Änderungen im Patentgesetz – Einbeziehung technischen Wissens in den Verletzungsprozess und Einschränkung des Unterlassungsanspruchs
Dem Bundestag liegt ein Gesetzesentwurf zur Änderung des Patentgesetzes vor. Im Wesentlichen geht es um zwei Änderungen. Es soll eine Verbindung zwischen den beiden patentrechtlichen Verfahren hergestellt werden, eine Synchronisation zwischen Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren. Die Änderung zielt darauf ab, dem Verletzungsrichter technisches Wissen zur Verfügung zu stellen, damit dieser darüber entscheiden kann, ob die Verletzungsklage bis zu einer Entscheidung des Patentgerichts ausgesetzt werden kann.
Relativ kurze Zeit nach der Einreichung der Nichtigkeitsklage soll dem Verletzungsrichter vom Nichtigkeitssenat des Bundespatentgerichts eine erste Einschätzung der Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage übermittelt werden. Das ist schon deshalb zu begrüßen, weil die Verfahren vor dem Patentgericht immer noch sehr lange andauern, sich oft über Jahre hinziehen und im Verletzungsprozess schon frühzeitiger zur Unterlassung und zur Leistung von Schadensersatz verurteilt werden kann; im Falle der Insolvenz des ursprünglich Berechtigten wären dies verlorene Leistungen und damit verbundene Produktionsausfälle, die nicht mehr ausgeglichen werden könnten.
Es hätte auch bessere Lösungen des Problems geben können. Wie für das Gemeinschaftspatent geplant, hätte der technische Sachverstand auch durch die Einbeziehung eines technischen Richters des Bundespatentgerichts in die zuständige Kammer des Landgerichts geregelt werden können. Vorbilder für die Einbindung von Richtern aus Fachgerichten in die ordentliche Gerichtsbarkeit gibt es schon heute. Die Kammern für Baulandsachen bei den Landgerichten werden durch einen Verwaltungsrichter unterstützt. Der Verwaltungsrichter gehört dann auch zum Spruchkörper des Gerichts.
Aber auch die zweitbeste Lösung ist besser als der bisherige Zustand.
Die zweite Änderung betrifft den Unterlassungsanspruch des Patentinhabers gegen den Verletzer. Der Unterlassungsanspruch ist künftig von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abhängig. Seine Durchsetzung hängt dann davon ab, ob das Verbot der weiteren Nutzung der Erfindung durch den Verletzer auch unter Berücksichtigung seiner Interessen gerechtfertigt ist. Das klingt zunächst befremdlich, ist aber aufgrund der möglichen Ausnutzung der Monopolstellung des Patentinhabers durchaus nachvollziehbar.
Der Unterlassungsanspruch oder die Drohung mit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs wird nicht selten als Druckmittel für überzogene Lizenzansprüche eingesetzt. Der erfolgreich geltend gemachte Unterlassungsanspruch kann ja auch ganze Produktions- und Dienstleistungsbereiche betreffen und zunichtemachen. Der einzige Ausweg ist dann – auch bei weit überhöhten Lizenzanforderungen – zu zahlen.
Die Deutsche Telekom musste das hinnehmen und auch die deutsche Automobilindustrie war im Zusammenhang mit Patenten im Bereich des automatisierten Fahrens bereits als Opfer ausgesucht worden.
Was gibt es zur Patentrechtsänderung anzumerken? Das Problem der Ausnutzung von besonders wertvollen, von sogenannten standardessentiellen Patenten ist seit der EuGH-Entscheidung in Sachen LTE Standard (Urteil vom 16.7.2015) gelöst. Patentierte Erfindungen, die Gegenstand von Normen sind und für die eine Lizenzbereitschaftserklärung (sog. Frand-Erklärung) abgegeben wurde, müssen Dritten zu angemessenen Lizenzbedingungen zur Nutzung überlassen werden.
Einschlägig für die Eingrenzung der Unterlassungsansprüche sind auch die sog. essential facilities Urteile des EuG und des EuGHs auf der Grundlage des europäischen Wettbewerbsrechts. Danach liegt auf der Grundlage von Art. 102 AEUV ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, wenn die patentierte Erfindung benötigt wird bzw. ihre
Zu dieser essential facility Rechtsprechung bestehen Anknüpfungspunkte zur Einordnung der neu eingeführten Verhältnismäßigkeitsprüfung. Durch die Rechtsprechung ist klargestellt, dass das Monopol nur dann eingeschränkt werden darf, wenn es um nachgelagerte oder eben um andere Märkte geht, also nicht um den Markt, der bisher vom Patentinhaber bedient wird. Diese Eingrenzung muss auch unter der Verhältnismäßigkeitsprüfung beachtetet werden. Es kann nicht argumentiert werden, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unverhältnismäßig ist, wenn die Duldung des durch die Erfindung erreichten Vorsprungs zur Konkurrenz wieder schwinden würde.
Solch eine Einordnung der Verhältnismäßigkeitsregelung wäre mit der Bedeutung des Schutzrechts nicht vereinbar. Soweit der Berechtigte aber auch die Konkurrenz bedient und nur einzelne ausschließen will, wäre der Unterlassungsanspruch abzulehnen.
Im Ergebnis wird es demnach trotz der Aufnahme des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Rechtsprechung zu Art. 102 AEUV bleiben. Die Erfindung muss für einen anderen Markt eingesetzt werden und ihre Nutzung muss für die Produktion unerlässlich oder zumindest auch aus wirtschaftlicher Sicht zwingend erforderlich sein.
Prof. Dr. Dr. Jürgen Ensthaler