktiengesellschaften die Zweite Richtlinie selbst die Höhe des Mindestkapitals festgelegt. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung gebe es zwar keine vergleichbare Vorschrift. Mit Ausnahme Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland gebe es aber in allen Mitgliedstaaten Vorschriften über das Mindestkapital, das diese Gesellschaften garantieren müssten. Im Gegensatz zur persönlichen Haftung der Gesellschafter, die im Fall eines Konkurses oftmals keinerlei Nutzen zeitige, biete das Stammkapital größere Sicherheit.(117) Nach Auffassung der Handelskammer gehen die Maßnahmen nicht über das zur Erreichung des verfolgten Zieles Erforderliche hinaus. Die Nichterfüllung der Verpflichtungen aus der WFBV führe nicht dazu, dass die Anerkennung der ausländischen Gesellschaft verweigert werde, sondern nur dazu, dass die Geschäftsführer als Gesamtschuldner hafteten. Dass eine Gesellschaft nicht oder nicht mehr den Vorschriften über das Mindestkapital entspreche, sei ein klares Indiz dafür, dass die Gefahr eines Missbrauchs oder eines Betruges bestehe, wenn die Gesellschaft darüber hinaus keine echte Bindung an den Gründungsstaat aufweise.(118)-(130) ... [Stellungnahmen von Inspire Art, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission].Antwort des Gerichtshofes(131) Zunächst ist festzustellen, dass sich keines der Argumente, die die niederländische Regierung zur Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung vorgebracht hat, auf Art. 46 EG bezieht.(132) Zu prüfen ist daher, ob die von der niederländischen Regierung vorgebrachten Rechtfertigungsgründe, d. h. der Gläubigerschutz, die Bekämpfung einer missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit, die Erhaltung der Wirksamkeit der Steuerkontrollen und die Lauterkeit des Handelsverkehrs, zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen.(133) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den EG-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, gerechtfertigt, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. die Urteile vom 31. 3. 1993 in der Rechtssache C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Rdnr. 32, vom 30. 11. 1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Rdnr. 37, und Centros, Rdnr. 34).(134) Folglich ist zu prüfen, ob Bestimmungen über das Mindestkapital wie die des Ausgangsverfahrens diese Voraussetzungen erfüllen.(135) Erstens ist zum Gläubigerschutz ohne weitere Prüfung, ob die Vorschriften über das Mindestkapital als solche einen geeigneten Schutzmechanismus bilden, festzustellen, dass die Inspire Art als Gesellschaft englischen Rechts und nicht als niederländische Gesellschaft auftritt. Ihre potenziellen Gläubiger sind hinreichend darüber unterrichtet, dass sie anderen Rechtsvorschriften als denen unterliegt, die in den Niederlanden die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung regeln, u. a., was die Vorschriften über das Mindestkapital und die Haftung der Geschäftsführer betrifft. Wie der Gerichtshof in Rdnr. 36 des Urteils Centros ausgeführt hat, können sich die Gläubigerferner auf bestimmte gemeinschaftsrechtliche Schutzregelungen wie die Vierte und die Elfte Richtlinie berufen.(136) Zweitens ist bezüglich der Bekämpfung der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit daran zu erinnern, dass ein Mitgliedstaat berechtigt ist, Maßnahmen zu treffen, die verhindern sollen, dass sich einige seiner Staatsangehörigen unter Ausnutzung der durch den Vertrag geschaffenen Möglichkeiten in missbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts entziehen; die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht ist nicht gestattet (Urteil Centros, Rdnr. 24 und die dort zitierte Rechtsprechung).