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LOGR 2023, 153
Wieck 

Die Digitalisierung als Chance in herausfordernden Zeiten

Abbildung 1

Liebe Leserin, lieber Leser,

nach 2022, dem Jahr der “Zeitenwende”, erweist sich auch 2023 als ein Jahr der Krisen: Der russische Angriff auf die Ukraine und die dramatischen Entwicklungen im Nahen Osten stellen uns auch in diesem Jahr vor geopolitische und geoökonomische Herausforderungen. Fast täglich spüren wir die Auswirkungen des Klimawandels. Kaum hat sich die Weltwirtschaft von den Folgen der COVID-Pandemie erholt, steht sie vor neuen Herausforderungen – Lieferengpässe, Fachkräftemangel, Energieknappheit und vieles mehr . . .

Grundlegende Fragen zum internationalen Handel und zur Zukunft der Globalisierung werden bereits gestellt. So richtig es ist, Handel und Globalisierung zu hinterfragen, so falsch ist es meines Erachtens, die Globalisierung “zurückdrehen” zu wollen. Vielmehr muss der Welthandel neu justiert und die Globalisierung rekalibriert werden.

Für die Internationale Handelskammer (ICC) ist genau das ihr ureigenes Anliegen: Kurz nach dem Ersten Weltkrieg 1918 in Paris hatten ihre Gründer – eine Gruppe von Unternehmern, Kaufleuten und Finanziers – eine ebenso einfache wie bestechende Idee: durch internationalen Handel und Investitionen Frieden und Wohlstand zwischen den Nationen fördern. Dieser ursprüngliche “purpose” hat auch heute, mehr als 100 Jahre später, nichts von seiner Aktualität verloren – im Gegenteil.

Die ICC setzt sich für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung ein, fördert “best practices” und entwickelt weltweit gültige Standards und Richtlinien. So können rechtliche und faktische Hürden bei der Vertragsgestaltung überwunden und Geschäftsprozesse effizienter, nachhaltiger und resilienter gestaltet werden. Genau hier setzt die Digitalisierung des Außenhandels an, die gerade für eine Exportnation wie Deutschland von immenser Bedeutung ist.

Ein typisches internationales Exportgeschäft umfasst heute bis zu 30 Papierdokumente; hochgerechnet auf den gesamten Welthandel bewegen sich täglich rund vier Milliarden papierbasierte Dokumente im System. Eine vollständige Digitalisierung würde nicht nur die Anzahl der Dokumente drastisch reduzieren, sie würde auch zu mehr Effizienz führen und – richtig gemacht – die Interoperabilität verbessern. Das globale Handelssystem wäre nachhaltiger, weniger fehleranfällig und würde insbesondere Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu internationalen Märkten erleichtern.

In Deutschland haben wir in Sachen Digitalisierung in diesem Jahr einiges erreicht: Nachdem ICC Germany gemeinsam mit zehn weiteren Verbänden Ende 2022 einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt hatte, wurde die Einführung elektronischer Transportversicherungspolicen bereits im Februar dieses Jahres vom Gesetzgeber beschlossen. Im September konnten wir den erfolgreichen Abschluss eines Pilotprojekts zur Abwicklung elektronischer Konnossemente vermelden, und als nächsten Schritt wollen wir das erste volldigitale Akkreditivgeschäft an den Start bringen.

Einiges ist erreicht, vieles bleibt noch zu tun. Mit Blick auf das Jahr 2024 stehen wir in Deutschland und Europa vor großen Aufgaben, wenn wir unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten wollen. Die Digitalisierung kann und wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Daran arbeiten wir!

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre der neuen Ausgabe der LogR und alles Gute für das neue Jahr!

Oliver Wieck Generalsekretär ICC Germany

 
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