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EWS 2024, I
Repasi 

Recht auf Reparatur: Paradigmenwechsel beim Verbrauchsgüterkauf

Abbildung 1

Der deutsche Gesetzgeber ist aufgefordert, die Frage nach dem erneuten Verjährungsbeginn bei Nacherfüllung zu regeln

Die Massenproduktion von immer kurzlebigeren Konsumgütern führt zu einem stetig wachsenden Verbrauch kritischer Rohstoffe, die immer knapper werden. Die vorzeitige Entsorgung eigentlich funktionsfähiger Produkte erhöht die Müllberge und klimaschädliche Emissionen. Die beste Art, dieser Verschwendung kritischer Rohstoffe und der unnötigen Belastung von Umwelt und Klima etwas entgegenzuhalten, ist die effektive Verlängerung der Lebensdauer von Konsumgütern. Die Reparatur ist das entscheidende Instrument. Laut einer Euro-Barometer-Umfrage aus dem Jahr 2014 würden 77 % der befragten Verbraucher eine Reparatur einer Neuanschaffung vorziehen. Reparatur ist derzeit jedoch unattraktiv. Innerhalb der Gewährleistungsfrist trifft der reparaturwillige Verbraucher auf einen Verkäufer, der wenig Reparaturbereitschaft, aber ein volles Lager mit neuen Geräten hat. Außerhalb der Gewährleistungsfrist ist die Reparatur teilweise deutlich teurer als die Neuanschaffung eines Billiggeräts aus einem Drittstaat, was an den Produktionsbedingungen in diesem Staat liegt, aber auch an überhöhten Ersatzteilpreisen, deren Verfügbarkeit und designbedingten Reparaturhindernissen.

Hier setzt das Recht auf Reparatur an, welches von der Kommission im März 2023 vorgeschlagen wurde und auf das sich das Europäische Parlament und der Rat mit dem Abschluss der Trilog-Verhandlungen am 1. 2. 2024 geeinigt haben. Dabei ist zwischen den Zeiträumen innerhalb der gesetzlichen Gewährleistungsfrist und außerhalb davon zu unterscheiden. Mit Blick auf die Sachmängelhaftung während der gesetzlichen Gewährleistungsfrist ändert das Recht auf Reparatur die 2019 verabschiedete Warenkaufsrichtlinie (EU) 2019/771. Ausgangspunkt ist die Einführung der “Reparierbarkeit” als neue objektive Anforderung an die Vertragsmäßigkeit in Art. 7 Abs. 1 lit. d). Mit einem generellen Vorrang der Reparatur vor der Ersatzlieferung als Abhilfe bei Vertragswidrigkeit, sofern diese kostengünstiger ist, konnte sich die Kommission jedoch nicht durchsetzen. Stattdessen führt das Recht auf Reparatur eine zumindest einmalige Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist um zusätzlich mindestens 12 Monate ein, sofern die Ware innerhalb der ursprünglichen Gewährleistungsfrist repariert wurde. Damit erhalten Verbraucher eine Mindestgewährleistungsfrist von 36 Monaten, wenn sie die von ihnen gekaufte Ware wegen eines Sachmangels bei Gefahrübergang reparieren lassen. Da es sich um eine pauschale Verlängerung der ursprünglichen Gewährleistungsfrist handelt, bezieht sie sich auf die gesamte Ware und nicht nur auf den beseitigten Mangel.

Damit ist der deutsche Umsetzungsgesetzgeber dazu aufgefordert, die umstrittene Frage nach dem erneuten Verjährungsbeginn bei Nacherfüllung gesetzlich zu regeln. Während die Rechtsprechung einen entsprechenden Neubeginn unter den Voraussetzungen des Anerkenntnisses gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB annimmt, ist die Frage bei einer Nacherfüllung aufgrund Kulanz ungeklärt. Für die Nachbesserung in Form der Reparatur muss der Gesetzgeber handeln. Dies kann zu einer Ungleichbehandlung von Ersatzlieferung und Nachbesserung führen, die durch die Förderung der Reparatur rechtfertigbar wäre. Wegen der Mindestharmonisierung der Gewährleistungsfristen wäre aber auch ein Gleichlauf des Neubeginns der Verjährung bei beiden Arten der Nacherfüllung denkbar.

Mit dem Ablauf der Gewährleistungsfrist erhält der Verbraucher erstmals einen Rechtsanspruch auf Reparatur gegenüber dem Hersteller, der jedoch sachlich auf solche Waren beschränkt ist, für die der Unionsgesetzgeber Reparierbarkeitsvoraussetzungen aufgestellt hat. Praktisch relevanter sind jedoch die Regelungen, mit denen Reparaturhindernisse für unabhängige Reparierer angegangen werden. Hersteller von reparaturpflichtigen Waren müssen Ersatzteile und Werkzeuge, die diese zur Verfügung stellen, zu angemessenen Preisen anbieten, die eine Reparatur nicht verhindern dürfen. Außerdem dürfen Hersteller keine vertraglichen Klauseln, Hardware- oder Software-Techniken verwenden, die Reparaturen behindern, sofern diese nicht angemessen sind, um legitime und objektive Gründe zu erreichen. Sie dürfen insbesondere die Verwendung von Gebrauchtersatzteilen und Ersatzteilen aus 3D-Druckern nicht unterbinden, soweit diese im Einklang mit den einschlägigen Produktsicherheitsvorgaben und dem Schutz geistigen Eigentums stehen.

Sobald das Unionsrecht neue Reparierbarkeitsanforderungen für andere Produktkategorien vorsieht, muss die Kommission durch Annahme eines delegierten Rechtsakts den Anwendungsbereich der reparaturpflichtigen Waren ausweiten. Die Pflichten der Hersteller können zudem nunmehr auch im Wege der Verbandsklage überprüft und eingeklagt werden.

In Anbetracht der eingangs erwähnten Reparaturwilligkeit der europäischen Verbraucher dürfte das Recht auf Reparatur zu einem Paradigmenwechsel führen, der Verbrauchern besondere Anreize schafft, um anstelle einer Ersatzlieferung oder einer Neuanschaffung die Gebrauchsdauer eines Geräts durch Reparatur zu verlängern.

Prof. Dr. René Repasi, Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel

 
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