Markt pur oder nationale Planung für erneuerbare Energien?
Die Förderung erneuerbarer Energien steht am Scheideweg: Setzt sich die Kommission mit ihrem Wettbewerbsansatz durch oder erfolgt die Korrektur des Winterpakets vom 30. 11. 2016 durch den Beschluss des Europäischen Parlaments vom 17. 1. 2018, in dem eine nationale, von der Kommission begleitete Planung der Förderung erneuerbarer Energien vorgesehen ist? Welches Modell gilt also für die Zukunft: Haben wir ein reines Wettbewerbsmodell ohne Einspeisevorrang und Förderung erneuerbarer Energien, die sich in der Konkurrenz auch mit konventionellen Energieträgern durchsetzen sollen? Oder aber wird das bisherige Modell fortgeführt und praktisch nur stärker an die Kommission angebunden?
Der Aufschlag kam von der Kommission in ihrem Winterpaket vom 30. 11. 2016, SWD (2016) 416 final, REFIT evaluation of the Directive 2009/28/EC of the European Parliament and of the Council, 6.2.3.: “Against this background, the provision of priority dispatch and priority grid access will need to be reassessed in the context of in the on-going Electricity Market Design initiative in view of the main policy objectives of sustainability, security of supply and competitiveness.” Sie nennt dafür eine Reihe von Gründen, unter anderem:
Subsidy schemes based on priority dispatch (such as Feed-in Tariffs) are often based on high running hours and a mitigation of market signals to the subsidized generator (“produce and forget”). This means that non-subsidized generation is increasingly pushed out of the market even where this is not cost-efficient;
Situations in which more than 100 % of demand is covered by priority dispatch become more prevalent. This lowers the investment security and can lead to unnecessary curtailment of renewable electricity;
Electricity generation should be guided by price signals. In a situation where the clear majority of power generation does not react to price signals, market integration fails and market signals cannot develop; [. . .]
Priority dispatch and priority grid access limit the choice for transmission system operators to intervene in the system (e. g. in case of congestion on certain parts of the electricity grid). This can result in less efficient interventions (e. g. re-dispatching power plants in suboptimal locations);
Priority dispatch rules for high marginal cost technologies (e. g. biomass) can result in using costly primary resources to generate electricity at a time where other, cheaper, technologies were available.”
Angesichts dieser Gründe soll mithin die Abnahmegarantie für Ökostrom außer für kleine Anlagen verloren gehen. Dadurch will die Kommission die Wettbewerbsgleichheit mit konventionellen Energieträgern wiederherstellen. Dementsprechend findet sich im Vorschlag der Kommission für eine neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie kein Einspeisevorrang. Er bleibt nur noch in Art. 12 Abs. 2 des Vorschlags für eine Elektrizitätsbinnenmarkt-VO der Vorrang erneuerbarer Energien bei der Regulierung von Netzengpässen. Eine Begrenzung der Förderung ergibt sich aus den Leitlinien für Umweltschutz- und Energiebeihilfen. Darauf beruht auch das jetzt etablierte Ausschreibungsmodell.
Demgegenüber formuliert das Europäische Parlament in seinem Beschluss vom 17. 1. 2018 konkrete Prinzipien für die Ausgestaltung nationaler Fördersysteme
mit der Wahlmöglichkeit technologiespezifischer und technologieneutraler Ausschreibungen;
mit der Möglichkeit von Sonderregelungen für kleine Akteure und die Bürgerenergie;
mit der Pflicht zur Vorlage fünfjähriger Investitions- und Ausschreibungsfahrpläne sowie zur Wahrung des – auf EU-Ebene generell schwach ausgeprägten – Bestandsschutzes;
mit der Pflicht der Mitgliedstaaten, bis Juni 2019 ihre nationalen Energie- und Klimapläne mit nationalen Ausbaupfaden und Zwischenprüfsteinen vorzulegen, damit Investoren planen können und ein progressiver Ausbau der erneuerbaren Energien zur Erreichung des 2030-Ziels ermöglicht wird. Der maßgebliche regulatorische Steuerungsrahmen findet sich dabei in der Governance-VO;
mit einem Ausbauziel von 35 % bis 2030 statt 27 %, wie von Kommission und Rat vorgeschlagen, sowie nationalen Zielvorgaben, deren Erhöhung die Kommission fordern, allerdings nicht durchsetzen und erzwingen kann, um das EU-Gesamtziel zu erreichen,
in Bezug auf Berichtspflichten der Mitgliedstaaten über Maßnahmen zur Flexibilisierung des Energiesystems: Parallele zu Pariser Klimaübereinkommen.
Danach sind nunmehr maßgebliche Steuerungsmöglichkeiten auf EU-Ebene vorgesehen, welche die nationalen Energie- und Klimapläne begleiten. Sie gehen über die bisherige Beihilfenkontrolle weit hinaus, deren Fortbestand ohnehin für Deutschland durch das zu erwartende EuGH-Urteil in der Sache C-405/16 P in Frage steht (näher Frenz, EWS 2017, H. 1, Die erste Seite).
Das Endergebnis, welcher Weg eingeschlagen wird, ergibt sich aber erst aus den noch notwendigen Verhandlungen des Europäischen Parlaments mit dem Europäischem Rat und der Kommission mit Abschluss bis Ende 2018. Dann besteht Klarheit über eine notwendige Ausarbeitung auch eines deutschen Energie- und Klimaplans, der dann als mitgliedstaatliches Fördermodell auch weiterhin einen Einspeisevorrang und eine Förderung erneuerbarer Energien enthalten kann. Das aktuell geltende EEG 2017 ist bis 2020 genehmigt. Für ein neues EEG zählen die kommenden neuen Vorgaben und Regeln.
Das Recht der erneuerbaren Energien steht also wieder einmal an einer entscheidenden Weggabelung, die auch ein Schlaglicht auf die Entwicklung der gesamten Union wirft: Wettbewerb in Gänze oder mit planenden Elementen.
Prof. Dr. Walter Frenz, Aachen, RWTH University