Recht auf Reparatur – was steht jetzt an?
Am 23. April 2024 wurden die Trilog-Verhandlungen zum „Richtlinienvorschlag über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren“ (sog. ReparaturRL-V) abgeschlossen. Das Europäische Parlament hat den Vorschlag mit überwältigender Mehrheit angenommen. Sobald die Richtlinie vom Rat förmlich gebilligt und sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird, haben die Mitgliedstaaten noch 24 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen. Der nationale Gesetzgeber, der bereits an einem nationalen ReparaturG arbeitet und einen „Reparierbarkeitsindex“ einzuführen gedenkt, wird hierfür vor allem auch die Gewährleistungsregelungen des BGB anpassen müssen.
Die verbraucherschützende Richtlinie ist ein Baustein des sog. European Green Deals, der 2019 von der Europäischen Kommission ausgerufen wurde, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Dabei spielte vor allem die Stärkung der Kreislaufwirtschaft eine erhebliche Rolle, die in den Mitteilungen der Kommission zum Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und zur neuen Verbraucheragenda aufgegriffen und schließlich im ReparaturRL-V zum Europäischen Verbrauchervertragsrecht mündete. Danach sollen Reparaturen für Alltagsgegenstände einfacher werden, um die Verbraucher von schnellen Neukäufen abzuhalten, die vor allem im Zusammenhang mit gängigen Haushaltsgeräten, wie Staubsaugern und Waschmaschinen aber auch Smartphones, Tablets und Displays als Verschwendung von Ressourcen und Energie angesehen werden. Die Idee des ReparaturRL-V bestand daher von Anfang an darin, Verbrauchern Anreize zu setzen, damit sich diese für eine Reparatur anstatt für eine Neuanschaffung entscheiden.
Das Ergebnis des Trilog-Prozesses und die damit feststehenden Inhalte der künftigen ReparaturRL sind dabei recht schnell zusammengefasst. Hersteller – hilfsweise auch Importeure und Händler – müssen ihre Produkte, sofern sie in den (bislang sehr übersichtlichen) Anwendungsbereich fallen, künftig auch nach der gesetzlichen Gewährleistungszeit zu angemessenen Preisen und innerhalb angemessener Zeiträume reparieren; defekte IT-Geräte können durch gebrauchte und professionell wiederaufbereitete Geräte (sog. Refurbished-IT) ersetzt werden. Verbraucher, die sich im Rahmen ihres Nacherfüllungsanspruches für eine Reparatur entscheiden, wird die gesetzliche Gewährleistungszeit um weitere 12 Monate verlängert (Art. 5, 12 ReparaturRL-V). Die Bereitschaft der Verbraucher, das Reparaturrecht auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen, soll zudem durch Reparaturgutscheine und -fonds, Informationskampagnen bis hin zu Reparaturkursen erhöht werden. Sie sollen außerdem umfassenden Zugang zu Ersatzteilen, Werkzeugen und standardisierten Reparaturinformationen erhalten, die sie bei der eigenen Reparatur oder der Bewertung von Reparaturdienstleistungen unterstützen (z. B. Art des Defekts, Preis, Dauer der Reparatur). Zudem soll eine Onlineplattform eingerichtet werden, die den Verbrauchern bei der Suche nach örtlichen Reparaturbetrieben, Verkäufern von aufgearbeiteten Waren (Refurbishing) oder Käufern von defekten Artikeln hilft.
Während sich Verbraucherverbände zu den neuen Regelungen und der Stärkung des „Rechts auf Reparatur“ positiv äußern, stehen andere den Entwicklungen zurecht noch verhalten gegenüber und fordern den nationalen Gesetzgeber dazu auf, die künftige Richtlinie mit Bedacht umzusetzen und noch verbliebene Lücken zu schließen.
Handwerksverbände befürchten, dass sich die Gewährleistungsfrist zulasten der Handwerksbetriebe – und eben nicht zulasten der Hersteller – verlängern könnte, was deren Einstandspflicht erheblich erhöhen und die Bereitschaft, überhaupt Reparaturleistungen zu erbringen, senken könnte. Sowieso stehe auch zu befürchten, dass die Lagerbestände an Ersatzteilen von zahlreichen kleinen und mittleren Handwerksbetrieben gar nicht vorgehalten werden können, weshalb steuerliche Erleichterungen ins Spiel gebracht werden. IT-Verbände merken an, dass es klarerer Vorgaben zum Austausch von Refurbished-IT braucht, insbesondere
Dem kann zwar entgegengehalten werden, dass die Regelungen im „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen für nachhaltige Produkte und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/125/EG“ (sog. Öko-DesignVO-V), der ebenfalls am 23. April 2024 vom Europäischen Parlament gebilligt wurde, gerade solche Praktiken einhegen will, die darauf abzielen, die Funktionsfähigkeit eines Produktes z. B. durch spezifische Konstruktionsmerkmale, Nichtverfügbarkeit von Ersatzteilen oder fehlende Software-Updates zu beeinträchtigen. Allerdings gilt das doch nur bezogen auf die im Verordnungsvorschlag priorisierten Produktkategorien, weshalb es entscheidend darauf ankommen wird, festzustellen inwieweit diese im Einklang mit den im ReparaturRL-V benannten Produktkategorien stehen.
Insofern verbleiben eine Reihe kritischer Punkte und Abstimmungsbedarfe, denen sich der nationale Gesetzgeber in den nächsten Monaten behutsam annehmen muss, um die gute Idee der „Circular Economy“ fruchtbar weiter zu entwickeln und nicht zu konterkarieren.
Prof. Dr. Dagmar Gesmann-Nuissl, Chemnitz*
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