Der Digitalrat im Kanzleramt – Fehler bei der Besetzung?
Wenn Recht und Technik zusammenkommen, Rechts- und Ingenieurwissenschaft gemeinsam arbeiten, dann geht es meistens darum, neue Techniken in die Gesellschaft zu integrieren. Jede Technik ist nur dann wertvoll, wenn sie möglichst konfliktfrei in den Gemeinschaften genutzt werden kann. Es geht dann um die Einschätzung und Vermeidung von Risiken; das Produktsicherheitsgesetz bzw. die Konformitätsanforderungen sind dann gefragt, auch das Haftungsrecht, weil es Präventionsfunktion hat und selbstverständlich in vielfältiger Form das Zulassungsrecht, z. B. Für Medizinprodukte und Motorfahrzeuge; arbeitsrechtliche Fragen stehen an.
Die neue Technik wird dabei nicht in irgendeine Gesellschaft eingeführt, sondern regelmäßig in viele und zum Teil hinsichtlich vieler Sachverhalte recht unterschiedliche Gesellschaften. Unterschiede gibt es bei der Risikobereitschaft, der Absicherung durch Versicherungsschutz, einer dichteren oder weitläufigeren Bebauung und vielen Sachverhalten mehr. So wird in dünn besiedelten Gebieten der USA schon seit einiger Zeit das hochautomatisierte Fahren mit LKW und PKW zugelassen, ebenso in China und dort auch in dicht besiedelten Gebieten, die Risikobereitschaft kann dort verordnet werden. In Deutschland wurde seitens einer Bundesoberbehörde gerade erkannt, dass hochautomatisierte und vernetzte Maschinenanlagen durch entsprechende Programme und Daten unterschiedliche Aufgaben erfüllen können und dies bei der Konformitätsbewertung nicht hinreichend beachtet wird. Aus anderen Ländern der Europäischen Union war davon noch nichts zu hören. Europa hat gerade bei der Entwicklung bzw. gegenseitigen Anerkennung von Sicherheitsanforderungen an technische Geräten große Probleme; die Warenverkehrsfreiheit konnte erst erreicht werden, nachdem man die Regelsetzung auf Normungsinstitute übertragen hatte. Heute streitet man sich nicht gerade selten über die Auslegung der Normen und über die Art der Überprüfung. Technik und Risiko wird in den Ländern eben recht unterschiedlich bewertet. Digitalisierung umfasst auch die Versorgung von Schulen, Hochschulen und Universitäten; die Verantwortungsbereiche und Ausbildungen sind in den Staaten recht unterschiedlich geregelt.
Soweit nun ein Staat über diese Probleme nachdenkt, beginnt das Nachdenken und Planen üblicherweise und auch richtigerweise bei den eigenen Befindlichkeiten, bei den vorhandenen Regelwerken, bei der Frage wurden die Regeln akzeptiert, wurden dadurch die Risiken gemindert, wurden die verbleibenden Risiken haftungsmäßig richtig zugeordnet, reicht das für neue Techniken aus und vieles mehr. Sicher muss man auch über die Grenzen gucken, Deutschland ist Exportland; aber jeder vernünftige und sich seiner Regelwerke sicherer Staat wird zunächst nach der Akzeptanz bzw. bei der Frage nach notwendigen Regelungen bei seiner Bevölkerung, bei seinen bisherigen rechtlichen Anforderungen anfangen. Zum einen, weil eine Regierung bzw. ein Parlament der eigenen Bevölkerung verpflichtet ist und zum anderen, weil nichts dagegen spricht zu versuchen, die eigenen Standards auch woanders durchzusetzen.
So wurde in der Vergangenheit auch immer gearbeitet. Nun gibt es eine Wende. In Deutschland wurde kürzlich ein sog. Digitalrat eigesetzt. Von einer Staatsekretärin im Kanzleramt einberufen. In diesem Zusammenhang gibt es eine gute aber auch eine sehr schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass die Bundesregierung Experten in ihre Entscheidungen einbeziehen will; weiterhin gut, zu diesen Experten gehören auch Juristen, schlecht ist dabei aber diese Juristen kommen aus dem Ausland, u. a. aus New York – von einer Ausnahme abgesehen, allerdings nur für ein Randgebiet.
Technischer Sachverstand mag von überall hergeholt werden, da sind Grenzen kein, überhaupt kein Argument, aber Juristenwissen ist doch in erster Linie für die Frage von Interesse was ist hier zu veranlassen, reichen die bestehenden rechtlichen Regeln, kann die Rechtsprechung damit arbeiten, sind die Sicherheitsstandards passend, gibt es neue Risikobereiche, sind die in Deutschland versicherbar, wie wirken sie sich im Arbeitsleben aus? Insofern ist der Jurist
Wieso es in dieser technikaffinen Zeit zu solch einer Fehlentscheidung kommen konnte, lässt sich nur vermuten. Die Staatssekretärin kommt von einer ausländischen Unternehmensberatung, das schafft internationale Verbindungen, auf die man gern zurückgreift, es passt nur nicht immer. Wollen wir hoffen, dass bald korrigiert wird; es gibt für diesen Bereich auch in Deutschland hinreichend Potenzial.
Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler*
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