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CB 2019, I
Jüngling 
CB 2019, Heft 10, Umschlagteil S. I (I)

Compliance Officer im politischen Ringkampf

„Compliance Officer tun gut daran, den Blick nach China zu richten.“

Abbildung 1

Compliance Officer sind gewohnt, eine politische Tätigkeit auszuüben: Um dies zu erkennen, müssen sie nicht einmal über den Tellerrand ihres Tagesgeschäfts hinausblicken. Tun sie es doch, sehen sie, wie die deutsche Compliance-Gemeinde seit Jahren der Veröffentlichung eines Referentenentwurfs (zum Verbandssaktionsrecht) entgegengefiebert. Heben sie ihren Blick weiter, werden sie Zeuge eines sich krisenhaft zuspitzenden Machtkampfes zweier Nationen, die um die globale Führung ringen: die USA und China.

Unter Präsident Trump haben sich Sanktionen wieder zu einem bevorzugten Werkzeug der US-Politik entwickelt. Nach dem Rückwärtssalto beim Iran sind nun China und seine Technologieunternehmen an der Reihe. Die größte Aufmerksamkeit genießt der Telekommunikation-Gigant Huawei, der bei der zukunftsweisenden 5G-Technologie eine führende Stellung und deswegen im Machtkampf zwischen den USA und China eine Schlüsselrolle einnimmt. Die USA werfen Huawei vor, für China Spionage zu betreiben.

Jedoch nicht mit dieser Begründung, sondern wegen angeblicher Verstöße gegen die Iran-Sanktionen setzten die USA im Mai 2019 Huawei auf eine schwarze Liste, die sogenannte „Entity List“ – wie mittlerweile zahlreiche weitere chinesische Unternehmen. Außerhalb einer beschränkten Übergangsregelung ist es dritten Unternehmen damit, vereinfacht gesprochen, untersagt, Huawei & Co. mit US-Technologie zu beliefern. Die aus diesen Maßnahmen resultierenden Umsatzeinbußen bei Huawei und seinen US-Lieferanten werden auf viele Milliarden USD geschätzt.

Doch auch deutsche Unternehmen treffen die Sanktionen, soweit sie in relevanter Weise US-Technologie nutzen und mit Huawei oder anderen sanktionierten Unternehmen Geschäfte machen (siehe hierzu meinen Beitrag in der September-Ausgabe der Online-Zeitschrift Compliance: www.compliance-plattform.de). Damit finden sich die Compliance-/Exportkontroll-Abteilungen deutscher Unternehmen als ausführendes Instrument der US-Regierung im amerikanisch-chinesischen Ringkampf wieder. Dies ist keine ganz neue Situation. Auch früher schon waren Sanktionen politisch motiviert und das US-amerikanische Anti-Korruptions-Gesetz FCPA hat sein wirtschaftsstrategisches Geschmäckle nie vollständig verloren. Gleichwohl blieb der Blick der Compliance Officer zumeist klar nach Westen gewandt. Diese Loyalität wird nun auf eine harte Probe gestellt.

Die Europäische Union und Deutschland haben den extraterritorialen Muskelspielen der USA traditionell wenig entgegenzusetzen. Ähnlich erging es zumeist den sanktionierten Ländern. Sind die Kräfte bei Russland schon nicht mehr ganz so eindeutig verteilt, könnte China zur echten Nagelprobe werden. Schon jetzt hat das Land eine überragende wirtschaftliche und zunehmend auch technologische Bedeutung und ist dabei, schrittweise aber nachhaltig seine politischen und regulatorischen Flügel global zu entfalten. Die jüngst ergriffenen US-Sanktionen stoßen bei China auf, wenn auch noch punktuelle, Gegenwehr. Den Verantwortlichen beim US-Unternehmen FedEx z. B., dem China vorwirft, rechtswidrig Lieferungen an Huawei zurückgehalten zu haben, dürfte der Schweiß auf der Stirn stehen, wenn sie nach einem Weg suchen, damit ihr Unternehmen nicht zwischen den sich auf Kollisionskurs befindlichen Machtblöcken USA und China zerschellt. Auch deutsche Unternehmen können sich in einer entsprechenden Lage finden.

Nun soll an dieser Stelle nicht darüber philosophiert werden, ob die (auch regulatorische) Welt bald in zwei Teile mit den USA auf der einen und China auf der anderen Seite zerfallen wird. Mit dem Verbot an Google, Huawei mit dem Handy-Betriebssystem Android zu beliefern, hat die US-Regierung aber möglicherweise weniger das gewünschte „Level Playing Field“ in die US-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen gewalzt als eine Schneise für die Seidenstraße in die globalen Technologiemärkte geschlagen, falls Huawei deswegen mit Erfolg ein eigenes Betriebssystem launchen sollte. Nutzt erst einmal auch der Rest der Welt statt der amerikanischen GAFA (Google, Apple, Facebook und Amazon) -Apps vermehrt die chinesischen Pendants WeChat, Baidu und Weibo, dann ist China in seinen Bemühungen um eine globale Führerschaft jedenfalls einen großen Schritt weitergekommen.

Bevor es zum großen Show-Down kommt, heißt es für die Compliance Officer im Maschinenraum der deutschen Wirtschaft aber erst einmal: Compliance-Programm stärken, Güterpositionen checken, Rechtslage klären (Twitter rules!) etc. Sie tun allerdings gut daran, den Blick auch nach China zu richten – nicht nur bei der Ausübung der für diesen Berufsstand überlebenswichtigen fernöstlichen Entspannungsübungen.

Dr. Alexander Jüngling, LL. M. (Chicago), ist Rechtsanwalt und Partner von Comfield-Legal. Er berät Unternehmen zu Compliance-Fragen mit den Schwerpunkten Corporate Governance, Anti-Korruption, Datenschutz, Kartellrecht und Exportkontrolle.

 
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