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EWS 2022, I
Gallée 

Neue EU-Regeln schützen Verbraucherinnen und Verbraucher vor missbräuchlicher Kreditvergabe

Abbildung 1

Die Revision war notwendig wegen der Digitalisierung des Verbraucherkredit-Sektors und neuer, riskanter Produkte

Am 2. 12. 2022, gegen 4 Uhr früh, erzielten das EU-Parlament, die Kommission und der Rat in Verhandlungen eine politische Einigung über die neue Verbraucherkreditrichtlinie (Consumer Credit Directive – CCD). Die überarbeitete Gesetzgebung ersetzt die geltende Richtlinie von 2008.

Seit September 2022 wurde über einen Text verhandelt, den die Kommission bereits im Juni 2021 vorgeschlagen hatte. Neuen Einschätzungen zufolge war die bestehende Richtlinie nicht mehr zweckmäßig. Dies liegt vor allem an der zunehmenden Digitalisierung des Verbraucherkredit-Sektors und dem Aufkommen neuer, riskanter Produkte, wie dem Sofortkauf-Kredit und Zahltag-Kredit.

Erhebungen zeigen, dass Überschuldung in Europa ein wachsendes Problem ist. Nach Angaben von Eurostat ist etwa jeder Fünfte in Europa von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Bei nur geringen finanziellen Spielräumen greifen diese Menschen am ehesten auf Verbraucherkredite zurück, um unerwartete Kosten zu decken. Die Pandemie seit 2020 und die Krise bei den Lebenshaltungskosten durch den Ukraine-Krieg machen es den Menschen noch schwerer, über die Runden zu kommen.

Bisher haben viele Mitgliedstaaten einseitig nationale Vorschriften zur Regulierung von Verbraucherkrediten erlassen, um sicherzustellen, dass keine überhöhten Zinssätze verlangt werden. Die neue Richtlinie harmonisiert diese Maßnahmen und gewährleistet ein hohes Maß an EU-Verbraucherschutz. Das Ergebnis verspricht einen besseren Zugang zu Diensten der Schuldnerberatung, mehr Flexibilität bei der Kreditrückzahlung und eine solide Kreditwürdigkeitsprüfung für alle Verbraucherkredite.

Die schwierigste Frage während der Verhandlungen war, wie der Anwendungsbereich geregelt werden sollte. Bisher waren nicht alle Arten von Verbraucherkrediten in den Anwendungsbereich einbezogen, darunter Kredite unter 200 Euro, zinsfreie Kredite (Sofort-Kaufen-Zahlung-Später-Kredit) und Kredite, die innerhalb von drei Monaten zurückgezahlt werden müssen (z. B. Zahltag-Kredite). Dies war ein Fehler, der in den 2010er Jahren zu einem Boom in der Branche und zum Entstehen neuer Kreditgebenden wie Klarna führte, die schnelle und bequeme Finanzierungen am Verkaufsort anbieten.

Das Problem: Viele Kreditgebende prüfen nicht, ob sich Kunden den angebotenen Kredit tatsächlich leisten können. Darüber hinaus sind Informationen, die Kunden durch Werbung und in der vorvertraglichen Phase zur Verfügung gestellt werden, oft unklar, versteckt oder werden überhaupt nicht präsentiert. Dies ist vor allem bei teuren und kurzfristigen Krediten problematisch, die für Kunden oft schlechtere Bedingungen mit sich bringen als höherwertige Kredite. Finance Watch stellte in einer Studie 2021 fest, dass der durchschnittliche effektive Jahreszins für Zahltag-Kredite bei 2543 % lag, wobei der höchste Satz sogar mit unglaublichen 30341,1 % festgestellt wurde.

In der vorläufigen Einigung sind sich die Parteien einig, alle diese Kredite in den Geltungsbereich mit aufzunehmen. Dies ist ein Sieg für den Verbraucherschutz in Europa, denn es bedeutet, dass die CCD-Vorschriften künftig für alle Verbraucherkredite gelten werden, was einen besseren Verbraucherschutz und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die verantwortungsvollsten Kreditgebenden gewährleistet. Sie gilt auch für Nicht-Bank-Kreditgebende und Kreditvermittelnde (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen und KMU), die dann ebenfalls einem Zulassungsverfahren sowie der Registrierung und Überwachung durch unabhängige nationale Behörden unterliegen.

Dieser Fortschritt hatte jedoch einen Preis. Keine Einigung gab es bei der Festlegung von europaweit verbindlichen Kostenobergrenzen, wie von der Kommission vorgeschlagen. Stattdessen lässt der Kompromiss den Mitgliedstaaten genügend Spielraum, sich auf Gesetze gegen Wucher statt auf tatsächliche Obergrenzen zu stützen. Dies ist auch in Deutschland der Fall. Wuchergesetze bieten nicht das gleiche Maß an Schutz, da sie nicht klar genug sind und nur durchgesetzt werden können, wenn die Kunden die Zeit und das Geld mitbringen, vor Gericht zu gehen.

Der Kompromiss ist dennoch ein sehr gutes Ergebnis und wird die nächsten 10 Jahre ein hohes Schutzniveau gewährleisten, da es nicht mehr möglich sein wird, einen Kredit ohne eine positive Bonitätsprüfung zu vergeben. Darüber hinaus sind die Kreditgebenden streng auf wirtschaftliche Daten, wie Informationen über Einkommen und Verbindlichkeiten, beschränkt und können keine persönlichen sensiblen Informationen, wie Daten über die ethnische Herkunft der Kunden, politische Überzeugungen, Gesundheitsdaten oder Daten aus sozialen Medien verwenden.

Die neue Richtlinie bietet zusätzlichen Schutz für Kunden in finanziellen Schwierigkeiten. Kreditgebende sollten Kunden in Schwierigkeiten an Schuldnerberatungsstellen verweisen, die die Mitgliedstaaten zur Verfügung stellen müssen. Kunden, die mit ihren Zahlungen im Rückstand sind, werden von stärkeren Kulanzmaßnahmen profitieren, wie der Möglichkeit, Zahlungen aufzuschieben. Den Gläubigern wird es nicht gestattet sein, höhere Gebühren als nötig zu erheben, um die Kosten eines Zahlungsausfalls zu kompensieren.

Sozial verantwortliche Gesellschaften kümmern sich um die schwächsten Bürgerinnen und Bürger und schützen sie. Das ist das Versprechen der neuen Verbraucherkreditrichtlinie. Zu lange haben bestimmte Kreditanbietende davon profitiert, dass sie sich nicht an die Verbraucherkreditrichtlinie halten mussten. Das hat jetzt ein Ende. Die neue Verbraucherkreditrichtlinie wird ihrer Aufgabe als entscheidendes Verbraucherschutzinstrument zur Bekämpfung der Überschuldung in Europa gerecht werden.

Malte Gallée, Mitglied des Europäischen Parlaments, Brüssel

 
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