2015 – Blick zurück im Zorn? Zum 5. “Presserechtsforum”
Das Jahr 2015 hat auch im Presserecht wieder viele “Aufreger”-Themen geliefert. Wieder einmal wurde die angeblich “höchste Geldentschädigung aller Zeiten” erstritten (im Fall Kachelmann). Bei näherem Hinsehen handelte es sich dann aber doch wieder nur um übliche Summen für eine Vielzahl von Einzelfällen. Aber derartige Scheinriesen erfüllen in der Öffentlichkeitsarbeit ihren Zweck, denn dort zählen nur Superlative. Die Medien lieben eben nicht nur den “noch tieferen Tiefpunkt” (Rudi Völler), sondern auch den noch höheren Höhepunkt. Und so wundert es nicht, wenn zum Jahresende mit einer eingeklagten Geldentschädigung von 5 Millionen Euro (in Sachen Kohl), die Messlatte gleich noch einmal höher gelegt wird.
Apropos Öffentlichkeitsarbeit: Die betreibt derzeit auch der “Spiegel” auf allen Kanälen in Sachen “fliegender Gerichtsstand”. Mit Fachaufsätzen und Beiträgen im eigenen Heft und nun auch mit Gutachten für eine Gesetzesänderungsinitiative möchte das Magazin aus Hamburg den Klägeranwälten den Weg zu den dort beliebten Gerichten verbauen. Auch international ist das ein Thema, denn Österreicher und Schweizer sehen sich schon immer zu Unrecht vor deutsche Gerichte “gezerrt”, nur weil sie etwas in ihrer Muttersprache auf den Internetseiten ihrer nationalen Publikationen veröffentlichen. Das Presserechtsforum 2016 wird sich der Thematik also international nähern und der Schweizer Medienrechtler und Ringier-Anwalt Dr. Matthias Schwaibold wird die entsprechende Session “mit und gegen” den für seine Tätigkeit auf Seiten von Prominenten wie Günter Jauch bekannten Berliner Kollegen Prof. Dr. Christian Schertz gestalten.
Daneben wollen wir unter der Anleitung und Moderation von Vera von Pentz, Richterin im zuständigen VI. Zivilsenat des BGH, und Dr. Simon Haug, Justitiar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die neue Rechtsprechung des VI. Zivilsenats zum Zurechnungszusammenhang bei Internetveröffentlichungen diskutieren. Nachdem der BGH in der “Sachsensumpf-Entscheidung” (BGH, 17. 9. 2013 – VI ZR 211/12) begonnen hat, Drittveröffentlichungen bei der Bemessung der Geldentschädigung zu berücksichtigen, hat er dies in der “RSS-Feeds-Entscheidung” (BGH, 11. 11. 2014 – VI ZR 18/14, K&R 2015, 118 ff.) auf den Schadensersatzanspruch und zuletzt in der “Aktienrückkauf-Entscheidung” (BGH, 28. 7. 2015 – VI ZR 340/14, K&R 2015, 652 ff.) auf Unterlassungsansprüche ausgeweitet. Was bedeutet das für die Risiko-Bewertung, wenn man heute etwas im Internet veröffentlicht?
Ebenso spannend und kontrovers dürfte die sicherlich sehr unterschiedliche Bewertung der Öffentlichkeitsarbeit von Staatsanwaltschaften durch die Sprecherin des OLG München in Strafsachen, Andrea Titz, die in dieser Funktion das bundesweit bekannte “Gesicht der Münchener Justiz” geworden ist, und durch den bekannten Kölner Strafverteidiger Dr. Walter Graf sein. Nicht erst seit den Kachelmann- und Wulff-Verfahren kann man vermuten, dass die Auseinandersetzung zwischen Strafverfolgern und Verteidigern in der Öffentlichkeit manchmal mindestens ebenso bedeutsam ist, wie die im Gerichtssaal.
Und dann gibt es da noch diejenigen, die zwar einerseits im Lichte der Öffentlichkeit stehen und mit dieser ihren Lebensunterhalt verdienen, sich aber andererseits jederzeit daraus zurückziehen möchten. Sie treten in der Öffentlichkeit hinter Masken oder unter Perücken auf und versuchen – teilweise mit gerichtlicher Hilfe – zu verhindern, dass ihr Publikum erfährt, wie sie wirklich aussehen oder heißen. Zu Recht? Diese Frage wollen wir in der abschließenden Podiumsdiskussion mit dem Publizisten Dr. Nicolaus Fest (ehemals stellvertretender Chefredakteur der Bild am Sonntag), dem Burda-Anwalt Dr. Stefan Söder, der Hamburger Anwältin Tanja Irion, die u. a. Max Mosley gegen Google vertritt, und Prof. Dr. Christian Schertz aus unterschiedlicher Perspektive beleuchten. Nicht nur dies verspricht eine lebhafte Diskussion am 25. 1. 2016 in Frankfurt a. M.
RA Prof. Dr. Roger Mann, Hamburg