Ready to score? – Der Entwurf eines § 37a BDSG zum Scoring
Die Fußball-Europameisterschaft ist vorüber. Somit hat das „Scoring“ seinen Platz zurück in der Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten für zukünftiges Verhalten aus vorliegenden Erfahrungswerten anhand mathematisch-statischer Verfahren, was namentlich zur Beurteilung der Bonität potenzieller Kreditnehmer herangezogen wird. In Deutschland ist der dominierende Indikator bekanntlich das Kreditscoring der Wirtschaftsauskunftei Schufa Holding AG, kurz: Schufa. In die Beurteilung des Scoringwerts gehen zahlreiche finanzielle und rechtsbezogene Informationen ein, mithin personenbezogene Daten. Seine praktische Bedeutung ist namentlich für Verbraucher kaum zu überschätzen: Im Regelfall ist ohne brauchbaren Scoringwert kein Kredit-, Leasing- oder Wohnraummietvertrag zu marktüblichen Konditionen zu erhalten. Die Kenntnis der Formel, mittels derer der Wert bestimmt wird, ist für viele Akteure von Interesse, nicht zuletzt den betroffenen Verbraucher.
Zum alten BDSG hatte der BGH anno 2014 entschieden (BGH BB 2014, 842), dass die Schufa zwar datenschutzrechtlich Auskunft über die personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten des datenschutzrechtlich Betroffenen erteilen müsse, nicht jedoch über die Zusammensetzung der Scoreformel als abstrakter Methode der Kreditwertberechnung; deren Inhalte genössen als Geschäftsgeheimnis gesetzlichen Schutz. Unter der Geltung von Art. 22 Abs. 1 DS-GVO, dem grundsätzlichen Verbot der (rein) automatisierten Entscheidungsfindung im Einzelfall, hat der EuGH aus Anlass einer Klage auf datenschutzbehördliches Einschreiten gegen die Schufa indes Ende 2023 (EuGH NJW 2024, 413) entschieden, dass das Schufa-Scoring künftig nicht mehr als alleinige Bewertungsgrundlage der Kreditwürdigkeit herangezogen werden darf und zugleich einschränkende Vorgaben zur Dauer der gespeicherten Daten gemacht.
Bei der Beurteilung der Entscheidung im Sinne der Vorschrift ist auch das „Ergebnis der Berechnung der Fähigkeit einer Person zur Erfüllung künftiger Zahlungsverpflichtungen in Form eines Wahrscheinlichkeitswerts mit einzuschließen“; offen blieb, ob der Auskunftsanspruch des Betroffenen auch Art und Weise der Scoreberechnung betrifft. Selbst die Schufa hat das Urteil begrüßt mit dem Hinweis, sie empfehle ihren Vertragspartner ohnehin, Scorewerte nicht zur alleinigen Grundlage für rechtlich bindende Entscheidungen zu machen. Dies klingt, in dem Wissen um die auch vom EuGH erkannte normative Kraft des faktischen scores im Wirtschaftsleben, doch allzu wohlfeil.
Das Urteil hat den Bundesgesetzgeber auf den Plan gerufen, es liegt mittlerweile ein Regierungsentwurf zur Überarbeitung des BDSG vom 27.03.2024 vor (vgl. BT-Drs. 20/10859, S. 1 f.), dessen § 37a BDSG-E das Scoring adressiert. Diese Vorschrift sieht eine Ausnahmeregelung zum Verbot des Art. 22 Abs. 1 DS-GVO und ergänzt diesen um weitere Bestimmungen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen des Betroffenen gem. Art. 22 Abs. 2 lit. b DS-GVO. Die Erstellung oder Verwendung von Wahrscheinlichkeitswerten ist für die Zwecke der Beurteilung der Vertragsbegründung, -durchführung oder -beendigung sowie für Bonitätsbeurteilungen gem. § 37a Abs. 1 vom grundsätzlichen Verbot nach Art. 22 Abs. 1 DS-GVO ausgenommen, jedoch wird die Erstellung bzw. Verwendung solcher Werte durch die nachfolgenden Absätze streng reglementiert. So dürfen etwa keine Gesundheits- bzw. Anschriftendaten oder generell Daten bezüglich Minderjähriger herangezogen werden (Abs. 2); Abs. 3 klärt darüber auf, unter welchen Bedingungen der Bestand von Forderungen Eingang in Wahrscheinlichkeitsbeurteilungen zu Bonitätszwecken finden darf, die bloße Behauptung einer fälligen Forderung genügt nicht. § 37a Abs. 4 und 6 schaffen neue Informationspflichten des Verantwortlichen gegenüber dem Betroffenen, darunter auch zur Gewichtung von Kategorien an Kriterien und Kriterien untereinander, bzw. Anfechtungs- und Gegendarstellungsrechte gegenüber dem Verantwortlichen. Die Berufung des Verantwortlichen auf (zur Erstellung der Wahrscheinlichkeitsbeurteilung vorgebrachten)
Prof. Dr. Stefan Müller*
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