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CB 2025, I
Hauser 

CB 2025, Heft 07, Umschlagteil S. I (I)

Der Cha-Cha-Cha des Whistleblower-Schutzes

Das Problem sind nicht die Whistleblower-Gesetze, sondern deren Anwendung.

Der Schutz von Personen, die Korruption und andere Missstände melden, hat eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen. Noch vor gut einem Jahrzehnt war der Schutz von Whistleblowern kaum verbreitet. Heute haben weltweit fast 60 Länder Gesetze zum Whistleblower-Schutz erlassen und unzählige Unternehmen haben Systeme eingeführt, die Whistleblowing fördern und erleichtern sollen. Trotz dieser Entwicklung bleiben Fragen: Sind die Schutzmaßnahmen tatsächlich effektiv und effizient? Oder handelt es sich um leere Versprechungen, die nicht wirklich verhindern, dass Whistleblower weiterhin mit Repressalien rechnen müssen?

Anlässlich des OECD Global Anti-Corruption & Integrity Forums 2025 wurden diese Fragen im Rahmen einer Podiumsdiskussion diskutiert, die von der OECD gemeinsam mit der UNGC/PRME-Arbeitsgruppe zur Korruptionsbekämpfung organisiert wurde. Die Diskussion, an der Ian Foxley (Parrhesia Inc.), Sandra Middel (Axpo) und Mark Worth (Whistleblowing International) teilnahmen, wurde als metaphorischer Cha-Cha-Cha gestaltet, der sich rhythmisch zwischen Champions, Challenges und Change bewegte.

Die Podiumsteilnehmer wiesen darauf hin, dass es viele Champions (Vorkämpfer) für den Schutz von Whistleblowern gebe: Mutige Einzelpersonen, die trotz persönlicher und beruflicher Risiken Missstände melden. Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft, die sich auf internationaler und nationaler Ebene für gute rechtliche Rahmenbedingungen zum Whistleblowern-Schutz einsetzen, darunter die OECD, die Vereinten Nationen, die Europäische Union und der Europarat. Darüber hinaus verwiesen die Diskussionsteilnehmer auf Unternehmen, in denen der Whistleblower-Schutz fester Bestandteil der Firmenkultur ist und auf allen Ebenen gelebt wird. In diesen Unternehmen ist der Schutz im Verhaltenskodex verankert und wird durch transparente Kommunikation und Richtlinien gegen Vergeltungsmaßnahmen verstärkt. Diese Beispiele wurden ebenfalls als Champions (Best Practices) hervorgehoben.

Trotz erzielter Fortschritte bleiben Herausforderungen (Challenges) bestehen. Die Gesetzgebung hat sich weiterentwickelt, weist aber immer noch Lücken auf. Der Umfang des Rechtsschutzes ist oft eng begrenzt, und die Meldeverfahren sind häufig fragmentiert und unübersichtlich, so dass nicht klar ist, wie und wo Missstände sicher gemeldet werden können. Die Diskussionsteilnehmer äußerten sich besorgt über gesetzliche Regelungen, die Whistleblower für unbeabsichtigte Fehler im Meldeprozess bestrafen. Es wurde darauf hingewiesen, dass einige Whistleblower heute nicht aufgrund fehlender Gesetze Repressalien ausgesetzt sind, sondern aufgrund deren Auslegung. Der derzeitige Ansatz stelle eine erhebliche Belastung für Whistleblower dar, die sich häufig für ihre Entscheidung, einen Missstand zu melden, rechtfertigen müssten.

Die Podiumsteilnehmer wiesen zudem auf die nach wie vor bestehenden kulturellen Hindernisse hin, wie etwa das schlechte Image von Whistleblowern in der Gesellschaft. Darüber hinaus wurden Angst vor Repressalien, psychischer Druck, wirtschaftliche Unsicherheit und unzureichende Unterstützung nach der Meldung als Gründe genannt, die potenzielle Hinweisgeber nach wie vor abschrecken.

Um den genannten Herausforderungen zu begegnen, sind strukturelle und kulturelle Veränderungen (Change) notwendig. Im Rahmen der Diskussion wurde eine Reihe konkreter Empfehlungen formuliert. Angeregt wurde der Schutz vor Repressalien auf Verwaltungsebene, um langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Darüber hinaus wurde die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Wandels betont. Es sei wichtig, dass Menschen, die auf Missstände hinweisen, nicht als Verräter angesehen werden, sondern Wertschätzung erfahren. Auf technischer Ebene wurde die Einführung transparenter und benutzerfreundlicher Meldemechanismen gefordert.

Die für die Diskussion verwendete Cha-Cha-Cha-Metapher – Champions, Challenges, Change – bot einen dynamischen Gesprächsrahmen. Die lebhafte Diskussion machte deutlich, dass Whistleblowing-Schutz nicht nur eine formaljuristische Angelegenheit ist, sondern die Identität einer Gesellschaft, einer Organisation und von Individuen widerspiegelt. Sie alle sind „Tanzpartner“ in diesem Cha-Cha-Cha und die Choreografie wird nur besser, wenn alle aufmerksam zuhören, achtsam agieren und diejenigen nicht aus den Augen verlieren, die den ersten Schritt wagen.

Abbildung 1

Prof. Dr. Christian Hauser ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Internationales Management am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship der Fachhochschule Graubünden. Er ist dort Leiter des Kompetenzschwerpunkts Corporate Responsibility sowie des ersten PRME Business Integrity Action Centers in Europa.

 
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