(137) Im vorliegenden Fall wurde aber mit der Gründung der Inspire Art nach dem Gesellschaftsrecht eines Mitgliedstaats, nämlich des Vereinigten Königreichs, zwar u. a. der Zweck verfolgt, der Anwendung des als strenger angesehenen niederländischen Gesellschaftsrechts zu entgehen, doch ist es gerade Ziel der Vertragsvorschriften über die Niederlassungsfreiheit, es den nach dem Recht eines Mitgliedstaats errichteten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, zu erlauben, mittels einer Agentur, Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft in anderen Mitgliedstaaten tätig zu werden (Urteil Centros, Rdnr. 26).(138) Wenn also ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrechtliche Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen, und anschließend in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründet, so übt er damit, wie der Gerichtshof in Rdnr. 27 des Urteils Centros festgestellt hat, die durch den Vertrag garantierte Niederlassungsfreiheit im Binnenmarkt aus.(139) Darüber hinaus belegt nach ständiger Rechtsprechung (Urteile Segers, Rdnr. 16, und Centros, Rdnr. 29) der Umstand, dass eine Gesellschaft in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz hat, keine Tätigkeit entfaltet und ihre Tätigkeit ausschließlich oder hauptsächlich im Mitgliedstaat ihrer Zweigniederlassung ausübt, noch kein missbräuchliches und betrügerisches Verhalten, das es dem letzteren Mitgliedstaat erlauben würde, auf die betreffende Gesellschaft die Gemeinschaftsvorschriften über das Niederlassungsrecht nicht anzuwenden.(140) Was schließlich die Frage angeht, ob die WFBV mit der Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Wirksamkeit der Steuerkontrollen gerechtfertigt werden kann, so ist festzustellen, dass weder die Handelskammer noch die niederländische Regierung dargetan haben, dass die betreffende Maßnahme die in Rdnr. 132 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien der Wirksamkeit, der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung erfüllt.(141) Da die Bestimmungen über das Mindestkapital mit der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit unvereinbar sind, gilt zwangsläufig dasselbe für die Sanktionen, die an die Nichterfüllung der fraglichen Verpflichtungen geknüpft sind, d.h. die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer in dem Fall, dass das Kapital nicht den im nationalen Recht vorgeschriebenen Mindestbetrag erreicht oder während des Betriebes unter diesen sinkt.(142) Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass weder Art. 46 EG noch der Gläubigerschutz, die Bekämpfung der missbräuchlichen Ausnutzung der Niederlassungsfreiheit oder die Erhaltung der Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Wirksamkeit der Steuerkontrollen die Behinderung der durch den Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit rechtfertigen, die nationale Rechtsvorschriften wie die in Rede stehenden über das Mindestkapital und die persönliche gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer darstellen.(143) Nach alledem sind die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten: ... [siehe Tenor].

30.09.2003
: EWS-Kommentar

