Willkommen zur 5. Ausgabe “Geldwäsche & Recht”
Liebe Leserinnen und Leser,
seit dem Erscheinen unseres letzten Heftes hat sich die Welt schlagartig verändert. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist – lang überwunden gehofft – der Krieg zurück nach Europa gekehrt. Unter dem Schlagwort der “Zeitenwende” stehen nun in vielen Bereichen alte Gewissheiten auf dem Prüfstand und viele stille Versäumnisse der letzten Jahre treten jäh ans Licht. Das trifft auch auf den Gegenstand dieses Heftes, die Abwehr von Geldwäsche und Terrorfinanzierung, zu. Denn nun, wo insbesondere die Vereinigten Staaten sowie die Europäische Union verstärkt auf Sanktionen und Embargos setzen, um Druck auf die russische Führung auszuüben, fällt einer breiten Öffentlichkeit auf, was die Fachwelt seit langem beschäftigt: Es ist heute immer noch allzu leicht, Vermögen zu transferieren und zu verwalten, ohne dabei die eigene Identität preisgeben zu müssen. Was auf dem Gesetzespapier theoretisch an Regeln zur Schaffung von Transparenz vorhanden ist, lässt sich praktisch durch Briefkastenfirmen und Strohleute leicht aushebeln, wenn die Regeln nicht ohnehin gänzlich ignoriert werden. Sanktionen für solche Normverstöße gibt es selten, individuelle strafrechtliche Konsequenzen sind – wenn es nicht um sog. Finanzagenten geht – in der Praxis faktisch ausgeschlossen. Dass viele Banken, Kanzleien und selbst ganze Staaten die Unterstützung von Verschleierungshandlungen zum Geschäftsmodell gemacht haben, hat man ebenso achselzuckend hingenommen wie die weitgehende Handlungsunfähigkeit der staatlichen Geldwäscheabwehr. Das Ergebnis ist ein kompromittiertes, nur sehr bedingt abwehrbereites Finanzsystem, in dem sich die ambitionierten außenpolitischen Sanktionen kaum durchsetzen lassen. Bedrohte die Ineffizienz der Geldwäschebekämpfung schon bisher die innere Sicherheit, so unterminiert sie im Angesicht des Krieges nun auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit des Staates.
Die skizzierten aktuellen Entwicklungen spiegeln sich auch in der neuen Ausgabe der GWuR wider: Prof. Dr. Kilian Wegner liefert einen Überblick des schon erwähnten EU-Individualsanktionsregimes, das anlässlich des russischen Angriffskrieges in den letzten Wochen immer wieder verschärft wurde und die Compliance-Praxis vor erhebliche Herausforderungen stellt. In einem Vertiefungsbeitrag, den wir als Text-Kategorie erstmals in das Heft aufgenommen haben, beschäftigt sich Dr. Benjamin Vogel vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht mit der Rolle der FIU in der Sicherheitsarchitektur und unterbreitet Vorschläge für eine Reform.
Im Bereich des Nicht-Finanzsektors haben wir einen Beitrag von Dr. Markus Stief und Penelope Schneider aufgenommen, die die Entwicklung der Identifizierungspflicht bei Immobilienmaklern im nationalen Recht nachzeichnen und dabei Komplikationen aufzeigen, die durch die anstehende EU-Geldwäschereform in diesem Bereich drohen.
Für den Bereich der repressiven Geldwäschebekämpfung hat unser Beiratsmitglied Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi einen Beitrag verfasst, der die – bisher publizistisch noch nicht erörterte – Frage behandelt, wie sich die jüngste Reform des Geldwäschetatbestands auf die Vermögensabschöpfung in Geldwäschefällen auswirkt. Dazu passend hat die Redaktion ein Interview mit Jana Ringwald von der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt a. M. und Nils von Schoenaich-Carolath vom Bankhaus Scheich geführt, in dem es um Grund und Grenzen der Kooperation von Staatsanwaltschaft und Finanzdienstleistern bei der Verwertung von eingezogenen Krypto-Token geht.
Der Bereich des Finanzsektors wird von Dr. Gerrit Tönningsen abgedeckt, der die neue Kryptotransfer-Verordnung und die dadurch statuierten verstärkten Sorgfaltspflichten für Kryptowertedienstleister in den Blick nimmt.
Den Abschluss des Heftes bildet die regelmäßig abgedruckte Rechtsprechungsübersicht, die Prof. Dr. Mohamad El-Ghazi diesmal gemeinsam mit Alina Hoffmann verfasst hat.
Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Ihre Redaktion
Dr. Jacob Wende, Penelope Schneider, Prof. Dr. Kilian Wegner