2019 – Pressefreiheit in Gefahr? – 8. Presserechtsforum
RA Prof. Dr. Roger Mann, Hamburg
Wer hätte es vor einigen Jahren für möglich gehalten, dass Journalisten und Medien damit rechnen müssen, in einem Mitgliedsland der Europäischen Union auf Unterlassung und Zahlung hoher Beträge in Anspruch genommen werden zu können, wenn sie den Staat und gegebenenfalls auch seine Regierung kritisieren. Genau dies droht in Polen nach Inkrafttreten des irreführenderweise oft als “Holocaustgesetz” betitelten Regelwerks. Dieses Gesetz zum Schutz des “guten Rufs der Republik Polen und des polnischen Volks” etabliert de facto ein Persönlichkeitsrecht des polnischen Staates, eine Konstruktion, die mit der Grundrechtsordnung des GG und der EMRK nicht vereinbar ist. In diesen Wochen und Monaten sind die ersten Forderungsschreiben von klagebefugten polnischen Nichtregierungsorganisationen bei deutschen Medien eingegangen. Da ist es selbstverständlich, dass sich das Presserechtsforum bei seiner anstehenden Tagung nicht nur mit diesem Thema beschäftigt, sondern auch mit den Verschärfungen des Presserechts im weiteren EU-Land Ungarn. Von dem polnischen Rechtsanwalt Dr. Piotr Niezgódka und dem ungarischen Rechtswissenschaftler Gábor Polyák erhalten wir Einblicke dazu aus erster Hand. Im Forum sollen auch mögliche Abwehrstrategien diskutiert werden.
Der zweite Block des diesjährigen Presserechtsforums hat Eingriffe in die Pressefreiheit zum Gegenstand, die zwar nicht vergleichbar massiv sind, aber gleichwohl die Medienlandschaft beschäftigen. Die zunehmende Konvergenz der klassischen Presse und der Online-Presse führt dazu, dass sich die Landesmedienanstalten für bestimmte Erscheinungsformen der Bildberichterstattung in den Online-Angeboten von Verlagshäusern zuständig fühlen und eine Lizenzierung verlangen. Für die zulassungsfreie Presse ist das eine ganz neue Erfahrung. Die unterschiedlichen Auffassungen zu diesem Thema werden der stellvertretende Direktor der hessischen Landesmedienanstalt, Professor Dr. Murad Erdemir, und der Justiziar des Axel Springer Verlages, Rechtsanwalt Felix Seidel, darstellen.
Aus aktuellem Anlass ist das Programm um einen Austausch zu den jüngsten Entscheidungen des BVerfG zur Anhörungspflicht im einseitigen Verfügungsverfahren erweitert worden. Hierzu wird der “Spiegel”-Justiziar Dr. Sascha Sajuntz von dem langen Kampf des “Spiegels” gegen die bisherige Praxis der ordentlichen Gerichtsbarkeit berichten, die das BVerfG in seinen Entscheidungen als “Geheimverfahren” kritisiert hat. Auch hier soll der wesentliche Teil des Forums ein Austausch über die bisherigen Erfahrungen mit der Rechtsprechung des BVerfG in der Praxis sein.
Dass die Tücke manchmal im Detail steckt, zeigt das vorletzte Forum in diesem Jahr, in dem es darum gehen wird, ob die Rechtsabteilungen von Medien nach Eingang einer anwaltlichen Abmahnung noch direkt mit einem Betroffenen Kontakt aufnehmen dürfen. Damit werden sich der Hamburger Rechtsanwalt Dr. Gerald Neben und die ebenfalls aus Hamburg stammende Rechtsanwältin Dr. Stephanie Vendt auseinandersetzen.
Den Abschluss bildet auch diesmal eine Podiumsdiskussion, die das kontroverse Thema von “Fahndungsaufrufen in den Medien” aufgreift. Hierzu hat es nach G 20-Krawallen in Hamburg nicht nur zahlreiche Veröffentlichungen gegeben, sondern inzwischen auch diverse Gerichtsentscheidungen, unter anderem des OLG München. Diskutiert wird das Thema von der Mannheimer Rechtswissenschaftlerin Professor Dr. Nadine Klass, der Berliner Rechtsanwältin Dr. Stefanie Schork und Herrn Dr. Neben.
Wir dürfen auch dieses Jahr auf eine informationsreiche und lebhafte Tagung gespannt sein.
RA Prof. Dr. Roger Mann, Hamburg