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CB 2025, I
Passarge 

CB 2025, Heft 09, Umschlagteil S. I (I)

Politikwechsel & Compliance

„Für alle, die sich mit Compliance auseinandersetzen, wird es nicht besser.“

Eine erste Bestandsaufnahme: In Sachen Compliance hat die neue Bundesregierung in den frühen Monaten ihres Wirkens so gut wie nichts angestoßen. Das entspricht zumindest dem bedeutendsten Vorboten dieser Regierungszeit: dem Koalitionsvertrag. Den Begriff „Compliance“ finden wir dort genau einmal unter der Überschrift Staatsmodernisierung: „Gebündelte Service-Einheiten statt Doppelstrukturen. Die Erledigung standardisierbarer Aufgaben wie Personal, IT, Datenschutz, Vergabe und Beschaffungen, Compliance sowie übergreifende Kommunikationsmaßnahmen werden wir in leistungsfähigen gebündelten Service-Einheiten zusammenfassen.“ Blase ohne Inhalt. Wenn man sich anschaut, wie wenig Politik und Verwaltung von Compliance in eigener Sache halten, spiegelt das den wahren Stellenwert wider.

Aber immerhin: „Darüber hinaus schaffen wir das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ab“. Die Berichtspflicht nach LkSG soll abgeschafft werden und komplett entfallen, wird aber ersetzt durch den CSDDD-„Omnibus“ – was es auch nicht besser macht. Also ab 2028 dann wie gewohnt vieles unklar, aber gewiss nicht „bürokratiearm“.

Sprachlich interessant wird es bei der „Vereinfachung des Vergaberechts und dem strategischen Beschaffungsmanagement“: „Wir werden das Vergaberecht auf sein Ziel einer wirtschaftlichen, diskriminierungs- und korruptionsfreien Beschaffung zurückführen.“ Aha, wie war das Vergaberecht denn vor dieser geplanten Zurückführung – unwirtschaftlich, diskriminierend und korrupt? Sprachlich missglückt oder unfreiwillig ehrlich?

Geldwäschebekämpfung: „Wir werden Geldwäsche und Finanzkriminalität entschieden bekämpfen. Dazu werden wir die Kompetenzen des Bundes im Bereich der Finanzkriminalität bündeln.“ Gute Idee, mit der FIU hat es ja nicht so gut funktioniert. „Wir schließen Lücken im Transparenzregister.“ – Welche sollen das sein? „Wir werden ein administratives, verfassungskonformes Vermögensermittlungsverfahren schaffen mit dem Ziel, verdächtige Vermögensgegenstände von erheblichem Wert sicherzustellen, bei denen Zweifel an einem legalen Erwerb nicht ausgeräumt werden können.“ Warum wird erwähnt, dass diese Maßnahmen verfassungskonform sein sollen? Ist das eine erwähnenswerte Ausnahme? Das hört sich nicht gut an.

Vermögensabschöpfung: „Wir regeln, dass beim Einziehen von Vermögen unklarer Herkunft künftig eine vollständige Beweislastumkehr gilt, und setzen die Empfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Optimierung des Rechts der Vermögensabschöpfung um.“ Eine der wenigen richtigen und wichtigen Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und Geldwäsche, aber ob es umgesetzt wird, darf bezweifelt werden.

Strafrecht: „Zur Schließung von Strafbarkeitslücken prüfen wir, inwieweit der strafrechtliche Schutz für gezielte, offensichtlich unerwünschte und erhebliche verbale Belästigungen erweitert werden kann.“ Wo gibt es denn Strafbarkeitslücken? Freuen werden sich die Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte über mehr Arbeit gewiss.

„Wir entwickeln das StGB weiter und prüfen auch, welche Vorschriften überflüssig sind und gestrichen werden können.“ Vorschlag: § 188 StGB – Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung. Majestätsbeleidigung gibt es schön länger nicht, die Strafbarkeit der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten wurde auch kürzlich abgeschafft.

Und schließlich – Zugang zum Recht: „Wir werden den Zugang zum Recht erleichtern und die Justiz in der Fläche festigen. Durch eine deutliche Erhöhung des Zuständigkeitsstreitwertes stärken wir die Amtsgerichte. Die Rechtsmittelstreitwerte werden wir erhöhen.“ Wie soll die Erhöhung der Rechtsmittelstreitwerte den Zugang zum Recht erleichtern, das Gegenteil ist der Fall. Das gilt auch für das Folgende: „Wir werden die Verfahrensdauern generell erheblich verkürzen, indem wir unter anderem den Zugang zu zweiten Tatsacheninstanzen begrenzen.“ Sollen Richter zu schnellerem Arbeiten gezwungen werden? Und genial: „Zudem schaffen wir Rechtsgrundlagen für Möglichkeiten der richterlichen Verfahrensstrukturierung, etwa durch frühzeitige Verfahrenskonferenzen oder Vorgaben zur Strukturierung des Parteivortrags.“ Den Richtern war es bislang doch nicht untersagt, frühzeitig rechtliche Hinweise zu geben, frühzeitig zu terminieren oder frühzeitig einen Gütetermin (alt für Verfahrenskonferenz) anzusetzen.

Wir sehen, für alle die sich mit Compliance und rechtlichen Themen auseinandersetzen, wird es unter der neuen Regierung weder langweilig, noch besser.

Abbildung 1

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Partner in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte PartGmbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e. V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.

 
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