Geplantes Lieferkettengesetz – Handelsbeziehungen sollen menschlicher gestaltet werden
Die Regierung plant Unternehmen zu verpflichten, ihre Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen künftig daraufhin zu überprüfen, ob sie sich nachteilig auf international anerkannte Standards zum Schutz der Menschenrechte auswirken. Als bedeutsame Risikofelder werden genannt: Zwangs- und Kinderarbeit, Diskriminierung, die Schädigung der Gesundheit und der Umwelt. Hinsichtlich der Schutzbereiche wird es kaum Widersprüche gegen das geplante Lieferkettengesetz geben. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat menschenrechtliche und soziale Mindeststandards im Zusammenhang mit Produktions- bzw. Arbeitsbedingungen anerkannt. Zu nennen ist die Sanktionierung von Kinderarbeit, Artikel 10 UN-Sozialpakt, ILO-Kern Arbeitsnormen; Verbot von Zwangsarbeit und Sklaverei, Art. 4 der Menschenrechtsdeklaration, Art. 8 UN-Zivilpakt. Anerkannt ist das Recht auf einen existenzsichernden Lohn, Art. 23 der Menschenrechtsdeklaration; das Recht auf menschenwürdige und sichere Arbeitsbedingungen, Art. 3 und 23 der Menschenrechtsdeklaration und ein Recht auf geregelte nichtexzessive Arbeitszeit, Art. 24 der Menschenrechtsdeklaration.
Die Frage ist nur, wie kann es den Unternehmen gelingen, die Einhaltung dieser völkerrechtlichen Verpflichtungen im Rahmen der von ihnen unterhaltenen Lieferketten nachzuprüfen? Erinnert sei in diesem Zusammenhang an eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Es ging darum, dass einzelne Kommunen durch Satzung geregelt hatten, dass nur Grabsteine auf den örtlichen Friedhöfen gesetzt werden dürfen, die im Hinblick auf die Einhaltung der genannten internationalen Regelungen zertifiziert sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Satzungen für unwirksam erklärt, weil vielfach Zertifizierungsurkunden von nicht hinreichend oder überhaupt nicht zuverlässig akkreditierten Zertifizierern ausgestellt wurden. Zutreffend urteilte das Bundesverwaltungsgericht, dass eine solche Zulassungsbeschränkung im Hinblick auf internationale Konventionen gegen die Kinderarbeit verfassungsrechtlich legitim ist, aber nur Sinn macht, wenn die Nachweise hinreichend glaubhaft sind.
So kann auch das Lieferkettengesetz nur Sinn machen, wenn es für die Unternehmen eine zumutbare Möglichkeit gibt, die Einhaltung der verlangten Regelungen überprüfen zu lassen. Zahlreiche, viele Drittländer, genannt seien nur Bangladesch und Kambodscha, verfügen nicht über öffentliche, staatliche Akkreditierungsstellen, die die Zertifizierer überprüfen; es sind nicht einmal zuverlässige NGO’s vorhanden. Hinsichtlich der Überprüfung der Zertifizierer gibt es internationale Regelungen, die sogenannten ILAC/IAF-Regelungen, aber es gilt auch in diesem Zusammenhang, wer überprüft, ob sie von einer zuverlässigen NGO bzw. einer staatlichen Stelle auch eingehalten worden sind?
Im Grunde handelt es sich bei dieser Anforderung, der Anforderung an seriöse Überprüfung der Zertifizierungen, um eine rechtliche Selbstverständlichkeit. Soweit keine hinreichenden Anforderungen an den Nachweis der Erfüllungen der Vorgaben gestellt werden, wäre das System nicht diskriminierungsfrei. Es würden die Unternehmen benachteiligt, die einen seriösen Nachweis führen gegenüber denen, die diesen Nachweis nicht erbringen.
Das in Europa eingeführte System von Akkreditierung und Zertifizierung, d. h. kontrollierende, begutachtende Zertifizierer müssen von einer staatlichen bzw. unabhängigen und leistungsfähigen Einrichtung auch akkreditiert, d. h. selbst überprüft werden, schafft eine transparente und verlässliche Grundlage für den Nachweis der abverlangten Systemkonformität.
Soweit es keine verlässliche Akkreditierung der Konformitätsbewertungsstellen bzw. Prüfstellen gibt würde das im westlichen Inland vertreibende Unternehmen quasi verpflichtet sein, die Produktionsbedingungen durch fachlich geeignete und zuverlässig akkreditierte Auditoren im Her¬
Das eigentliche Problem bei dem geplanten Lieferkettengesetz ist demnach die Schaffung einer diskriminierungsfreien, fachlich kompetenten, unabhängigen und kostenmäßig vertretbaren Prüforganisation. Andernfalls würde das Gesetz ins Leere laufen.
Die Rechtsprechung von BGH und EuGH zur Haftung im Falle marktzugelassener aber dennoch fehlerhafte Produkte geht eindeutig dahin, die Zertifizierer nur bei Verletzung der ihnen gesetzlich oder vertraglich auferlegten Prüfpflichten haftbar zu machen. Überträgt man dies auf die Unternehmen, so kann ihre Verantwortung nur so weit reichen, wie ihnen überhaupt befähigte und überprüfte Einrichtungen zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung stehen.
Schlimmstenfalls wird das Lieferkettengesetz dazu führen, dass sich Unternehmen über zweifelhafte NGO’s bzw. nicht überprüfte Zertifizierer eine Legitimation für die Beteiligung an menschenunwürdigen Produktionsbedingungen verschaffen können. Das soll nicht unterstellt werden, aber die Möglichkeit würde bestehen.
Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler*
* | Mehr über den Autor erfahren Sie auf Seite III. |