I. Das ProblemDas vorstehende Urteil des EuGH war nach der Vorgänger-Entscheidung »Überseering« (EuGH, 5. 11. 2002 - Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919, EWS 2002, 569, 573 [Hirte], EWiR Art. 43 EG 1/02, 1003 [Neye]; dazu Hirte, FAZ, 22. 1. 2003, 19; Micklitz, EWS 2002 H. 12, Die erste Seite; Großfeld, RIW 2002 H. 12, Die erste Seite; Ebke, BB 2003, H. 1, Die erste Seite, sowie Schulz/Sester, EWS 2002, 545, Leible/Hoffmann, RIW 2002, 945, Merkt, RIW 2003, 458, Zimmer, BB 2003, 1) mit Spannung erwartet worden, und die große Zahl der bereits jetzt erschienenen Besprechungsaufsätze zeigt, welche Bedeutung der Entscheidung in der Praxis beigemessen wird (vgl. etwa die Beiträge von Bücker, FAZ, 8. 10. 2003, 21; Drygala, Art. 43 EG 4/03, 1029; Maul/Schmidt, BB 2003, 2297; Ziemons, ZIP 2003, 1913; Kleinert/Probst, DB 2003, 2217).In der Sache geht es um die Frage, ob und wie weit der nationale Gesetzgeber Sonderregelungen für »formal ausländische« Gesellschaften aufstellen darf. Das sind Gesellschaften, die im Ausland gegründet wurden, im Inland aber ihre Verwaltung und/oder den wesentlichen Teil ihres Geschäftsbetriebs unterhalten (in der üblichen deutschen Terminologie »Schein-Auslandsgesellschaften). Solche Regelungen hatte der niederländische Gesetzgeber mit Blick auf die zunehmende Zahl vor allem englischer Gesellschaften mit faktischem Sitz in den Niederlanden in einem besonderen Gesetz erlassen.II. Die Entscheidung des Gerichtshofs1. Umfang der Offenlegungsverpflichtung bei NiederlassungenDer niederländische Gesetzgeber hatte zunächst von Schein-Auslandsgesellschaften mit einer Niederlassung in den Niederlanden im Handelsregister und auf Geschäftsunterlagen die Offenlegung von Informationen verlangt, die über das hinausgehen, was die Elfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates (Richtlinie Nr. 89/666/EWG vom 21. 12. 1989 - Zweigniederlassungs-Richtlinie; zur Umsetzung in Deutschland Seibert, GmbHR 1992, 738; ders., DB 1993, 1705) verlangt oder gestattet (Rdnr. 26). Hier hat der EuGH die Richtlinie überzeugend als abschließend qualifiziert (Rdnr. 65 ff., 70). Der deutsche Gesetzgeber wird daher, will er Schein-Auslandsgesellschaften die Tätigkeit im Inland erschweren, nur prüfen können, ob das deutsche Recht in den §§ 13 ff. HGB, § 325 a HGB, § 80 Abs. 4 AktG, § 35 a Abs. 4 GmbHG hier noch Spielräume enthält.2. Sanktionen bei Missachtung der Offenlegungspflichten für NiederlassungenGrößere Bedeutung in der streitigen niederländischen Regelung und in ihrer Beurteilung durch den EuGH hatten aber nicht so sehr die Offenlegungsverpflichtungen als solche, sondern die an die Nicht-Eintragung der Zweigniederlassung und die Nicht-Beachtung der einzelnen Offenlegungspflichten anknüpfenden Rechtsfolgen in Form einer unbeschränkten gesamtschuldnerischen Haftung der Geschäftsführer (Rdnr. 25). Die Elfte Richtlinie enthält hierzu in ihrem Art. 12 nur die Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen für den Fall anzudrohen haben, dass die erforderliche Offenlegung der Zweigniederlassung im Aufnahmestaat unterbleibt.Hier stellt das Gericht klar, dass die Sanktionen bei Verletzung der Verpflichtungen denen gleichen müssen, die für nach Art und Schwere gleiche Verstöße gegen nationales Recht vorgesehen sind (Rdnr. 59 ff., 62). Angedeutet - aber nicht entschieden - wird, dass die niederländischen Sanktionen diese Messlatte überschreiten. Bislang spielte diese Rechtsprechung bemerkenswerterweise vor allem mit umgekehrten Vorzeichen eine Rolle, wenn nämlich der nationale Gesetzgeber keine odergeringere Sanktionen bei Verletzung (mittelbaren) europäischen Rechts statuierte als bei Verletzung sonstigen nationalen Rechts.3. Kapitalaufbringungspflicht für Schein-AuslandsgesellschaftenZweiter Schwerpunkt der Entscheidung ist die Auseinandersetzung mit der in der niederländischen Regelung für schein-ausländische Gesellschaften