Click, collect and take back – Widerrufsrecht für den stationären Handel?
RA Dr. Martin Schirmbacher
Es gibt sie schon, die pragmatischen Lösungen in Pandemiezeiten. Sie sind nicht gerade häufig, vor allem nicht im stationären Einzelhandel, aber sie kommen vor. Lokale Einzelhändler:innen entdecken den Online-Handel und setzen kleine Online-Shops auf. Dabei wird immer häufiger auch auf Click&Collect-Modelle zurückgegriffen: Die Verbraucher:innen bestellen online oder telefonisch und holen die Ware im Ladengeschäft ab. Dabei sind die Ausgestaltungsvarianten vielfältig. Soweit nach aktueller lokaler Verordnungslage Besuche in Ladengeschäften zulässig sind, werden auch Click&Meet angeboten und Termine für den Besuch des stationären Shops gebucht.
Im Abmahnwonderland dauert es natürlich nicht lange, bis die Frage diskutiert wird, inwieweit die Einzelhändler:innen in diesen Konstellationen die fernabsatzrechtlichen Vorschriften zu beachten haben und insbesondere Verbraucher:innen ein Widerrufsrecht hinsichtlich der geschlossenen Verträge einräumen müssen.
Dafür muss es sich um Fernabsatzverträge im Sinne des § 312c BGB handeln. Für Verhandlungen und Vertragsschluss selbst dürfen Verbraucher:innen und Unternehmer:innen also ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden. Zudem muss der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgen.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt natürlich von der jeweiligen Konstellation ab. In den Click&Meet-Fällen ist das in aller Regel nicht der Fall. Soweit es lediglich um eine Terminbuchung geht und die Kund:innen sich im Ladengeschäft für einzelne Produkte entscheiden können, kommt ein etwaiger Vertrag auch erst vor Ort zustande. Ein Fernabsatzvertrag liegt nicht vor. Nicht so eindeutig ist das in den Fällen von Click&Collect. Kommt der Vertrag schon online oder am Telefon zustande und erfolgt die Abholung lediglich anstelle eines Versands, wurden jedenfalls einmal die Vertragserklärungen über Fernkommunikationsmittel abgegeben. Anders ist es, wenn vor Ort noch Auswahlmöglichkeiten (etwa Größe, Farbe, individuelles Produkt) bestehen und die Kund:innen sich im Laden auch noch gegen einen Vertragsschluss entscheiden können.
Frage des Einzelfalls ist aber, ob der Vertrag auch im Rahmen eines Fernabsatzsystems zustande kam. Hierbei kommt es auf die Organisation des jeweiligen Händlers an. Erforderlich ist, dass der Unternehmer durch die personelle und sachliche Ausstattung innerhalb seines Betriebs die organisatorischen Bedingungen geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen (vgl. zuletzt BGH vom 19. 11. 2020, K&R 2021, 121 für das Fernabsatzsystems eines Rechtsanwalts). Danach spricht insbesondere eine intensive Bewerbung der Möglichkeit, unmittelbar im Fernabsatz Verträge abschließen zu können, für das Vorhandensein eines Fernabsatzsystems. Insofern wird den stationären Händler:innen die Corona-Not zur Falle: Wenn sie in der Werbung etwa deutlich auf eine kontaktlose Mitnahmemöglichkeit hinweisen und solche Bestellungen nicht die Ausnahme bleiben, liegt ein Fernabsatzsystem im Zweifel vor. Gleiches gilt, wenn sich die Händler:innen Online-Verkaufsplattformen bedienen und das Ladengeschäft lediglich als Zustellmöglichkeit (anstelle des ebenso möglichen Versands) anbieten.
Liegt ein Fernabsatzvertrag vor, greift nicht nur das Widerrufsrecht nach § 312g BGB, womit ebenso gebeutelte wie kulante Händler:innen wohl im Einzelfall umgehen können werden. Vielmehr gelten auch die Informationspflichten des § 312d BGB. Zu den Pflichtinformationen, die für jeden einzelnen angebahnten Vertrag und jedes einzelne angebotene Produkt angegeben werden müssen, gehören dann unter anderem die wesentlichen Eigenschaften der Waren (von der Rechtsprechung durchaus weit interpretiert), die Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen, das Verfahren des Unternehmers zum Umgang mit Beschwerden, ein Hinweis auf das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts für die Waren und gegebenenfalls das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und Garantien, womit bei (zu) strenger Auslegung auch Herstellergarantien gemeint sind, mit denen die Händler:innen nichts zu tun haben, von denen sie möglicherweise noch nicht einmal wissen. Außerdem bedarf es einer vollständigen Widerrufsbelehrung inklusive des mit ‘absurd’ noch freundlich umschriebenen Widerrufsformulars aus Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB. Zudem müssen alle Angaben nicht nur online bzw. am Telefon (!) erteilt werden, sondern den Kund:innen auch auf einem dauerhaften Datenträger (also in der Regel per E-Mail) übermittelt werden.
Wenn es noch eines Belegs bedurft hätte, dass das fernabsatzrechtliche Verbraucherrecht über die Stränge schlägt, dann liefert ihn das Angebot von Click&Collect durch kleine Einzelhändler:innen in Zeiten von COVID-19. Pragmatische Lösungen brauchen bisweilen eine pragmatische Gesetzesauslegung, sonst wird der Ärger den Nutzen deutlich übersteigen.
RA Dr. Martin Schirmbacher