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CB 2021, I
Möller 

Schattenspiele

„Die neue Dunkelkammer des Abmahnrechts“

Für die Bekämpfung des Missbrauches von Rechtsinstituten ist es unverzichtbar, zunächst zu untersuchen, was es eigentlich genau zu bekämpfen gilt. Diese eigentlich notwendige analytische Aufgabe erfreut sich allerdings keiner allzu großen Beliebtheit und so ist es immer wieder zu beobachten, dass kurzerhand „irgendwelche“ Regelungen durchs Gesetzgebungsverfahren gepeitscht werden, die von vornherein nur als „untauglicher Versuch“ zur Erreichung des gesetzgeberisches Ziels bezeichnet werden können. Regelmäßig verfehlen diese Regelungen nicht nur ihr Ziel, sondern bringen erhebliche Nebenwirkungen mit sich.

In diese Kategorie gesetzgeberischer Maßnahmen gehören auch die meisten Maßnahmen des am 9. 12. 2020 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Neben einer Beschränkung der Anspruchsbefugnis auf Mitbewerber, die Waren und Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich anbieten, sind künftig nur solche Wirtschaftsverbände anspruchsbefugt, die in eine beim Bundesamt für Justiz einzurichtende Liste eingetragen sind, wobei die Eintragungsvoraussetzungen in § 8b UWG n. F. geregelt sind.

Mit § 8c UWG n. F. existiert nunmehr eine umfassende Regelung zum Rechtsmissbrauch. Obgleich sie – wie auch das bisherige Recht – auf „die gesamten Umstände“ abstellt, werden darin sieben Regelbeispiele für Missbrauch aufgeführt. Diese enthalten praktisch nichts Neues. Sie entsprechen vielmehr den von der Rechtsprechung in den letzten Jahren herausgearbeiteten Missbrauchsindizien. Immerhin hat der Rechtsausschuss noch auf der Zielgeraden des Gesetzgebungsverfahrens eingegriffen und dafür gesorgt, dass auch bei Vorliegen eines Regelbeispiels ein Rechtsmissbrauch verneint werden kann, wenn andere Umstände die Vermutung entkräften. Nicht neu ist, dass der missbräuchlich Abgemahnte, Ersatz der Kosten für die Rechtsverteidigung verlangen kann.

In besonderem Maße nebenwirkungsbelastet ist die Regelung des § 13 UWG n. F. Darin finden sich nunmehr dezidierte Vorgaben zum Inhalt einer Abmahnung sowie dazu, dass diese „klar und verständlich“ sein müssen. Entspricht eine Abmahnung dem nicht, so kann der Abgemahnte Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, selbst wenn die Abmahnung sachlich berechtigt ist. Der Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten wird für anspruchsberechtigte Mitbewerber in zwei Fällen ausgeschlossen: Einerseits bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr, andererseits bei Verstößen gegen die DSGVO und das BDSG durch Unternehmen und Vereine, die in der Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen. Besonders die letztgenannte Regelung irritiert, steht doch noch nicht einmal fest, ob Verstöße gegen die DSGVO überhaupt mit lauterkeitsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden können. Hierzu wird die Antwort des EuGH auf das Vorabentscheidungsersuchen des BGH in der Sache I ZR 186/17 abzuwarten sein.

Das toxische Maßnahmenpaket wird schließlich ergänzt durch komplizierte Regelungen zur Vertragsstrafe in § 13a UWG n. F. Sie betreffen sowohl die Vereinbarung als auch die Durchsetzung von Vertragsstrafen. Vollkommen systemwidrig – die Abmahnung zielt auf die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – wird für bestimmte Verstöße die Vereinbarkeit von Vertragsstrafen in § 13a II UWG n. F. ausgeschlossen. Kaum besser ist die Regelung des § 13a III UWG n. F., wonach die Vertragsstrafe in anderen Fällen eine Höhe von 1.000 EUR nicht überschreiten darf. Gerade im Zusammenspiel mit der bereits erwähnten Neuregelung des § 8c II UWG n. F. erweist sich auch § 13a UWG n. F. als Abmahnrisiko: Bereits die Forderung einer offensichtlich überhöhten Vertragsstrafe soll die Annahme eines Rechtsmissbrauches rechtfertigen, was dann auch zu einem Kostenersatzanspruches für die Rechtsverteidigung führt.

Es ist noch nicht absehbar, wie groß der durch die Neuregelungen verursachte Kollateralschaden am Ende sein wird. Es bleibt die Frage, ob es bei so viel Schatten nicht auch irgendwo ein wenig Licht geben muss? Ja, das gibt es tatsächlich: Die Einschränkung des sog. „fliegenden Gerichtsstandes“ durch § 14 II 2 Nr. 1 UWG n. F. war längst überfällig. Das wesentliche Argument, das für dessen Beibehaltung vorgebracht wurde, ist die Spezialisierung der Gerichte. Diese ist jedoch gegebenenfalls durch Zuständigkeitskonzentrationen umzusetzen, nicht durch einseitige Erweiterungen der Handlungsoptionen einer Prozesspartei. Letzteres ist aber bei der Eröffnung mehrerer Gerichtsstände notwendigerweise der Fall, da die Wahl unter mehreren zuständigen Gerichten dem Kläger zusteht (§ 35 ZPO).

Fazit: Auch mit einem kleinen Licht lassen sich viele Schatten erzeugen. Die Rechtspraxis wird sich in der neuen „Dunkelkammer des Abmahnrechts“ orientieren müssen. Vor dem Ausspruch von Abmahnungen ohne fachkundige Hilfe kann jedenfalls nur noch eindringlich gewarnt werden.

Abbildung 1

Dr. Mirko Möller, LL. M. ist Rechtsanwalt und Notar in Dortmund, zugleich Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz und für Handels- und Gesellschaftsrecht. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Gewerblichen Rechtsschutz bei der Rechtsanwaltskammer Hamm und Mitglied des gleichnamigen Ausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer.

 
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