statuierten Verpflichtung, ein Kapital in Anlehnung an das für niederländische Gesellschaften geltende Recht aufzubringen (Rdnr. 27). Das war verknüpft mit der Anordnung einer unbeschränkten gesamtschuldnerischen Haftung der Geschäftsführer, wenn und solange diese Forderung nicht erfüllt wurde (Rdnr. 28). Maßstab für die Zulässigkeit dieser Bestimmungen ist nicht die Elfte Richtlinie (denn sie sagt dazu nichts), sondern die allgemeinen Regelungen über die Niederlassungsfreiheit in Art. 43 und 48 EG (Rdnr. 73).Der Gerichtshof stellt hier zunächst (erneut) fest, dass es von der Niederlassungsfreiheit gedeckt ist, wenn eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur mit dem Ziel gegründet wird, die Geschäftstätigkeit ganz oder überwiegend in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben (Rdnr. 95 f. im Anschluss vor allem an EuGH, 9. 3. 1999 - Rs. C-212/07, Centros, Slg. 1999, I-1459, Rdnr. 17 f., RIW 1999, 447, EWS 1999, 140, ZIP 1999, 438, NJW 1999, 2027, DB 1999, 625 [Meilicke], BB 1999, 809 [Sedemund], NZG 1999, 298 [Leible], IStR 1999, 253, EWiR Art. 52 EGV 1/99, 259 [Neye]). Folge ist, dass das niederländische Gesetz die Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt (Rdnr. 104).Entscheidend war mithin, ob die in den Kapitalanforderungen liegende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (und nur diese, da die zusätzlichen Offenlegungsverpflichtungen schon mit einfachem Richtlinienrecht unvereinbar waren; Rdnr. 106) zu rechtfertigen war. Das verneint das Gericht außerordentlich knapp und im Kern mit der Begründung, dass potentiellen Geschäftspartnern die andere Ausgestaltung des Gläubigerschutzes bei einer englischen Gesellschaft erkennbar ist (Rdnr. 135).III. Praxisfolgen1. Fortgeltung der Sitztheorie?Die für die weitere Diskussion entscheidende Frage lautet zunächst: Gilt die Sitztheorie noch? Darauf hat der EuGH auch jetzt keine Antwort gegeben - und er konnte es auch nicht (zum Gebot richterlicher Zurückhaltung bei der Entscheidung dogmatischer Fragen eindringlich Röhricht, ZGR 1999, 445, 463 ff.). Das hat die missliche Folge, dass die (wohl) fortgeltende Sitztheorie des deutschen Rechts, wie sie von der Rechtsprechung entwickelt wurde, nur teilweise durch die Anknüpfung an das Gründungsrecht überlagert wird. Eine Folge ist - zumindest derzeit -, dass einer im Inland ansässigen Schein-Auslandsgesellschaft die Qualität eines umwandlungsfähigen Rechtsträgers i. S. von § 3 UmwG kaum wird versagt werden können, weil es sich gerade nicht um eine grenzüberschreitende Verschmelzung handelt und die Herausnahme zulässigerweise in Deutschland tätiger Auslandsgesellschaften aus dem Katalog des § 3 UmwG diskriminierend wäre. Hier sollte der Gesetzgeber möglichst bald durch eine Regelung im EGBGB Klarheit schaffen.2. Zwang zur Eintragung einer Zweigniederlassung?Auch als Folge dieser dogmatischen Unsicherheit ist ungeklärt, ob eine Schein-Auslandsgesellschaft im Inland auch ohne Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung anzuerkennen ist. Zwar gibt es mit Blick auf den besseren Nachweis der Vertretungsberechtigung durchaus Argumente für eine solche Eintragung (und damit auch Arbeit für deutsche Notare), aber in vielen Fällen wird sie unterbleiben. Der Gerichtshof scheint in Rdnr. 97 dem Erfordernis der Eintragung einer Zweigniederlassung zuzuneigen; doch wird dies in erster Linie Folge der Tatsache sein, dass hier eine solche eingetragene Zweigniederlassung zu beurteilen war, deren Fehlen mithin gar nicht zur Debatte stand. Solange das nationale Recht aber derartige Gesellschaften mit Blick auf die (noch) geltende Sitztheorie grundsätzlich als inländisch qualifiziert und das europäische Recht diese Qualifikation »nur« hinsichtlich einzelner Elemente überlagert, wird man dies kaum verlangen können.3. Vorliegen eines Missbrauchs?Ungeklärt ist weiter, wann denn ein Missbrauch vorliegt (der Gerichtshof spricht in Rdnr. 95 sogar von »Betrug« - was aber unter Umständen eine Frage der Übersetzung ist), der nationale Sonderregelungen für Schein-Auslandsgesellschaften rechtfertigen kann. Dass allein der Rückgriff auf ein vom kontinentaleuropäischen System abweichendes Gläubigerschutzsystem keinen solchen Missbrauch darstellt, hat der Gerichtshof mit begrüßenswerter Deutlichkeit konstatiert (zur Dogmatik des Missbrauchs im europäischen Recht jetzt Fleischer, JZ 2003, 865 ff.; sowie bereits Schön, in: Festschrift für Wiedemann, 2002, S. 1271 ff. [speziell zum Missbrauch von Grundfreiheiten ab S. 1289 ff.]).Aus meiner Sicht dürfte es allerdings missbräuchlich sein, wenn Personen, denen wegen § 76 Abs. 3 Satz 3 und 4 AktG, § 6 Abs. 2 Satz 3 und 4 GmbHG die Vertretung einer deutschen Gesellschaft untersagt wäre, dieses Verbot durch Nutzung einer im Inland ansässigen ausländischen Gesellschaft unterlaufen. Gleiches gilt für die »Kombination« des mangels Kapitalaufbringung »attraktiven« englischen Gründungsrechts mit dem wegen Fehlens einer Regelung zum wrongful trading (sec. 214 Insolvency Act) attraktiven deutschen Insolvenzrecht (dazu auch Mock/Schildt, NZI 2003, 444, 445). Hier ist der Gesetzgeber daher zum Handeln aufgerufen (dazu Hirte, ZInsO 2003, 833, 836). Ob man das auch auf die fehlende Überprüfung besonderer öffentlich-rechtlicher Genehmigungen wie der Meisterprüfung (für deutsche Kapitalgesellschaften § 37 Abs. 4 Nr. 5 AktG, § 8 Abs. 1 Nr. 6 GmbHG) erstrecken sollte, erscheint demgegenüber schon problematischer (dazu Hirte, ZInsO 2003, 833, 835 f.).Auch die Frage, ob man durch Rückgriff auf eine schein-ausländische Gesellschaft der unternehmerischen Mitbestimmung ausweichen kann (wenn - und nur wenn - der nationale Gesetzgeber sie auf Schein-Auslandsgesellschaften erstrecken sollte), dürfte noch nicht endgültig gelöst sein (abw. wohl Bücker, a. a. O.; vorsichtiger Ziemons, ZIP 2003, 1913, 1917 f.). Aus Sicht des Unterzeichners wird man nur sagen können, dass sich eine nationale Abwehrregelung hier umso schwerer rechtfertigen lässt, je größer die grenzüberschreitenden Bezüge einer solchen Gesellschaft sind und sie damit dem Bild der grenzüberschreitend tätigen Europäischen Aktiengesellschaft (SE) entspricht.4. AusblickSchon seit der Überseering-Entscheidung hatte der Zug in die formal ausländische Kapitalgesellschaft an Geschwindigkeit zugenommen: Die Gründungszahlen englischer Limiteds waren im unmittelbaren Anschluss an diese Entscheidung von zweiwöchentlichen ca. 5500 Neugründungen auf ca. 7000 hochgeschnellt - und auf diesem Niveau verblieben. Vor allem in der Baubranche - so hört man - würde die bislang hauptsächlich dort verbreitete GmbH kaum noch genutzt (deutlich bereits Hirte, FAZ, 22. 1. 2003, S. 19: »Der Anfang vom Ende der GmbH droht«). Die vorstehende Entscheidung erhöht die Rechtssicherheit deutlich und wird ausländische Gesellschaften auch außerhalb dieses Bereichs des kleinen Mittelstands nutzbar machen. Auf europäische Rechtsformen wie die Europäische Aktiengesellschaft (verfügbar ab Herbst 2004) oder die - als Alternative zur nationalen GmbH gedachte - Europäische Privatgesellschaft (EPG), die sich erst in Planung befindet, wird man daher nicht warten müssen, wenn man im Gesellschaftsrecht vom europäischen Markt profitieren will.