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K&R 2025, I
Höppner 

Medienfreiheit in Zeiten KI-gestützter Manipulationsplattformen

Abbildung 1

RA Prof. Dr. Thomas Höppner,
LL.M. (Dundee)

Generative KI ist ein Brandbeschleuniger für viele Angriffe auf die Presse- und Medienfreiheit. Art. 5 GG zwingt dazu, die Regulierung von Medien neu auszutarieren.

Immer mehr Menschen beziehen ihre Informationen über zentrale Plattformen wie Google Discover, Facebook oder TikTok. Deren Betreiber kontrollieren nicht nur, welche Inhalte wir sehen, sondern auch, welche verborgen bleiben. Dabei lenken sie den Zugang zu Informationen nach ihren Geschäftsinteressen – meist ohne Rücksicht auf gesellschaftliche Folgen.

Die ausländischen Plattformen nutzen diese Vermittlungsmacht schon heute, um heimische Medien wirtschaftlich unter Druck zu setzen, und gefährden damit die Vielfalt der Informationsquellen. Durch die Integration generativer künstlicher Intelligenz in zentrale Plattformdienste verschärft sich dieses Ungleichgewicht dramatisch.

Plattformen können dank KI die Inhalte aus anderen Medien beliebig in eigene Inhalte umformen und haben einen Anreiz, diese prominenter zu verbreiten als die Originale. In den Suchergebnissen und Newsfeeds tauchen dann nicht mehr die originären redaktionellen Artikel von Verlagen auf, sondern KI-generierte Zusammenfassungen.

Diese neue Dynamik gibt den Plattformen eine gefährliche Doppelrolle: Sie kontrollieren den Zugang zu fremden Inhalten und generieren gleichzeitig eigene, die sie bevorzugt verbreiten. Anwendungen wie Googles „AI Overviews“, personalisierte Newsfeeds von Meta oder News-Zusammenfassungen durch Perplexity oder „Apple Intelligence“ veranschaulichen dies: Informationen werden aus verschiedenen Quellen zusammengeführt und direkt auf den Plattformen präsentiert, ohne dass Nutzer die Quellen aufsuchen.

Das schafft nicht nur neue Spielräume für Manipulation. Es stärkt auch die Position der Plattformen auf den Werbemärkten – zu Lasten redaktioneller Medien. Während Verlage in aufwendige redaktionelle Arbeit investieren, erzielen Plattformen wie Google und Meta Milliardenumsätze allein durch Werbung. Sie locken Nutzer mit fremden Inhalten auf ihre Plattformen und monetarisieren deren Aufmerksamkeit durch Anzeigen. Sie recherchieren keine eigenen Berichte, prüfen keine Fakten, und haften nicht für sie, aber schöpfen die Gewinnmargen derer ab, die unter hohen Risiken und Kosten Informationen aufbereiten, produzieren und begreifbar machen.

Diese Praxis nimmt Verlagen nicht nur die Möglichkeit, ihre Inhalte selbst zu monetarisieren. Sie erhöht auch die Abhängigkeit der Nutzer von wenigen digitalen Ökosystemen. Die Folge: Der Traffic auf den Seiten unabhängiger Medien sinkt, während Plattformen immer stärker zur zentralen Quelle für Informationen werden. Das schwächt die Position der Verlage, ihre finanzielle Basis und letztlich ihre Fähigkeit, hochwertigen Journalismus anzubieten.

Gleichzeitig treiben die Algorithmen der Plattformen eine Polarisierung voran. Inhalte, die Emotionen wecken und starke Reaktionen hervorrufen, werden belohnt, weil sie die Nutzungsdauer erhöhen – ein zentraler Faktor für Werbeeinnahmen. Das gibt populistischen und hetzerischen Positionen mehr Sichtbarkeit als ausgewogenen Berichten.

Mit fatalen Folgen: Extreme Positionen an den Rändern bekommen mehr Aufmerksamkeit und damit Einfluss auf die Meinungsbildung als ausgewogene und konsensfähige Positionen in der Mitte der Gesellschaft. Das verzerrt das reale Bild. Die Gesellschaft erscheint zersplitterter, aufgeheizter und aggressiver, als sie tatsächlich ist. Es entstehen individuelle Filterblasen und Echokammern, in denen Nutzer vor allem das sehen, was ihre Meinung bestätigt. Das erschwert den Dialog und das Formen eines breiten gesellschaftlichen Konsenses. Die Meinungsbildung leidet, wenn maßvolle, konstruktive Debatten durch polarisierende Inhalte verdrängt werden.

Eine Demokratie kann es nicht riskieren, den öffentlichen Diskurs allein den Algorithmen globaler Plattformen zu überlassen. Es braucht klare Regeln, um die Meinungsvielfalt auch im digitalen Raum zu sichern. Plattformen müssen verpflichtet werden, für die Nutzung journalistischer Inhalte zu zahlen, und Verlage müssen die Kontrolle über ihre Inhalte behalten. Ohne solche Maßnahmen zum Schutz vor Ausbeutung verliert die Presse ihre wirtschaftliche Grundlage.

Zudem ist es notwendig, Interessenkonflikte zu vermeiden, indem die Trennung zwischen der Verbreitung und Erstellung von Inhalten stärker reguliert wird. Plattformen, die als Gatekeeper agieren, dürfen nicht gleichzeitig eigene Inhalte produzieren und priorisieren. Nur so können wir verhindern, dass Manipulationen die Meinungsbildung beeinflussen, ohne dass dies für die Öffentlichkeit nachvollziehbar wäre.

Die Politik muss ihrer Verantwortung gerecht werden. Art. 5 GG schützt die Meinungs- und Pressefreiheit – und damit auch die Vielfalt unabhängiger Medien. Wir dürfen nicht zulassen, dass wenige Plattformen die öffentliche Debatte steuern und dominieren. Eine rasche und entschlossene Regulierung ist daher unverzichtbar. Es darf kein Monopol auf Meinungsbildung geben.

RA Prof. Dr. Thomas Höppner, LL.M. (Dundee)*

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Jahrgang 1977, ist Partner der Kanzlei Hausfeld Rechtsanwälte LLP.

 
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