Rundfunkbeitragserhöhung – oder: „The Good, the Bad and the Ugly“
„Es braucht eine grundlegende Reform. Und keine Beitragserhöhung.“
Die (Zwillings-)Schwester von Compliance ist (good) Governance. Als Governance bezeichnen wir ein gutes Steuerungs- bzw. Regelungssystem einer politisch-gesellschaftlichen Einheit. Das Debakel, das wir – als Medienempfänger, als Staatsbürger, als Beitragszahler... – in den letzten Monaten im Zusammenhang mit der beabsichtigten, aber jedenfalls zunächst nicht zustande gekommenen Rundfunkbeitragserhöhung miterleben durften, darf aber allenfalls noch als bad Governance bezeichnet werden:
Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film wird gewährleistet – diese Grundgesetzbestimmung (Art. 5 I 2) ist vom Bundesverfassungsgericht schon in den 60er Jahren im Sinne einer Staatsfreiheit des Rundfunks ausgelegt worden. Und in Folge dieser Staatsfreiheit hat sich das Bundesverfassungsgericht fortan selbst zum Quasi-Gesetzgeber in Sachen „Rundfunk“ aufgeschwungen: Erst wurde eine Finanzierungsgarantie aus der Rundfunkfreiheit abgeleitet, dann eine Staatsfreiheit der Gebührenfestsetzung postuliert. Um letztere vermeintlich zu gewährleisten, wurde die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kurz KEF, ins Leben gerufen.
Und eben diese KEF empfahl jetzt, den Rundfunkbeitrag um 0,86 EUR/Monat („Worüber regen Sie sich eigentlich auf?“) zu erhöhen – was sich allerdings für die vierjährige Empfehlungsperiode auf ca. 1.525.400.000,00 EUR saldiert („Darüber rege ich mich auf!“). Allerdings beließ es die KEF nicht bei der Empfehlung, die Gebühren zu erhöhen, sondern mahnte zugleich dringend Reformen an.
Und die Länder – ganz staatsfrei geht es dann eben doch nicht – gefielen sich darin, der Erhöhungsempfehlung (aber auch nur der) unverzüglich in Ratifizierungsgesetzen zum Medienstaatsvertrag zu folgen, getreu dem Motto „Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing.“ Und welcher Politiker könnte es sich denn versagen, auf Kosten der Beitragszahler dem öffentlich-rechtlichen Sänger eine besonders dicke Stulle zu schmieren, damit der das Lied des Politikers nur besonders schön und besonders laut singt?
Und welcher leitende Mitarbeiter der Öffentlich-rechtlichen würde sich beim „Singen“ nicht auch besonders viel Mühe geben, wenn es doch das Umfeld eben dieser Politiker ist, das un- oder auch nur mittelbar über die Verlängerung des einen oder anderen Vertrages eines Leitenden jedenfalls mitentscheidet? Und dazu dem einen oder anderen vielleicht auch noch der lückenlose Wechsel vom Nachrichten- zum Regierungssprecher winkt1?
Und das Heer der (mit nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts bizarr anmutenden, von einem in sich widersprüchlichen Sonderrecht der Öffentlich-rechtlichen geprägten) nur sie verpflichtenden (Rahmen-)Verträgen ausgestatteten „festen Freien“ sieht sich genötigt, zum Erhalt der eigenen Beschäftigung „in diesen Chor mit einzustimmen“.
Und die angemahnten Reformen? Wie bei der zweiten Kammer der „Dampfmaschine“ in dem Film „Die Feuerzangenbowle“: „Dat krieje mer später...“
Übrigens: Alle Länder? In einem kleinen gallischen Dorf namens Sachsen-Anhalt war man sich in der (auch noch: dreifarbigen) Regierung uneinig darüber, wie denn der Koalitionsvertrag insoweit zu verstehen sei. Und ehe man dafür den Koalitionsfrieden endgültig in Frage stellte, ließ der Ministerpräsident von einer Abstimmung über die Ratifizierung gleich ganz absehen. Ob er damit seine Kompetenzen überschritt, wird in diesem Jahr – unter formellen Gesichtspunkten – ein Landes- und – unter eher materiellen Gesichtspunkten – das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Und da der Medienstaatsvertrag ein „eingebautes Verfallsdatum“ hatte, bis zu dem alle Ratifizierungen vorzuliegen hatten, war’s das am 31. 12. 2020 mit ihm.
Und die öffentlich-rechtlichen Medien? Wähnten den „Niedergang des christlichen Abendlandes“ und eilten nach Karlsruhe. Um sich dort im Eilverfahren vom Bundesverfassungsgericht erklären zu lassen, dass es so dringlich dann doch nicht sein könne. Und siehe da: Die als Drohkulisse angekündigte Einstellung des Sendebetriebs fand dann doch nicht statt, die Mattscheibe blieb mitnichten schwarz. Was aber den meisten von uns schon deshalb entgangen sein dürfte, weil wir unsere Fernseher ohnehin kaum mehr anmachen.
Dr. Jörg Peter Strasburger, Partner bei Huth Dietrich Hahn in Hamburg, berät im öffentlichen (insbesondere: Immobilien-)Recht sowohl private Mandanten wie die öffentliche Hand. Bevor er Rechtsanwalt wurde, arbeitete er unter anderem in einem Bundesministerium.
1 | Vgl. auch: Rosenfelder, Die Regierungssprecher, DIE WELT v. 5. 1. 2021. |